Technik-Doping in der Leichtathletik? Der Krieg der Schuhe

Der Leichtathletik-Weltverband IAAF – oh sorry, World Athletics natürlich – kommt einfach nicht mehr aus den Schlagzeilen heraus. Zuerst der Doping-Skandal um Russland, der Fall Caster Semenya und nun schließlich die Technik-Doping-Vorwürfe gegen Nike.

Eliud Kipchoge mit dem Alphafly (gefunden bei: Believe in the Run)

Eliud Kipchoge mit dem Alphafly (gefunden bei: Believe in the Run)

Als Eliud Kipchoge letzten Oktober als erster Mann in der Geschichte den Marathon unter zwei Stunden lief, hatte das nicht nur begeisterte Reaktionen zur Folge. Dies lag an den Laborbedingungen, unter welchen diese historische Leistung entstand. Dass dieser Lauf niemals als Weltrekord anerkannt werden würde, stand jedoch bereits vorher fest. Grund hierfür waren nicht nur die Streckenführung und die 41 abwechselnden Tempomacher, sondern auch die Wahl der Schuhe. Kipchoge trug nämlich mit dem Nike Air Zoom Alphafly NEXT% eine bis heute nicht auf dem Markt verfügbare Weiterentwicklung der ZoomX Vaporfly Next%-Serie. Zusammen mit dem Vorgängermodell Vaporfly 4%, mit dem er bereits im Oktober 2018 den offiziellen Marathon-Weltrekord brach, bilden diese Schuhe nun den Stein des Anstoßes in der Debatte um Technik-Doping in der Leichtathletik.

Seit Einführung dieser Nike-Modelle im Jahr 2016 purzeln die persönlichen Bestleistungen und Rekorde auf der Straße sowie der Bahn. Hierzu ein paar Fakten: einen Tag nach der sogenannten „Ineos 1:59 Challenge“ pulverisierte Brigid Kosgei beim Chicago-Marathon den 16 Jahre alten Weltrekord von Paula Radcliffe um 81 Sekunden und unterbot ihre eigene Bestleistung sogar um mehr als vier Minuten. Dabei trug sie ebenfalls einen Prototyp aus der Alphafly-Serie. Mit Vaporfly-Modellen waren dagegen die gesamte Top 10 der Männerkonkurrenz unterwegs. Überhaupt sind die fünfschnellsten Zeiten im Herren-Marathon in den letzten 13 Monaten von Athleten in Vaporfly-Modellen oder deren Weiterentwicklung gelaufen worden. Dies gilt ebenso für die 31 der 36 Podestplätze in den sechs zu den World Marathon Majors gehörenden Rennen. Bereits 2016 wurden die ersten drei Plätze beim Olympia-Marathon in diesen Schuhen errungen. Die Liste ist endlos.

Technik-Doping bei Nike?

Das Gefühl, wie auf einem Trampolin zu laufen – so beschreibt es der US-amerikanische Läufer Jake Riley nach dem Chicago Marathon. Dies kommt der Realität ziemlich nahe. Die Nike-Modelle bestechen durch eine dicke hintere Sohle, welche aus dem sogenannten ZoomX-Schaumstoff besteht, und verfügen über mindestens eine durchgehende Karbonfaserplatte, die wie eine Springfeder funktioniert. Bei den Alphafly-Modellen von Kosgei und Kipchoge treibt es Nike dabei auf die Spitze: nicht nur ist die Sohle noch dicker, sie haben darüber hinaus noch zwei zusätzliche Luftkissen im vorderen Teil der Sohle. Das hat eine enorme Kraftersparnis zur Folge. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie, die 2017 in der Fachzeitschrift „Sports Medicine“ veröffentlicht wurde. Danach verbesserte sich die Laufökonomie in Vaporflys um rund vier Prozent im Vergleich zu anderen beliebten Laufschuhen. In einer Sportart, bei der es um jede hundertstel Sekunde geht, sind dies bedeutende Unterschiede. Die „New York Times“ kam bei ihrer letztjährigen Untersuchung von rund einer Millionen Rennen – Halbmarathons und Marathons – zu einem ähnlichen Resultat. Demnach gingen 41 Prozent der Sub-3 Stunden-Ergebnisse auf das Konto von Läufer*innen, die sich entweder für die herkömmlichen Vaporfly 4% oder die Vaporfly Next%-Modelle entschieden.

Modell eines Nike Alphaflys

Modell eines Nike Alphaflys (gefunden bei: Believe in the Run)

Diese auffälligen Leistungssprünge, aber auch die Erfolgsserie von Nike-Athlet*innen sorgt für Kritik sowohl aus Sportler*innen- als auch Wissenschaftskreisen. Nike wird Technik-Doping vorgeworfen – also die Steigerung der Leistung durch technische Hilfsmittel – und das ausgerechnet in einer Sportart, in der der Körper im Mittelpunkt der Leistung stehen sollte. Eine Läuferin, die diese Diskussion Anfang Januar aus Athletensicht befeuerte, war Kara Goucher, die bereits 2015 als Whistleblowerin den Doping-Prozess gegen das Nike Oregon Projekt ins Rollen brachte. In einem Interview mit dem „Forbes Magazine“ bezeichnete sie sich selbst als wohl erste Athletin, die die Olympischen Spiele aufgrund der falschen Schuhwahl verpasste. Bei der nationalen Olympia-Qualifikation 2016 im Marathon belegte sie nur den vierten Platz – hinter den beiden Nike-Athletinnen Shalane Flanagan und Amy Cragg in Vaporflys sowie Des Linden. Nike streitet diese Vorwürfe natürlich ab. Die Schuhe würden nur für eine Kraftersparnis bei den Athlet*innen sorgen und nicht, wie bei Doping üblich, Energie hinzuführen.

Erinnerung an die Weltrekord-Ära im Schwimmen

Die Diskussion führen jedoch nicht nur „altmodische“ Puristen, die gegen jeglichen technischen Fortschritt sind und Läufer*innen am liebsten barfuß sehen wollen würden. Es wird auch der fehlende gleichberechtigte Zugang zu den Nike-Schuhen bemängelt. So sind Prototypen wie der Nike Air Zoom Alphafly NEXT% nur einem ausgewählten Kreis um Nike-Athlet*innen wie Kosgei oder Kipchoge vorbehalten – davon mal abgesehen, dass dieses Modell noch gar nicht mal offiziell auf dem Markt ist. Doch auch andere Sportartikelhersteller holen auf. Joyciline Jepkosgei, die Weltrekordlerin über die Halbmarathon-Strecke, blieb bei ihrem Marathon-Debüt im November 2019 in New York nur sieben Sekunden über dem Streckenrekord – auch dank des neuen Adidas-Schuhs adizero Pro, welcher als direkte Reaktion auf die Nike-Modelle zu verstehen ist. Auch der Weltrekord auf der 10-Kilometer-Strecke vom Januar 2020 geht auf Adidas‘ Konto. Dennoch fällt es anderen Sportausstattern im Wettlauf um den besten Schuh schwer, aufgrund der großen Anzahl von Nike-Patenten ein adäquates Konkurrenzprodukt auf den Markt zu bringen.

LZR Racer von Speedo (Quelle: Kathy Barnstorff / NASA)

Diese Materialschlacht erinnert an eine Zeit im Schwimmsport, als Speedo vor knapp zehn Jahren ebenfalls textiles bzw. Technik-Doping vorgeworfen wurde. Damals waren Ganzkörperschwimmanzüge en vogue, vorzugsweise Speedos LZR Racer, welcher die Haut von Haien imitieren und somit unter anderem die Durchblutung der Muskeln fördern sollte. Eine Flut von Weltrekorden zwischen 2008 und 2010 war die Folge: allein im ersten Monat nach der Einführung des Anzugs Anfang 2008 fielen 13 Weltrekorde, bis zum Verbot durch die FINA 2010 sollten es noch 130 werden. 98 Prozent aller bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking gewonnenen Medaillen wurden mit dem LZR Racer. Wie nun im Fall der Nike-Schuhe regte sich Unmut unter den Schwimmer*innen, die keinen Zugang zu den Wunderanzügen hatten – entweder weil sie durch Verträge an andere Sponsoren gebunden waren oder weil sie sich die 550 US-Dollar für einen Anzug, den man nur ungefähr zehnmal tragen konnte, einfach nicht leisten konnten oder wollten. Dies und die darauffolgende Materialschlacht zwischen den Sportausstattern sorgte nach reichlich Zögern auf Seite der FINA für ein endgültiges Verbot 2010.

Forderung nach einem Verbot

Nike ZoomX Vaporfly NEXT% (Quelle: Marco Verch; Lizenz: CC BY 2.0)

Solch ein Verbot fordern nun auch die Gegner der Nike-Schuhe vom Leichtathletik-Weltverband. Dieser reagierte zwar nicht so drastisch wie die FINA, stellte aber Ende Januar zumindest neue Regularien auf. So dürfen die Sohlen von nun an nicht mehr dicker als 40 Millimeter sein, bei sogenannten Spikes sogar nur 30 Millimeter. Außerdem ist nur noch eine Karbonfaserplatte im Schuh erlaubt. Der wichtigste Punkt betrifft jedoch die Verfügbarkeit des Schuhs. So müssen alle Schuhe, die im Wettkampf getragen werden, bereits mindestens vier Monate im Handel erhältlich gewesen sein. Diese Regel tritt am 30.04.2020 in Kraft, also pünktlich zu den Olympischen Spielen im August. Zufällig erfüllen Nikes Schuhe all diese Kriterien, allen voran deren  neues Modell, der Air Zoom Alphafly NEXT%: er kommt nicht nur passenderweise im März auf dem Markt, sondern er entspricht mit einer Sohlendicke von 39,5 Millimeter gerade so den neuen Regularien. Diese für Nike glückliche Fügung und deren enge Geschäftsbeziehung zum World Athletics-Präsidenten Sebastian Coe veranlasst viele Kritiker, an der Neutralität des Weltverbandes zu zweifeln.

Ob diese neuen technischen Weiterentwicklungen der Schuhe nun als Technik-Doping zu bezeichnen sind oder auch nicht, es lassen sich auf jeden Fall Parallelen zum „herkömmlichen“ Doping ziehen. Leistungen werden hinterfragt, der erste Blick ist inzwischen immer erst der auf die Schuhe und der Zweifel läuft immer mit. So auch in der aktuellen Hallensaison, die in vollem Gange ist. Die Schottin Jemma Reekie bricht auf der Mittelstrecke Rekord nach Rekord und steigerte ihre persönlichen Bestzeiten jeweils um einige Sekunden. Bisher ein No Name im Seniorenbereich werden Zweifel laut, ob ihre enorme Leistungssteigerung nur auf ihr ohne Frage großes Talent zurückzuführen ist oder ob nicht auch ihre Schuhe, ebenfalls ein Prototyp von Nike, einen erheblichen Anteil daran haben. Das gleiche gilt für die US-Amerikanerin Elle Purrier, die im New Balance FuelCell 5280 ihre persönliche Bestleistung über die Meile um acht Sekunden verbesserte und damit den 37 Jahre alten US-amerikanischen Hallenrekord verbesserte.

Befürworter der neuen Modelle verweisen auf technische Weiterentwicklungen wie etwa die Einführung der Kunststoffbahn, welche ebenfalls zu Leistungssteigerungen führten. Diese Veränderungen galten damals jedoch für alle Athlet*innen gleichermaßen. Ob dies hier der Fall ist, bleibt fraglich. Eins steht nur fest: sollte der Leichtathletik-Weltverband nicht härter durchgreifen oder für Bedingungen für alle sorgen, wird der Verdacht des Technik-Dopings in Hinblick auf die Olympischen Spiele in Tokio bei jeder Topleistung der Elefant im Raum sein.

Leichtathletik-WM: Tag 6 und 7!

Was soll man sagen? Da ist sie dann doch, die erste Goldmedaille für die deutsche Mannschaft bei der Leichtathletik-WM. Und mit dieser haben wohl die wenigsten gerechnet.

Was war geschehen?

Es gibt einen neuen König der Leichtathletik, und dessen Name lautet Niklas Kaul. Mit 21 Jahren ist er nicht nur der jüngste Weltmeister im Zehnkampf, sondern auch der erste Gesamtdeutsche – ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit. Die Bahn für Kaul war frei, nachdem etliche Favoriten – darunter der Weltrekordler Kevin Mayer –  entweder verletzt aufgeben mussten oder ihre Nerven nicht unter Kontrolle hatten. Was für ein Zehnkampf.

Etwas weniger dramatisch, aber dafür nicht weniger spannend war der Siebenkampf. Nach Jahren der Dominanz durch Nafi Thiam konnte sich schließlich Katarina Johnson-Thompson die Krone aufsetzen. Die Britin galt schon lange als Top-Talent, konnte aber nie so richtig die hohen Erwartungen erfüllen. Erst ein Ortswechsel sorgte für den gewünschten Erfolg: seit 2016 trainiert sie zusammen mit Kevin Mayer in Montpellier. Bereits letztes Jahr konnte sie die Silbermedaille bei der EM in Berlin gewinnen. Damals noch hinter Thiam.

Christina Schwanitz kann dank gestern nun einen vollständigen WM-Medaillensatz ihr eigen nennen. Mit einem wuchtigen Stoß auf 19,17 Meter gewann sie Bronze hinter der Chinesin Gong und der Jamaikanerin Thomas-Dodd. Erst 2017 brachte Schwanitz Zwillinge zur Welt, um dann direkt bei der EM in Berlin letztes Jahr den 2. Platz zu erreichen. Das 15-Euro-Bier hat sie sich auf jeden Fall verdient.

Historisches geschah ebenfalls im 400m-Finale der Frauen. Salwa Eid Naser setzte sich gegen die Top-Favoritin Shaunae Miller-Uibo durch. Und das in einer Wahnsinns-Zeit: 48,14 Sekunden bedeuteten die drittschnellste Zeit, die je über die 400m gelaufen wurden. Schneller waren nur Marita Koch aus der ehemaligen DDR und die Tschechin Jamila Kratochvilova in den 1980er Jahren – deren Leistungen gelten jedoch als doping-belastet. Als erster Britin seit 36 Jahren gelang Dina Asher-Smith der Gold-Coup über die 200m. Nachdem sie bereits in Berlin letztes Jahr Doppel-Europameisterin wurde, sprintete sie vorgestern 21,88 Sekunden zu einem britischen Rekord.

Kurioses in Doha

Die IAAF zeigte sich gestern zweimal von ihrer gnädigen Seite, als sie sowohl Orlando Ortega als auch Wojciech Nowicki je nachträglich eine Bronzemedaille zusprach. Doch was war geschehen? Das 110m Hürden-Finale endete am Mittwoch spektakulär. Mit Grant Holloway, der die Leichtathletik zugunsten einer NFL-Karriere vorzog, gab es einen Überraschungs-Weltmeister. Dies lag aber auch daran, dass Top-Favorit und Titelverteidiger Omar McLeod stürzte und dabei Orlando Ortega mit sich zog. Letzterer war bis dahin auf dem Weg zu einer sicheren Medaille. Nach Silber bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro und Bronze bei der EM 2018 kann Ortega nun auch seine erste WM-Medaille verbuchen.

Die Bronzemedaille im Hammerwurf kann Wojciech Nowicki dem Protest seiner Mannschaftsführung verdanken. Die bemängelte den ersten Wurf vom Drittplatzierten Bence Halasz. Zwar gab die IAAF den Polen Recht, wollte dem Ungarn jedoch die Medaille nicht wieder aberkennen. So gibt es nun im Hammerwurf zwei Bronzemedaillen-Gewinner.

Fragwürdige Trainerwahl

Die Kugelstoß-Weltmeisterin Gong Lijiao wurde zumindest bis 2017 von Dieter Kollark trainiert – langjähriger Trainer in der ehemaligen DDR, dem bis heute nicht nur Doping von Minderjährigen vorgeworfen wird, sondern der auch bis zum Fall der Mauer Stasi-Spitzel war. Und auch die Diskuswerferin Claudine Vita nimmt die Dienste von Kollark in Neubrandenburg in Ansprüche. Es ist eine Schande, dass diese DDR-Täter immer noch eine Rolle im heutigen Sport spielen dürfen.

Dopingland Marokko?

Die Sportschau berichtete gestern in einem Dreißigminüter über Doping in Marokko, welches auch den französischen Verband und den Europameister über 10.000m, Mourad Amdouni, betrifft:

Wer war mal gedopt?

Der Franzose Quentin Bigot galt als großes Hammerwurf-Talent, als man in seiner Dopingprobe 2014 Stanozolol fand. Anschließend wurde er vier Jahre gesperrt, zwei davon auf Bewährung. Ihm kam zu Gute, dass er umfangreich über die Hintermänner seines Dopingfalls auspackte. So beschuldigte er zum Beispiel seinen Trainer Raphaël Piolanti, Frankreichs Trainer des Jahres 2013, von ihm zum Doping angestiftet worden zu sein. Dieser wurde 2018 zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt, überdies ist er lebenslang gesperrt. Bigot gewann gestern WM-Silber.

Die Vorschau auf Tag 8

Aus deutscher Sicht steht heute sicherlich das Diskus-Finale der Frauen im Fokus. Mit Nadine Müller, Claudine Vita und Kristin Pudenz haben es alle deutschen Werferinnen in den Endkampf geschafft. Mit ganz viel Glück hat Müller sogar eine Medaillenchance. Gespannt sein darf man auch auf die Vorläufe der 4x100m Staffel der Frauen sein, da die deutsche Staffel die Weltjahresliste anführt. Allerdings fehlt mit Tatiana Pinto einer der Leistungsträgerinnen der Mannschaft.

Leichtathletik-WM: Tag 5!

Enttäuschung und Freude liegen manchmal so nah beieinander. So wie bei den beiden vierten Plätzen für die deutsche Mannschaft gestern Abend.

Was war geschehen?

Christin Hussong

Quelle: Ailura, Lizenz: CC BY-SA 3.0 AT

Obwohl es die beste Platzierung war, die ihr je bei einer Weltmeisterschaft gelang, konnte Christin Hussong im ARD-Interview ihre Enttäuschung nicht verbergen. Aber wer kann es ihr verübeln? Fünf Versuche lang lag sie im Speerwurf-Finale auf einem Medaillenplatz, bis die Australierin Kelsey-Lee Barber einen Wurf raushaute, der sie von Platz 4 auf den 1. Platz katapultierte. Die Chinesinnen, die bis dahin auf den ersten beiden Plätzen lagen, konnten nicht nachlegen. Und so war Barber, die sich kaum für das Finale qualifizieren konnte, auf einmal Weltmeisterin und Hussong auf Platz 4 zurückgefallen.

In einer anderen Gefühlswelt fand sich wohl Bo Kanda Lita Baere wieder, der bei seiner ersten WM-Teilnahme überraschend den 4. Platz im Stabhochsprung-Finale belegte. Dafür reichte eine übersprungene Höhe von 5,70 Meter. Die Medaillen machten dann Piotr Lisek, Armand Duplantis und Sam Kendricks unter sich aus. Am Ende gelang Kendricks gerade so die Titelverteidigung. Zwar überquerten sowohl er als auch Duplantis die 5,97 Meter, Letzterer hatte aber einen Fehlversuch zu viel auf seinem Konto. Was dem Wettkampf an erwarteten Höhen fehlte, machten die Athleten durch Spannung wieder wett.

Noah Lyles

Quelle: jenaragon94, Lizenz: CC BY 2.0

Was war sonst noch los? Noah Lyles gewann erwartungsgemäß die 200m, allerdings artete es mehr in Arbeit aus als er vorher wohl dachte. Den 4. Platz belegte der Brite Adam Gemili, der einem nur leidtun konnte. Noch überraschend und enttäuscht im 100m-Halbfinale ausgeschieden, zeigte er sich über die doppelte Distanz in starker Form. So sah er nach der Kurve wie ein sicherer Medaillenkandidat aus, ließ sich auf der Zielgeraden dann aber von Andre de Grasse und dem Ecuadorianer Alex Quiñónez abkochen. Bei den Frauen schieden alle drei deutschen Teilnehmerinnen im Halbfinale aus. Besonders ärgerlich ist dabei die Verletzung von Tatiana Pinto, die damit für die Sprintstaffel am Freitag und Samstag fraglich ist.

Neuer Weltmeister über die 800m ist Donovan Brazier. Der US-Amerikaner und Salazar-Schützling ließ sich von der gestern verkündeten Doping-Sperre seines Trainers anscheinend nicht aus der Fassung bringen, denn er siegte überlegen mit Meisterschafts- und US-Rekord. Die bisherigen Rekorde stammten aus dem Jahr 1987 bzw. 1985. Es stand allerdings schon vor dem Finale fest, dass es einen neuen Titelträger geben würde: keiner der Teilnehmer des WM-Finals 2017 konnte sich für das gestrige Rennen qualifizieren.

Gedopt? Ich?

Piotr Lisek, Gewinner der Bronzemedaille gestern im Stabhochsprung, war 2012 sechs Monate gesperrt. In seiner Dopingprobe von den polnischen Meisterschaften konnte die Stimulanz Methylhexanamin nachgewiesen werden. Er gab an, dass diese Substanz in einem Energydrink enthalten war, so dass die Sperre auf sechs Monate reduziert wurde.

Von Mai 2013 bis Mai 2014 war Lyu Huihui wegen einer Dopingsperre von jeglichen Wettkämpfen ausgeschlossen. Bei der Chinesin fand man das Diuretikum Hydrochlorothiazid. Gestern gewann sie die Bronzemedaille im Speerwurf.

Kristjan Pars ist zwar gestern in der Hammerwurf-Qualifikation ausgeschieden, aber als Olympiasieger von 2012 doch von Interesse. Er kehrt gerade wieder von einer Dopingsperre zurück, die im April letzten Jahres ausgesprochen wurde. Um welche Substanz es sich handelte, ist bis heute nicht bekannt. Er war für anderthalb Jahre gesperrt.

Neues von der IAAF

Internationale TV-Zeiten, der Beginn der Arbeitswoche und die politische Blockade Katars: das sind laut Organisationskomitee und Leichtathletik-Weltverband die Gründe für die desolaten Zuschauerzahlen im Khalifa International Stadium in Doha. Laut IAAF-Generalsekretär Jon Ridgeon seien die politischen Umstände bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2014 noch ganz andere gewesen. Heutzutage sei Katar im Mittleren Osten isoliert. Womit er ja nicht ganz Unrecht hat. Dennoch haben zumindest Bahrain und Saudi Arabien Sportler nach Doha geschickt.

Außerdem seien vor allem die Mittel- und Langstrecken bei den Zuschauern, welche hauptsächlich aus den afrikanischen Staaten kommen, beliebt. Und diese finden nun mal früher am Abend statt. Die Stimmung beim 5.000m-Finale der Herren am Montag war zum Beispiel ganz gut. Eine kleine Gruppe von Zuschauern machte kräftig Party. Dennoch konnte es nicht darüber hinweg täuschen, dass das Stadion fast leer war. Dies belegen auch die Zuschauerzahlen. Am Freitag und Samstag sollen ungefähr 11.000 Besucher die Wettkämpfe live miterlebt haben, den Tag darauf aber schon nicht mal mehr 8.000.

Die Leistungen der Sportler scheinen diese Zahlen aber nicht zu beeinflussen. Das Niveau der Wettkämpfe ist – zumindest innerhalb des Stadions – sehr hoch. Auch wenn bisher „nur“ ein Weltrekord erzielt wurde, fielen schon etliche nationale und kontinentale Bestmarken. Und das scheint auch das deutsche Publikum zu begeistern. Gestern begleiteten 5,20 Millionen Zuschauer das Wettkampfgeschehen am Fernseher. Damit holte sich die ARD den Tagessieg in der Primetime.

2 % sind zu wenig – Trainerinnen in der Leichtathletik

Gestern saß beim Stabhochsprung-Finale mit Christine Adams eine Frau als leitende Disziplin-Bundestrainerin auf der Tribüne. Man könnte jetzt denken: ja, und? Beschäftigt man sich jedoch intensiver mit der Leichtathletik (oder jeder anderen Sportart), merkt man schnell, wie rar gesät bis heute Trainerinnen sind. Von 37 BundestrainerInnen sind gerade einmal vier weiblich, und zwar die bereits genannte Christine Adams, Kathrin Dörre-Heinig (Marathon) sowie Brigitte Kurschilgen (Hochsprung) und Claudia Marx (400m Frauen). Glaubt  man dem Female Coaching Network liegt der Anteil von Trainerinnen bei der Leichtathletik-WM nur bei zwei Prozent. Auch wenn es nur eine Schätzung ihrerseits ist, erscheint diese Zahl doch sehr wahrscheinlich. Doch woran liegt das? Die Hauptgründe werden wohl wie so oft die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die schlechte Bezahlung sein.

https://twitter.com/FemaleCN/status/1177568576041029633

Das ist sehr schade, denn viele Beispiele zeigen, dass Trainerinnen ihrem männlichen Pendant in nichts nachstehen. Die nun so oft genannte Christine Adams trainiert zum Beispiel Bo Kanda Lita Baere. Caryl Gilbert-Smith führte Rai Benjamin zu einer Silbermedaille über die 400m Hürden, über die gleiche Distanz ist Joanna Hayes‘ Schützling Sydney McLaughlin eine heiße Medaillenanwärterin. Silber im Hochsprung gewann auch Yaroslava Mahuchikh unter der Leitung von Tetyana Stepanova. Erfolgreicher war nur Svetlana Abramova mit ihrem Schützling Anzhelika Sidorova – Gold im Stabhochsprung.

Die Vorschau auf Tag 6

Kai Kazmirek

Quelle: Samuel Blanck, Lizenz: CC0 1.0

Alle Augen werden heute auf Konstanze Klosterhalfen gerichtet sein, die sich im 5.000 Meter-Vorlauf für das Finale qualifizieren möchte. Man darf gespannt sein, wie sie den Fragen, die hoffentlich kommen werden, im Anschluss begegnen wird. Ansonsten ist heute der Tag der Mehrkämpfer. Bei dieser Leichtathletik-Weltmeisterschaft werden der Zehn- und Siebenkampf zeitgleich ausgetragen. So möchte die IAAF die Aufmerksamkeit noch mehr auf diese Disziplinen lenken. In Deutschland wird der Fokus dagegen hauptsächlich auf dem Zehnkampf liegen, da im Siebenkampf keine deutsche Starterin dabei ist. Mit Niklas Kaul und Kai Kazmirek sind dagegen aussichtsreiche Kandidaten am Start. Allerdings müssen die MehrkämpferInnen ihre Wettkämpfe in komprimierter Form austragen, da es ja keine Vormittags-Sessions gibt. Fünf Disziplinen innerhalb von sieben Stunden. Klingt nicht nach Spaß.

Es steht außerdem eine Reihe von Qualifikations-Wettbewerben an. Über die 1.500m versucht Caterina Granz, das Halbfinale zu erreichen. Die Kugelstoßerinnen um Christina Schwanitz, Sara Gambetta und Alina Kenzel sind ebenfalls im Einsatz. Zumindest Schwanitz sollte keine Probleme mit der Quali-Weite von 18,40 Metern haben. Ein Trio tritt auch im Diskusring an. Mit Nadine Müller, Claudine Vita und Kristin Pudenz haben alle von ihnen gute Chancen auf das Finale.

Die Sprint-Wettbewerbe legen auch keine Pause ein. Sowohl das 200m-Finale der Frauen (Dina Asher-Smith!) als auch das Finale über die 110m Hürden (Omar McLeod!) finden heute Abend statt. Im Hammerwurf-Finale ist leider kein Deutscher vertreten. Die beiden Führenden der Qualifikation, Wojciech Nowicki und Pawel Fajdek, werden übrigens von zwei Frauen trainiert.

Leichtathletik-WM: Tag 4!

Gestern gab es die erste Medaille für die deutsche Mannschaft, heute werden die Nachrichten um das Nike Oregon Project das Leichtathletik-Geschehen bestimmen. Doch bevor sich Sport.Politik ebenfalls mit diesem Thema beschäftigt, gibt es hier erstmal einen Rückblick auf die gestrigen Wettkämpfe.

Was war los?

Der Moment des Abends war aus deutscher Sicht natürlich die Bronzemedaille von Gesa Felicitas Krause über 3.000m Hindernis. Nach persönlicher Bestleistung und deutschem Rekord war es deshalb auch nicht großartig verwunderlich, dass Krauses Trainer Wolfgang Heinig abends Besseres vorhatte als mit der Presse zu reden: „Sicherlich sollte man mich heute um Mitternacht nicht interviewen.“ Na dann mal Prost!

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Ohne deutsche Brille war das Highlight des Abends aber sicherlich das 5.000m-Finale der Herren. Die Ingebrigtsen-Brüder, seit ihrer Kindheit von ihrem Vater auf Erfolg getrimmt, wollten unbedingt eine Medaille. Und beinahe wäre es Jakob Ingebrigtsen auch gelungen. Nachdem die Brüder das Renngeschehen zunächst von hinten gestalteten, starteten Filip und Jakob Ingebrigtsen nach circa der Hälfte der Strecke eine fulminante Aufholjagd, der erst auf der Schlusskurve von den Läufern aus Äthiopien und Kanada ein Ende gesetzt werden konnte. Letztlich belegte Jakob Ingebrigtsen den 5. Platz. Auf die IAAF ist dagegen Verlass: der 5.000m-Lauf wird nächste Saison nicht mehr Bestandteil des offiziellen Diamond League-Programms sein. Das gleiche Schicksal droht übrigens auch dem Dreisprung der Herren.

Der Diskuswurf wurde zu einer knappen Angelegenheit, bei der zumindest die Weiten ein wenig enttäuschend waren. Weltmeister Daniel Stahl und Fedrick Dacres warfen beide schon über 70 Meter diese Saison, kamen diesmal aber nicht über die 68 Meter hinaus. Martin Wierig kam dagegen auf einen für ihn sehr guten 8. Platz. Ohnehin war es ein erfolgreicher Abend für die deutsche Mannschaft, was die Qualifikationswettbewerbe angingen. Christin Hussong konnte sich als Gesamt-Zweite für den Speerwurf qualifizieren, bei den 200m erreichten sogar alle drei deutschen Sprinterinnen das Halbfinale – Tatjana Pinto und Lisa Marie Kwayie sogar mit persönlicher Bestleistung.

Im Hochsprung-Finale reichten 1,89 Meter für Imke Onnen leider nur für den 9. Platz, aber das Erreichen des Finales war ja schon ein großer Erfolg. Der Sieg ging mit 2,04 Meter erwartungsgemäß an die Russin Mariya Lasitskene. Diesmal hatte sie mit der jungen Ukrainerin Yaroslava Mahuchikh aber unerwartete Konkurrenz. Diese steigerte ihre persönliche Freiluft-Bestleistung nämlich einfach mal um 9 Zentimeter und stellte damit einen neuen U20-Weltrekord auf.

Doping-News des Tages

Die IAAF kann einem fast schon leidtun (jhaha, just kidding!). Dachte man, Berichte über fehlende Zuschauer, Korruption und fragwürdige Kameraeinstellungen wären schon schlimm genug, da kommt die USADA um die Ecke und packt den Doping-Hammer aus: Vier Jahre Sperre für Alberto Salazar, dem Cheftrainer des berühmt-berüchtigten Nike Oregon Projects, wegen des Handels mit Testosteron, der Manipulation von Dopingproben sowie der Verabreichung von Infusionen. Gerüchte und Berichte über Doping im NOP gab es schon lange – unter anderem von der WM-Zweiten über 10.000m 2007, Kara Goucher – nun ist die USADA zu einem Urteil gekommen. Salazar, selbst iin den 1980er Jahren dreifacher Sieger des New York Marathons, bestreitet selbstverständlich alle Vorwürfe.

Alberto Salazar

Quelle: Cal Hopkins; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Das NOP wurde, wie der Name schon sagt, 2001 von Nike gegründet und stand von Beginn an unter der Beobachtung der USADA und WADA. Aushängeschild dieses Projektes war bis 2017 Mo Farah, der wegen zweier verpasster Kontrollen selbst Dopingverdächtigungen ausgesetzt war. Momentan trainieren in Oregon die 10.000m-Weltmeisterin von Doha, Sifan Hassan, und Konstanze Klosterhalfen. Die Anti-Doping Einheit der IAAF (AIU) verkündete heute auch dementsprechend, dass Salazar von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen sei und den AthletInnen ein Kontaktverbot zu ihm auferlegt werde. Dies sollte zumindest offiziell nicht Klosterhalfen betreffen, da sie ja beim NOP-Co-Trainer Pete Julian trainiert. Man darf dennoch gespannt sein, wie die deutschen Medien mit ihr und dem Thema umgehen werden.

Zwei Athleten vom NOP, Clayton Murphy und Donovan Brazier, sind heute Abend übrigens im 800m-Finale am Start.

War da was?

Ajee Wilson, Zweite über 800m, wurde 2017 von der USADA des Dopings mit Zeranol freigesprochen, da sie dieses Steroid durch kontaminiertes Fleisch zu sich genommen haben soll.

Stop it!

Schon öfter gehört bei der TV-Übertragung der WM: Männliche Kommentatoren betiteln Athletinnen als „junge Dame“. Bitte hört doch einfach auf damit. Erstens erinnert das an ältere Herrschaften in den 1950er Jahren, zweitens sind das mit Anfang / Mitte Zwanzig gestandene Frauen, die alles in Grund und Boden laufen, springen und werfen. Es hört sich einfach respektlos sowie herablassend an und passt nicht mehr in unsere Zeit.

Die Vorschau auf Tag 5

Bei den Laufwettbewerben steht heute Abend sicherlich das 200m-Finale der Herren im Fokus. Der US-Amerikaner Noah Lyles ist der klare Top-Favorit. Immerhin kann er aus dieser Saison bereits eine 19,50 vorweisen, womit er nach Usain Bolt und Yohan Blake der drittschnellste Mann aller Zeiten über diese Strecke ist. Andre de Grasse und Titelverteidiger Ramil Guliyev darf man allerdings auch nicht außer Acht lassen. Bei den Frauen stehen die Halbfinals über 200m an. Hier wäre es eine Überraschung, wenn eine der deutschen Starterinnen den Finaleinzug schaffen würde. Sollte es aber einer von ihnen gelingen, hat Tatjana Pinto in ihrem Halbfinale wahrscheinlich die besten Chancen.

Die größte Spannung verspricht allerdings der Stabhochsprung der Herren. Hier sind gleich vier Athleten in der Lage, um Gold mitzuspringen: Europameister Armand Duplantis, Olympiasieger Thiago Braz, Piotr Lisek sowie Titelverteidiger Sam Kendricks, der dieses Jahr die Weltjahresbestleistung mit 6.06 Meter inne hat. Raphael Holzdeppe und Bo Kanda Lita Baere haben dagegen höchstens Außenseiterchancen. Ein kleiner Wehrmutstropfen ist sicherlich das Ausscheiden von Renaud Lavillenie, der die letzten Jahre das Stabhochsprung-Geschehen maßgeblich bestimmte. Dafür hält aber sein Bruder mit dem Einzug in das Finale die Familienehre hoch.

Aus deutscher Sicht besonders spannend wird das Speerwurf-Finale der Frauen, denn Christin Hussong hat ausgesprochen gute Medaillen-Chancen. Sie war eine der wenigen in der Qualifikation, die mit den schwierigen Stadionbedingungen klar kamen. An der Chinesin Lyu Huihui führt aber wohl dennoch kein Weg vorbei. Außerdem versuchen Mateusz Przybylko sich für das Hochsprung-Finale und Martin Grau sowie Karl Bebendorf für das 3.000m Hindernis-Finale zu qualifizieren.

Leichtathletik-WM: Tag 3!

Gestern stand Tag 3 der Leichtathletik-WM in Doha auf dem Programm. Stabhochsprung, Dreisprung, das Finale über 100 Meter – sportlich gesehen fehlte es an nichts. Sport.Politik gibt einen kleinen Rückblick auf das Geschehen und wagt sich an eine Vorschau auf Tag 4 heran.

Was war gestern los?

Der gestrige Abend war geprägt von vielen hochklassigen Leistungen und emotionalen Momenten. Da war zum einen die unglaubliche Siegesweite von Christian Taylor im Dreisprung, der mit 17,92 Meter seinen vierten WM-Titel gewinnen konnte. Zum anderen lief Shelly-Ann Fraser-Pryce in 10,71 Sekunden eine Weltjahresbestleistung und damit ebenfalls zu ihrer vierten Goldmedaille über 100m. In Erinnerung bleiben wird jedoch der Stabhochsprung der Frauen. Und das hat mehrere Gründe: als erstes natürlich die großartigen Leistungen von Sandi Morris und Anzhelika Siderova, die sich Höhe um Höhe ein packendes Duell um die Goldmedaille lieferten. Bis 4,90 Meter gaben sich beide Athletinnen keine Blöße – mit ihrem Sprung über 4,95 Meter steigerte Siderova ihre Freiluft-Bestleistung um ganze 10 cm und überflügelte somit Morris. Der Moment des Abends gehörte jedoch Angelica Bengtsson, der bei 4,80 Meter der Stab brach. Schlimm genug, doch dann fand sie zu allem Überfluss ihre Stäbe nicht wieder. Also borg sie sich kurzerhand einen von der Französin Ninon Guillon-Romarin. Denn bei Stabbruch darf der Sprung wiederholt werden, und was macht Bengtsson? Überquert souverän die 4,80 Meter – Landesrekord. Bei 4,85 Meter war der Wettkampf für die Schwedin allerdings beendet.

https://twitter.com/EuroAthletics/status/1178613460537630721

Hmpf! Das Ärgernis des Tages

Zuerst einmal muss man sagen, dass die ARD und das ZDF die Leichtathletik-WM fast vollständig übertragen – sei es live im Fernsehen oder (einzelne Wettkämpfe) als Online-Stream. Die Einschaltquoten sind auch nicht allzu schlecht. Während am Samstagabend noch unterdurchschnittlich viele Zuschauer (2,72 Millionen, 10,5 Prozent Marktanteil) das Zweite einschalteten, erholte sich die Quote gestern wieder leicht mit 3,29 Millionen Zuschauern und 13,3 Prozent Marktanteil in der ARD. Doch vor allem in Bezug auf die „Live“-Übertragung gestern gibt es dann trotzdem etwas zu Meckern: nachdem von der Live-Berichterstattung auf ARD ONE ins Hauptprogramm der ARD geschaltet wurde, bot man dem Zuschauer bis auf das 100m-Finale der Frauen nur noch Konserve an. Anstatt also das hochklassige Dreisprung-Finale der Herren zu zeigen, wurde das ONE-Programm inklusive Kommentar eins zu eins in der ARD wiederholt – mit Live-Einblendung.

Im Gegensatz zu den TV-Quoten sind die Zuschauerzahlen im Stadion doch sehr traurig, aber nicht wirklich überraschend. Die Organisatoren versuchen zwar, mit Lichtshows darüber hinweg zu täuschen, aber ohne Erfolg. Das Stadion war bei dem 100m-Finale der Frauen fast leer:

Die Mütter des Tages

Die Mütter unter den Leichtathletinnen dominierten gestern die Berichterstattung. Und das zu Recht. Shelly-Ann Fraser-Pryce gewann zwei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes Gold über die 100m und damit andere Mütter inspirieren.

Allyson Felix setzte noch einen drauf, indem sie gestern den Premierentitel mit der 4×400 Meter Mixed-Staffel der USA und damit ihren zwölften Weltmeistertitel gewann. Nach der komplizierten Geburt ihrer Tochter vor 13 Monaten setzt sich Felix für Schwangere und Mütter in der afro-amerikanischen Community ein, denn die Wahrscheinlichkeit, an schwangerschaftsbezogenen Komplikationen zu sterben, ist in den USA bis zu dreimal höher als bei weißen Frauen. Außerdem kämpft sie zusammen mit anderen Athletinnen gegen die Diskriminierung von Müttern im Sport – mit Erfolg, denn zumindest NIKE passte mittlerweile seine Verträge an.

Doping!

Shelly-Ann Fraser-Pryce zum Dritten! 2011 wurde sie wegen eines positiven Tests auf das Schmerzmittel Oxycodon für sechs Monate gesperrt. Sie gab Zahnschmerzen als Grund für die Einnahme an.

Chinas Liu Hong gewann gestern die Goldmedaille über die 20 Kilometer Gehen der Frauen. 2016 war sie für einen Monat gesperrt, nachdem ihr die Stimulanz Higenamin nachgewiesen werden konnte.

Die Vorschau für Tag 4

Das Highlight aus deutscher Sicht sind heute natürlich die 3.000m Hindernis mit Gesa Felicitas Krause. Mit ganz viel Glück ist vielleicht eine Medaille drin, wahrscheinlicher ist jedoch eher eine Platzierung um Rang 5 oder 6. Der deutsche Rekord, den sie diese Saison gelaufen ist, macht jedoch ein wenig Hoffnung auf die erste deutsche Medaille der Leichtathletik-WM.

Genau diese ist für Imke Onnen im Hochsprung-Finale ziemlich außer Reichweite. Klare Favoritin ist hier die Russin Mariya Lasitskene, die mit 2,06 Metern die Weltjahresliste anführt und seit 18 Wettbewerben ungeschlagen ist.

Martin Wierig hat als einziger Deutscher das Diskus-Finale erreicht, wo vielleicht eine Bronze-Medaille drin sein könnte. Den Sieg werden aber wohl der Schwede Daniel Stahl und der Jamaikaner Fedrick Dacres unter sich ausmachen. Ein Zweikampf wird auch das 400m Hürden-Finale der Männer: Titelverteidiger Karsten Warholm und Rai Benjamin konnten beide diese Saison unter der magischen Grenze der 47 Sekunden bleiben.

Ansonsten bleibt spannend zu sehen, ob die Ingebrigtsen-Brüder über 5.000 Meter eine Chance gegen die kenianischen und äthiopischen Läufer haben werden – es wäre zumindest eine kleine Überraschung. Die 200 Meter-Halbfinals der Männer sollten auch eine klare Sache sein. Allen voran Noah Lyles, Andre de Grasse und Ramil Guliyev, der Titelverteidiger, sind haushohe Favoriten.

Ansonsten sind noch die deutschen Speerwerferinnen in der Qualifikation unterwegs. Annika Maria Fuchs die erste Gruppe leider nicht überstanden, Christin Hussong sollte dagegen keine Probleme mit dem Erreichen des Finales haben. Und auch die 200 Meter-Sprinterinnen – Tatjana Pinto, Lisa Marie Kwayie und Jessica-Bianca Wessolly – haben gute Chancen auf den Einzug in das Halbfinale. Hierfür müssen sie entweder einen der ersten drei Plätze ihres Laufes erreichen oder eine der sechs schnellsten Laufzeiten haben.

Kampf um die Karriere: Caster Semenya vs. IAAF

Neben dem Dauerbrenner Doping bestimmen die Diskussionen um Caster Semenya in den letzten Jahren die Schlagzeilen. Kaum ein Thema ist so allgegenwärtig und wird so hitzig debattiert wie die Frage nach Semenyas Geschlecht und ihren Testosteron-Werten. Entweder man ist auf ihrer Seite oder der des Internationalen Leichtathletik-Weltverbandes. Ein Dazwischen scheint es kaum zu geben. Was oft vergessen wird: die Frage nach Frau oder Mann genießt im Sport eine lange Tradition. Deshalb gibt der erste Teil dieser Mini-Serie eine kleine Einführung in den Sachverhalt, um dann einen Blick in die Geschichte der Geschlechtsüberprüfungen zu werfen.

Noch im Sommer 2018 stellte Caster Semenya neue Landesrekorde über die 800m- und 1.500m-Strecken auf. Doch wenn es nach dem Internationalen Leichtathletikverband IAAF ginge, könnte ihre Karriere bald beendet sein, sollte sie sich nicht freiwillig einer Hormontherapie unterziehen. Die IAAF kämpfte diese Woche nämlich vor dem Internationalen Sportgerichthof CAS für die Umsetzung seiner neuen Testosteron-Regel, die eigentlich schon letzten November in Kraft treten und die Teilnahme von betroffenen Athletinnen an den Frauen-Wettbewerben der Leichtathletik neu regeln sollten. Der CAS hegte jedoch Zweifel an der wissenschaftlichen Beweisführung der IAAF, so dass sich die IAAF gezwungen sah, die neuen Regularien auszusetzen.

Die aktualisierten Hyperandrogenämie-Regularien unterscheiden sich in einem elementaren Punkt von denen aus dem Jahr 2011: Es sollen nur noch Sportlerinnen bei den Frauen antreten dürfen, deren natürlicher Testosterongehalt im Blut unter fünf Nanomol pro Liter liegt – damals war der Grenzwert noch doppelt so hoch. Um international starten zu dürfen, müssten diese Athletinnen nun mithilfe einer Hormontherapie ihren Testosteron-Wert künstlich senken. Die IAAF begründet diese Verschärfung mit einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie von 2017, welche den Zusammenhang zwischen natürlichen Testosteron und sportlicher Leistung untersuchte. Danach hätten Athletinnen mit einem körpereigenen Testosteron-Gehalt von über fünf Nanomol pro Liter im Blut einen signifikanten Leistungsvorteil gegenüber Athletinnen mit einem durchschnittlichen Testosteron-Wert: über 400m 2,73 Prozent, 400m Hürden 2,78 Prozent, 800m 1,78 Prozent, Hammerwurf 4,53 Prozent und Stabhochsprung 2,94 Prozent.

„Caster-Semenya-Regularien“

Der Autor dieser Studie, Dr. Stéphane Bermon, seinerseits Direktor des IAAF Health & Science Departments, sieht sich massiver Kritik ausgesetzt. Diverse Wissenschaftler bemängeln die statistische Fehlerhaftigkeit der Studie. So wurden ihrer Meinung nach einige sportliche Leistungen doppelt verwendet, mehrere Ergebnisse wurden später wegen Dopings aberkannt und manche Ergebnisse konnten keiner Athletin zugeordnet werden. Insgesamt sollen knapp 32 Prozent der Werte fehlerhaft sein. Erhebliche Kritik erregte auch der Umstand, dass sich die neuen Regularien auf die Distanzen von 400m bis zu einer Meile (1.609m) beschränken, obwohl der größte Leistungsvorteil laut Bermons Studie in den Disziplinen Hammerwurf und Stabhochsprung gegeben ist.

Die IAAF erweckt damit bei vielen Kritikern den Eindruck, als ob die neuen Regularien genau auf Semenya zugeschnitten seien. In Leichtathletikkreisen und in den sozialen Medien wird über die Absichten der IAAF spekuliert – nämlich Semenya, die in den letzten Jahren diese Strecken dominierte, so aus dem Verkehr ziehen zu können. Doch auch Rassismus-Vorwürfe werden laut, da diese Strecken vornehmlich von Athletinnen aus dem globalen Süden bestimmt werden. Befeuert werden diese Vorwürfe mit der Hereinnahme der Meile, eine Strecke, die gar nicht erst Teil der Studie war. Caster Semenya erfährt jedoch nicht nur die Unterstützung diverser Wissenschaftler, die diese Woche bei den CAS-Anhörungen in ihrem Namen aussagen. Sie hat außerdem die südafrikanische Regierung, die Vereinten Nationen und prominente SportlerInnen wie Tennis-Ikone Billie Jean King auf ihrer Seite, die die neue Verordnung der IAAF als Verletzung der Menschenrechte ansehen.

Die IAAF beharrt jedoch auf ihrer Begründung, mit den neuen Regeln für gleiche und faire Wettkampfbedingungen innerhalb des Frauenfeldes zu sorgen und so die Gesundheit der betroffenen Athletinnen schützen zu wollen.

Was ist Hyperandrogenämie?

Apropos, Gesundheit. Was bedeutet Hyperandrogenämie überhaupt? Dazu erst einmal Grundsätzliches: Männer und Frauen produzieren jeweils sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtshormone. Bis zur Pubertät ähneln sich die Level der männlichen Geschlechtshormone (Androgene) sogar, erst danach steigt der Wert bei Jungs deutlich an. So liegt der durchschnittliche Testosteron-Wert bei Frauen im Erwachsenenalter bei 0,12 bis 1,79 Nanomol pro Liter, bei Männern rangiert er zwischen 7,7 und 29,4 Nanomol pro Litern. Produziert der Körper überdurchschnittlich viele Androgene (u.a. Testosteron), dann spricht man von einer Hyperandrogenämie. Dies bezeichnet eine hormonelle Störung, die Frauen und Männer betreffen kann. Häufige Symptome sind unter anderem typisch männlicher Haarwuchs, ein maskulines Erscheinungsbild, Akne sowie Unfruchtbarkeit und Übergewicht.

Hyperandrogenämie kann durchaus verschiedene Ursachen haben. Neben Tumoren oder dem Polyzystischen Ovarial-Syndrom können eine Reihe von Sexualdifferenzierungs-störungen (engl. Differences of Sex Development, DSD) diese hormonelle Imbalance auslösen. Die Athletinnen, die nun unter die neuen Regularien der IAAF fallen, sind meistens von letzterem betroffen. Diese sogenannten Sexualdifferenzierungsstörungen sind medizinische Konditionen, die zu atypischen genetischen, anatomischen sowie hormonellen Entwicklungen im weiblichen Reproduktionssystem führen können – dazu gehört unter anderem die Intersexualität. Die IAAF möchte nun also jene Athletinnen sperren, die an bestimmten Sexualdifferenzierungsstörungen „leiden“, dadurch bedingt einen Testosteron-Wert im männlichen Bereich vorweisen und dieses Testosteron besonders gut verarbeiten können (Androgensensitivität).

Können das wirklich Frauen sein?

Die IAAF betont dabei immer wieder, dass sie weder den biologischen noch den sozialen Status der betroffenen Frauen in Frage stellen oder beurteilen möchten. Dennoch löste sie mit ihren Hyperandrogenämie-Regularien eine Diskussion aus, die seit Beginn des professionalisierten Frauensports Anfang des 20. Jahrhunderts eine lange Tradition genießt. Damals etablierten sich Frauen nach und nach in der Welt des Sports, nachdem alte Rollenbilder und männlich-geführte Verbände sie lange von einer Teilnahme ausschlossen. Doch nun durften sie an Olympischen Spielen teilnehmen, betrieben Sportarten wie das männlich-dominierte Skispringen und brachten Stars wie Sonia Henie oder Babe Didrikson hervor. Aber je mehr Frauen in Bereiche wie Sport, Arbeit und Bildung vorstießen, desto verunsicherter wurden Männer, was ihr eigenes Selbstverständnis anging.

Eine Frage wurde dabei immer wieder diskutiert: können diese schnellen, athletischen Sportlerinnen, die sogar den Männern plötzlich Konkurrenz machten, wirklich echte Frauen sein? Diese Debatte ließ auch die Sportfunktionäre nicht kalt. Sie wurden schließlich so skeptisch ob der Weiblichkeit der Athletinnen, dass sie bereits in den 1930er Jahren erste Geschlechterüberprüfungen veranlassten. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass sich hinter der weiblichen Fassade nicht doch insgeheim ein Mann versteckte.

Olympia 1936: Die Fälle Dora Ratjen und Stanislawa Walasiewicz

Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin wurden daraufhin erste Leichtathletinnen auf ihr Geschlecht untersucht. Darunter war auch die spätere Sprint-Olympiasiegerin Helen Stephens aus den USA. Ihr wurde ausgerechnet von der eigentlichen Favoritin Stanisława Walasiewicz und den polnischen Medien vorgeworfen, ein Mann zu sein. Das entsprach zwar nicht der Wahrheit, kurioserweise entpuppte sich jedoch Stella Walsh, wie Walasiewicz nach ihrer Heirat in den USA hieß, später selbst als intersex – dies ergab eine Autopsie 1989, nachdem sie bei einem Raubüberfall getötet wurde.

Besondere Aufmerksamkeit erlangte hierzulande, damals wie heute, jedoch der Fall Dora Ratjen – auch dank der historisch nicht ganz akkuraten Verfilmung „Berlin 36“ aus dem Jahr 2009. Anders als im Film behauptet, wurde die Hochspringerin Ratjen nicht von den Nationalsozialisten als Frau verkleidet und mit dem Ziel in die Mannschaft geschleust, die jüdische Hochspringerin Gretel Bergmann von einer Teilnahme an den Spielen in Berlin abzuhalten. Dora Ratjen, als deutsche Meisterin eh für die olympischen Wettbewerbe 1936 qualifiziert, war intersexuell. Es stellte sich kurz nach den Spielen heraus, dass Ratjen, entgegen seines eigenen Gefühls, als Mädchen herangezogen wurde. 1939 änderte er schließlich seinen Namen von Dora zu Heinrich und lebte bis zu seinem Tod 2008 als Mann, seine Titel und Weltrekorde wurden von der IAAF zudem aberkannt.

Die 1960er: Nackt-Paraden auf dem Flur

Die IAAF führte 1946 Massentests ein, um das Geschlecht der Sportlerinnen zu überprüfen. 1948 zog das IOC nach. Dennoch waren die Kontrollen nicht verpflichtend, die Verbände handelten viel mehr auf Verdacht. Entsprachen Frauen nicht dem damaligen Standardbild von Weiblichkeit, mussten sie sich diesen ärztlichen Untersuchungen unterziehen. Verpflichtende Geschlechtertests fanden sodann erstmals 1966 bei den Leichtathletik-Europameisterschaften statt. Die Prozedur sah wie folgt aus: die Sportlerinnen mussten sich reihum vor einem Ärztegremium nackt ausziehen und abtasten lassen. Wenn eine echte Vagina vorhanden sowie kein Penis zu erkennen war, erhielten die Frauen ihre Startberechtigung. Dieses Vorgehen sei nötig gewesen, da es laut IAAF eine Reihe von Athletinnen gab, die eigentlich männlich gewesen seien. Heutzutage würden diese Frauen wohl als intersexuell gelten.

Ein weiterer Grund für die Durchführung der Geschlechtsüberprüfungen durch die IAAF höchstpersönlich war das fehlende Vertrauen zu den jeweiligen Teamärzten, die einst für die Kontrollen verantwortlich waren. In kaum einem Bereich machte sich der Kalte Krieg so bemerkbar wie im Sport, Themen wie Doping und Sportbetrug rückten deshalb immer weiter in den Fokus der Funktionäre. Vor allem den Ostblockstaaten wurde nachgesagt, mit allen Mitteln gewinnen zu wollen und sogar so weit zu gehen, Männer als Frauen zu verkleiden. Die große sportliche Überlegenheit sowie das „unweibliche“ Auftreten derer Athletinnen bestärkten diesen Verdacht umso mehr. Dass nach Einführung der Geschlechtstests zahlreiche Ostblock-Athletinnen wie zum Beispiel die ukrainischen Press-Schwestern plötzlich ihre Karriere beendeten, heizte die Gerüchteküche nur noch mehr an und bestätigte die IAAF-Funktionäre in ihrem Vorhaben.

Hauptsache XX

Die Untersuchungen vor einem Ärztegremium und die damit verbundene Demütigung, die viele Athletinnen dabei empfanden, waren jedoch nicht von langer Dauer. Schon 1967 wurde diese Art der Kontrolle durch einen Chromosomen-Test ersetzt, bei dem man Wangenabstriche auf die jeweilige Chromosomenanzahl untersuchte. Da Frauen üblicherweise zwei X-Chromosomen und Männer jeweils ein X- und Y-Chromosom aufweisen, hielt die IAAF diesen Geschlechts-Chromatin-Test sowohl für zuverlässiger als auch würdevoller. Wurden zwei X-Chromosomen gefunden, bekamen die Athletinnen das Startrecht zugesprochen. Sobald jedoch eine Abweichung erkannt wurde, verweigerte die IAAF das Startrecht und gab den betroffenen Athletinnen die Möglichkeit, eine Krankheit als Begründung für die Absage vorzuschieben. Das IOC führte den Chromosomen-Test kurze Zeit später ebenfalls ein.

Als erstes Opfer des Chromatin-Tests ging die polnische Sprinterin und Staffel-Olympiasiegerin von 1964, Ewa Klobukowska, in die Geschichte ein. Nach einer Reihe von Tests, bei denen man bei ihr XX- und XXY-Chromosomen fand – ein Y-Chromosom zu viel – wurde sie gesperrt und offiziell als Hermaphrodit eingestuft. Weil sie sich weigerte, dieses Urteil zu akzeptieren, machte der europäische Verband das Testergebnis öffentlich. Diese Demütigung führte nicht nur zum Karriereende von Klobukowska, sondern auch zu der Richtlinie des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), dass fortan Testergebnisse der Geheimhaltung unterlegen sein müssen. Klobukowska, die im Vorfeld der Europameisterschaften 1966 die ärztliche Untersuchung noch ohne Probleme überstand, brachte 1968 übrigens einen Sohn zur Welt.

Endokrinologen und Genetiker kritisierten daraufhin die Fehlerhaftigkeit des Chromatin-Tests. Die Gegenwart eines zweiten X-Chromosoms sei nicht immer aussagekräftig, was die Bestimmung des biologischen Geschlechts angeht. Es gäbe einfach zu viele natürliche Anomalien, die in die Irre führen würden. So könnten Frauen Chromosome vorweisen, die sie als männlich identifizieren würden – wie im Fall Ewa Klobukowska. Außerdem spielten Faktoren wie Hormone, Genetik sowie Physiologie eine bedeutsame Rolle bei der Definition des Geschlechts. Deshalb sei der Geschlechts-Chromatin-Test ihrer Ansicht nach diskriminierend und traumatisierend, da Frauen, die von solchen Anomalien betroffen waren, meistens bis dahin gar nichts davon wussten und ihnen plötzlich deren weibliche Identität abgesprochen wurde. Doch trotz dieser heftigen Kritik setzten die IAAF sowie das IOC den Chromatin-Test bis in die 1980er Jahre ein. Bis Maria José Martínez Patiño den Kampf aufnahm.

Der Widerstand der Maria José Martínez Patiño

Bei Martínez Patiño, einer spanischen Hürdensprinterin, wurde im Rahmen der Universiade 1985 in Japan der Karyotyp 46,XY festgestellt – genetisch gesehen gilt sie somit als männlich, physiologisch betrachtet ist sie allerdings eine Frau mit Brüsten und einer Vagina. Sie wuchs als Frau auf, nicht einmal ihre Eltern wussten von dieser genetischen Anomalie. Doch sowohl die IAAF als auch das IOC sperrten Martínez Patiño und annullierten ihre Rekorde, sie verlor außerdem ihr Stipendium sowie ihren Verlobten, von der öffentlichen Demütigung mal ganz abgesehen. Ganze drei Jahre dauerte ihr Kampf um Rehabilitation an. Martínez Patiño wies dank wissenschaftlicher Unterstützung nach, dass sie unter einer kompletten Androgenresistenz leidet, d.h. ihr Körper kann das produzierte Testosteron gar nicht verwerten. Ihr angeblicher sportlicher Vorteil war somit sogar ein Nachteil, da ihr Testosterongehalt unter dem weiblichen Durchschnitt lag. 1989 durfte sie offiziell wieder an Wettkämpfen teilnehmen, verpasste die Qualifikation für die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona aber um eine Zehntelsekunde.

Der Fall Martínez Patiño löste nicht nur große Diskussionen aus, sondern führte 1988 letztendlich auch zur Abschaffung des Chromatin-Geschlechtstest durch die IAAF. Stattdessen mussten sich die Athletinnen nun wieder visuellen Untersuchungen unterziehen, bis 1992 schließlich flächendeckende  Geschlechtertests abgeschafft wurden. Als Hauptgrund gab die IAAF die immer strengeren Dopingkontrollen an, bei denen Athletinnen unter Aufsicht Urin abgeben müssen. Außerdem sei die Sportbekleidung mittlerweile so eng, dass sie keine Spekulationen mehr zuließe. Das IOC schlug dagegen einen anderen Weg ein. Vor der endgültigen Abschaffung jeglicher Geschlechtstests 1999 versuchte sich das IOC an einem neuen Verfahren, welches dem Chromatin-Test sehr ähnlich war, jedoch zu viele fehlerhafte Ergebnisse hervorbrachte. Nach mehr als dreißig Jahren, in denen nur höchstens zwei Fälle von echtem Geschlechtsbetrug bekannt wurden, waren die Olympischen Spiele 2000 in Sydney schließlich die Ersten ohne jegliche Geschlechtsüberprüfungen.

Doch wie ging es nach 2000 weiter? Im zweiten Teil dieser Mini-Serie beschäftigt sich Sport.Politik mit den neuesten Entwicklungen seit Semenyas Weltmeistertitel 2009 und dem Für und Wieder der Testosteron-Regel.

News, News, News!

Diese Woche war auf und neben dem Sportplatz ganz schön viel los. Deshalb hier die News aus der Welt des Sports.

Handball: Deutsche Frauen erreichen Hauptrunde

25 Jahre ist es her, dass Deutschlands Handballdamen den letzten großen internationalen Titel gewinnen konnten – 1993 wurden sie Weltmeisterinnen. Mit dem gestrigen Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Tschechien (30:28) bewahrte sich die deutsche Nationalmannschaft die Chance auf den EM-Titel, um den es gerade in Frankreich geht. Nach dem furiosen Auftakt, als die deutsche Mannschaft direkt im ersten Spiel den Topfavoriten und siebenmaligen Europameister Norwegen besiegte, ist das Mindestziel Hauptrunde nun also geschafft. Dort warten neben Norwegen Nationen wie Spanien, die Niederlande und Ungarn.

Den deutschen Spielerinnen gelang es nun, zum vierten Mal in Folge die Hauptrunde einer Europameisterschaft zu erreichen. Die Mannschaft um Bundestrainer Henk Groener versucht außerdem, die Enttäuschung bei der Heim-WM letztes Jahr vergessen zu machen, als sie den 12. Platz belegten. Dies wird allerdings nicht sehr einfach, da sich die Mannschaft aufgrund diverser Rücktritte nach der WM auf junge Führungsspielerinnen verlassen muss.

EUROSPORT überträgt die Spiele der Handball-EM im Free-TV, das erste Spiel der Hauptrunde findet am Freitag (07.12.) um 18 Uhr gegen Spanien statt.

Turnen: US-Verband meldet Insolvenz an

Der US-Turnverband gab gestern auf seiner Internetseite bekannt, dass dieser Insolvenz anmelden musste. Der Schritt sei nötig gewesen, um weiterhin in der Lage zu sein, die US-TurnerInnen bestmöglich zu unterstützen und das Tagesgeschäft weiterzuführen. Außerdem könne man nur so den Schadensersatzansprüchen der Nassar-Überlebenden gerecht werden.

„Wir schulden es den Opfern ihre Ansprüche aufgrund der schrecklichen Taten der Vergangenheit vollständig und endgültig zum Abschluss zu bringen. […] Unser Sport ist dank des Mutes dieser Frauen sicherer und stärker. Der Insolvenzantrag und die beschleunigte Abwicklung dieser Ansprüche sind die ersten wichtigen Schritte, um das Vertrauen der Gemeinschaft zurückzugewinnen.“ (Kathryn Carson – Vorstandsvorsitzende US Gymnastics)

Der Insolvenzantrag von US Gymnastics ist nur eine weitere Konsequenz aus dem Larry Nassar-Missbrauchsskandal, nachdem das Nationale Olympische Komitee der USA bereits Schritte einleitete, dem US-Turnverband den Status als Dachorganisation abzuerkennen.

Feldhockey: WM in Indien

Derzeit findet im indischen Bhubaneswar die 14. Feldhockey-Weltmeisterschaft der Herren statt. Die deutsche Mannschaft setzte gestern schon ein erstes Ausrufezeichen, als sie die Niederlande, eine der Top-Favoriten, im zweiten Gruppenspiel mit 4:1 schlug. Davor gewann sie bereits gegen Rekord-Weltmeister Pakistan. Im dritten und letzten Gruppenspiel am Sonntag (09.12.,12:30 Uhr) wartet die Mannschaft aus Malaysia auf Deutschland. Trotz Platz sechs in der Weltrangliste gehört Deutschland zu den Titel-Favoriten – immerhin machten Deutschland, Australien und die Niederlande in den letzten zwanzig Jahren den Titel unter sich aus.

Eine Premiere feiert der neue Turniermodus, denn erstmals nehmen 16 Mannschaften an den Weltmeisterschaften teil. Im Gegensatz zu früher, als noch Platzierungsspiele über den Titel entschieden, werden die Mannschaften nun in vier Gruppen eingeteilt. Der jeweilige Erstplatzierte qualifiziert sich direkt für das Viertelfinale, die Zweit- und Drittplatzierten müssen in die sogenannten Überkreuzspiele (oder auch Achtelfinals). Der neue Modus soll für mehr Spannung von Beginn an sorgen.

DAZN überträgt alle Spiele live, im deutschen Free-TV sind die Spiele leider nicht zu sehen.

Leichtathletik: Russland bleibt gesperrt – neuer CEO bei IAAF – WM 2023 in Budapest

Das IAAF Council Meeting Anfang dieser Woche in Monaco war alles andere als ereignisarm. Der Beschluss, der wohl für die meisten Schlagzeilen sorgte, war die Aufrechterhaltung der Suspendierung Russlands. Der russische Leichtathletikverband RusAF erfülle nicht die Bedingungen, die die IAAF für eine Wiederaufnahme gestellt hat. Dazu gehört u.a. der Zugang zur Datenbank des Anti-Doping-Labors in Russland. Mit dieser Entscheidung stellt sich die IAAF gegen die Welt-Doping-Agentur WADA sowie das IOC, die die Suspendierung Russlands schon längst wieder aufgehoben haben. Für die russischen Athletinnen und Athleten bedeutet dies, zumindest bei der Hallen-EM nächstes Jahr in Glasgow als neutrale AthletInnen antreten zu müssen.

Außerdem fand ein Führungswechsel bei der IAAF statt. Der ehemalige britische Hürdensprinter Jon Ridgeon wird ab März 2019 Olivier Gers als CEO der IAAF ersetzen. Bislang war dieser bei CSM Sport and Entertainment tätig, dessen Vorstandsvorsitzender IAAF-Präsident Sebastian Coe ist. Der Franzose Olivier Gers gab den Posten bereits nach 18 Monaten wieder auf, da er nicht mit der zukünftigen kommerziellen Ausrichtung des Weltverbandes einverstanden war.

Des Weiteren wurde Budapest als Ausrichter der Leichtathletik-WM 2023 bekannt gegeben. Sie waren die einzigen Bewerber und wurden von Sebastian Coe favorisiert. 2019 findet die WM in Doha (Katar) statt, 2021 in „Tracktown“ Eugene (USA). Bei der jährlichen Jahresabschluss-Gala der IAAF wurde zudem die Dreispringerin Catherine Ibarguen zur Leichtathletin des Jahres und der Marathon-Weltrekordler Eliud Kipchoge zum Leichtathleten des Jahres ausgezeichnet.

Doping: Ines Geipel tritt zurück

Ein Paukenschlag am Dienstag: Ines Geipel tritt von ihrem Posten als Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfevereins zurück. Der Verein wurde 1999 gegründet und unterstützt seither die Opfer des DDR-Dopings. Nachfolger Geipels soll Rechtsanwalt Dr. Michael Lehner werden, einer der Gründungsmitglieder des Vereins. Grund für den Rücktritt sind die Turbulenzen der letzten Wochen. Es wurden Vorwürfe laut, dass Gutachten sowie die Opferzahlen geschönt worden wären. Auch der Führungsstil von Geipel wurde kritisiert. Um wieder Ruhe in den Verein zu bringen, zieht sich Geipel nun als Vorsitzende zurück. Dabei gab es erst vor zwei Wochen Grund zur Freude, als der Dopingopfer-Hilfefonds auf 13,65 Millionen Euro aufgestockt und die Antragsfrist auf den 31.12.2019 verlängert wurde.

Fußball: Missbrauchsvorwürfe gegen afghanischen Verband

Die FIFA hat Ermittlungen gegen den afghanischen Fußballverband AFF eingeleitet und reagiert somit auf Vorwürfe, dass Verbandsvertreter Nationalspielerinnen der afghanischen Mannschaft sexuell missbraucht und körperlich misshandelt haben sollen. Diese Vorwürfe betreffen auch den Präsidenten des Verbandes, Keramuddin Keram. Der AFF bestreitet diese Anschuldigungen vehement. Der Sponsor der afghanischen Nationalmannschaft zog dennoch schon erste Konsequenzen: Sportartikelhersteller Hummel stellte sein Engagement vorerst ein und forderte den Rücktritt von Keram.

Aufsehen erregten auch die Knebelverträge, die die Nationalspielerinnen Afghanistans unterschreiben sollten. Nationalspielerin Mina Ahmadi veröffentlichte einen Auszug eines solchen Vertrages bei Facebook. Aus dem geht hervor, dass die Spielerinnen bei allen öffentlichen Auftritten einen Hijab tragen müssen, außerdem wird ihnen der Kontakt zur Presse untersagt, solange dieser nicht vom Verband genehmigt ist. Die Kapitänin der Nationalmannschaft, Shabnam Mobarez‏, verweigerte ebenfalls ihre Unterschrift, da der Vertrag keine Regelung zur Bezahlung beinhaltete und ihr untersagte, Sponsoren außerhalb der Nationalmannschaft zu akquirieren. Seitdem wurden sie und einige andere Spielerinnen nicht mehr in die Nationalmannschaft berufen.

https://twitter.com/shabnammobarez/status/1064650291428102144

Boxen: Markus Beyer gestorben

Eine traurige Nachricht zu Beginn der Woche: Ex-Boxweltmeister Markus Beyer erlag am Montag (03.12.) im Alter von nur 47 Jahren einer Krebserkrankung. Beyer begann seine Karriere unter der Führung von Trainer Ulli Wegner in der DDR bei der SG Wismut Gera. 1988 wurde er Junioren-Europameister, 1992 sowie 1996 nahm er an den Olympischen Spielen teil. Nachdem er 1996 ins Profilager wechselte, gelang ihm das Kunststück, den WM-Titel im Supermittelgewicht dreimal zu gewinnen. 2008 musste er seine Karriere verletzungsbedingt beenden.

Fußball: EM 2021 in England

Am Montag gab die UEFA bekannt, dass die Fußball-EM der Frauen 2021 in England stattfinden wird. Das Mutterland des Frauenfußballs war allerdings der einzige Bewerber. Das Finale wird im Londoner Wembley Stadium ausgetragen, welches Platz für 90.000 Zuschauer hat. Andere Ausrichtungsorte sind Manchester, Sheffield, Southampton und Brighton.

Der Zuschlag für die EM 2021 bestätigt den englischen Verband in seinen Bemühungen der letzten Jahre, den Frauenfußball vermehrt zu fördern. So investierte die FA erst im Januar dieses Jahres 56 Millionen Euro für die nächsten sechs Jahre, die vor allem dem Nachwuchs zu Gute kommen sollen. Dass diese Maßnahmen Erfolg bringen, zeigt das gute Abschneiden der englischen Nationalmannschaft bei der EM 2017, als sie sich erst im Halbfinale den Niederlanden geschlagen geben musste. Auch die FA Women’s Super League erfreut sich immer größerer Beliebtheit sowohl bei Spielerinnen als auch bei Zuschauern.

News, News, News!

Hier die aktuellen Nachrichten aus Sport und Politik. Mit dabei diesmal die FIFA, Ringen sowie Turnen und vieles mehr.

Ringen: Der weltmeisterliche Frank Stäbler

Frank Stäbler 2012.

Noch bis Sonntag findet die Weltmeisterschaft im Ringen in Budapest statt. Gestern, am Freitagabend, schaffte der Deutsche Frank Stäbler dann Historisches: er wurde zum dritten Mal nach 2015 und 2017 Weltmeister. Und das in drei verschiedenen Gewichtsklassen. Dies ist vorher noch niemandem gelungen. Ansonsten sieht die Medaillenausbeute der deutschen Mannschaft bisher mau aus. Bis auf Frank Stäbler sind alle anderen Ringer früh ausgeschieden, darunter auch die Weltmeisterin von 2014, Aline Focken. Großes Aufsehen erregte außerdem das „Rematch oft he Century“, bei dem der Titelverteidiger in der 92kg-Klasse, Kyle Snyder aus den USA, auf den zweifachen Weltmeister und Olympiasieger Abdulrashid Sadulaev traf. Letzterer konnte seinen Weltmeistertitel zurück erobern, nachdem Snyder ihm nach einer fast dreijährigen Siegesserie letztes Jahr eine schmerzhafte Niederlage zufügte.

Fußball: die FIFA in Ruanda

Die letzten Tage fand das FIFA Council Meeting, bei dem die Mitglieder des höchsten Gremiums des Weltfußballverbands zusammenkommen, in Ruandas Hauptstadt Kigali statt. Im Mittelpunkt der Berichterstattung standen die Bemühungen von Präsident Gianni Infantino, diverse Wettbewerbe entweder zu reformieren oder sogar ganz neu einzuführen. Sollte ihm das gelingen, versprach eine Gruppe von bisher unbekannten Investoren eine Summe von rund 22 Milliarden Euro für genau diesen Zweck.

Gianni Infantino

Die UEFA ist von diesen Plänen allerdings alles andere als begeistert. Denn zum einen betrifft es die Nations League, ein Produkt der UEFA, die Infantino nun gerne weltweit alle zwei Jahre austragen möchte. Zum anderen möchte er die Klub-Weltmeisterschaft vom Winter in den Sommer verlegen und auf 24 Mannschaften aufstocken. Da die Meinungen dieses Thema betreffend aber so weit auseinander gehen, sagte man die Abstimmung darüber gestern ab. Stattdessen wurde eine Taskforce gegründet, die beim nächsten FIFA Council Meeting im März 2019 ihre Vorschläge vorstellen soll.

Des Weiteren beschloss die FIFA, die Prämien für die Frauenfußball-WM nächstes Jahr in Frankreich zu verdoppeln. Es werden nun rund insgesamt 26,3 Millionen Euro ausgezahlt, erstmals auch an alle 24 teilnehmenden Nationen. Zum Vergleich: die Herren-Nationalmannschaft Frankreichs bekam für ihren Weltmeistertitel 32,5 Millionen Euro. Dies beklagte auch die Spielervereinigung FIFPro. Es sei noch ein langer Weg zur Gleichberechtigung im Fußball.

Wieso traf sich die FIFA eigentlich in Ruanda? Infantino spekulierte hier wohl mit einer geringeren Zahl an JournalistInnen. Außerdem ist der Präsident Ruandas, Paul Kagame, ein großer Fußballfan. So wurde im Sommer dieses Jahres bekannt, dass Ruanda von nun an Trikotsponsor vom FC Arsenal ist. Die Rede soll hier von einem Betrag in Höhe von rund 34 Millionen Euro sein. Besonders brisant macht diesen Deal, dass sich Ruanda größtenteils von Entwicklungsgeldern finanziert. Ein weiterer Punkt ist, dass nächstes Jahr die Präsidentschaftswahlen anstehen und Infantino besonders auf die Stimmen der afrikanischen Verbände zählen muss.

Kunstturnen: das Comeback der Simone Biles

Simone Biles

Vor zwei Tagen begann auch die Turn-WM in der katarischen Hauptstadt Doha. Alle Augen werden da natürlich auf die US-Amerikanerin Simone Biles gerichtet sein, die ihr internationales Comeback nach fast zwei Jahren Pause gibt. Biles ist das prominenteste Opfer vom US-Teamarzt Larry Nassar, der Anfang des Jahres wegen sexuellen Missbrauchs in mehr als 300 Fällen zu mindestens 175 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Im Zuge des Missbrauchs-Skandals mussten auch mehrere hohe Offizielle des US-Sports ihren Hut nehmen. So wurde der ehemalige Geschäftsführer des US-Turnverbands letzte Woche verhaftet. Man wirft ihm Vertuschung und Verschleppung von Beweismitteln vor. Die unmittelbare Vorbereitung von Biles, die sich selbst als Überlebende bezeichnet, ist allerdings getrübt. Sie musste den Vorabend der Wettbewerbe wegen Nierensteine im Krankenhaus verbringen.

Die deutsche Mannschaft besteht aus jeweils sechs Athleten und Athletinnen, darunter Marcel Nguyen und Andreas Toba sowie Elisabeth Seitz und Kim Bui. Pauline Schäfer, Titelverteidigerin am Stufenbarren, verpasst die Wettkämpfe leider verletzungsbedingt. Eine Neuerung bringt die WM aber auch noch mit sich. Erstmals soll nämlich der Videobeweis zum Einsatz kommen. Waren bisher zwei Kampfrichter mit der Aufgabe betreut, den Schwierigkeitswert einer Übung zu ermitteln, übernimmt dies nun ein Computerprogramm.

Leider werden die Wettkämpfe nicht im deutschen Fernsehen übertragen, dafür aber auf sportschau.de und sportdeutschland.tv. Hier ist eine Übersicht.

Boxen: AIBA versinkt weiterhin im Chaos

Selbst die Drohung des Internationalen Olympischen Komitees, Boxen aus dem Programm der Spiele 2020 in Tokio zu nehmen, bringt keine Ruhe in den Box-Weltverband. Nachdem der langjährige Präsident Wu Ching-Kuo aus Taiwan wegen „Missmanagements“ lebenslang vom AIBA gesperrt wurde, steht bislang nur der Usbeke und bisherige Vize-Präsident Gafur Rachimow als Nachfolger zur Wahl. Einziges Problem: Rachimow wird von US-Behörden mit dem Handel von Heroin in seinem Heimatland in Verbindung gebracht. Er sei einer der führenden Kriminellen Usbekistans. Zwar gibt es in dem Kasachen Serik Konakbajew einen potenziellen Gegenkandidaten, dieser wurde aber aus unerfindlichen Gründen nicht fristgerecht auf die Kandidatenliste gesetzt. Dagegen geht dieser nun vorm CAS vor. Die Wahl findet am 3. November in Moskau statt.

Doping: Sperre für Johan Bruyneel

Auch in der Welt des Dopings gibt es Nachrichten. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) sperrte Johan Bruyneel, ehemaliger Teamchef von Lance Armstrong, lebenslang, nachdem er ursprünglich für zehn Jahre gesperrt war. Daraufhin veröffentlichte er auf Twitter einen offenen Brief, in dem er Reue für seine Taten zeigt, aber gleichzeitig auch die Rechtmäßigkeit des USADA-Urteils anzweifelt.

https://twitter.com/JohanBruyneel/status/1055169038962311168

Das CAS sperrte im Zuge dessen auch den Teamarzt Pedro Celaya Lezama lebenslang und verlängerte die Sperre von Teamtrainer Jose Martí Martí von acht auf 15 Jahre. Teamarzt Luis Garcia del Moral bekam dagegen seine lebenslange Sperre reduziert, so dass er ab jetzt wieder am Radzirkus teilnehmen kann.

Leichtathletik: Heike Drechsler rehabilitiert

Heike Drechsler

Mithilfe eines Gutachtens kann die ehemalige Weitspringerin Heike Drechsler nun widerlegen, dass sie zur DDR-Zeit im Dienste der Stasi stand. Zwar ist sie als „IM Jump“ geführt worden, sie war jedoch nur ein sogenannter „Vorlauf-IM“. So unterschrieb sie weder eine Verpflichtungserklärung noch übermittelte sie Berichte an die Stasi. Die Dopingvorwürfe, mit denen sie immer wieder konfrontiert wird, bleiben davon jedoch unberührt.

Protest bei Olympia 1968: Eine Geste für die Ewigkeit

Die Nachricht von Tommie Smiths und John Carlos‘ stillen Protest gegen Rassismus in den USA während der Olympischen Spiele 1968 in Mexiko City ging um die Welt und stellte alles Sportliche in den Schatten. Noch 50 Jahre später ist dieser Moment unvergessen. Und dient einer aktuellen Generation von Athleten sowie Athletinnen in den USA als Vorbild.

Das Jahr 1968 war eine Zeit geprägt von Aufbruch und Protesten: Jugendbewegungen weltweit kämpften gegen das Establishment, die Niederschlagung des „Prager Frühling“ erschütterte die Tschechoslowakei und die Ermordung Martin Luther Kings sowie Robert Kennedys versetzte die Bürgerrechtsbewegung der USA in eine Schockstarre. Das IOC zeigte sich jedoch unbeeindruckt von all diesen Entwicklungen. Ganz nach dem Motto „Sport ist Sport, Politik ist Politik“ fand zehn Tage nach dem „Massaker von Tlatelolco“, bei dem bis zu 300 friedlich protestierende Studentinnen und Studenten durch das mexikanische Militär ermordet wurden, die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Mexiko City statt.

Vier Tage nach der Eröffnungsfeier, am 16. Oktober 1968, krönte sich Tommie Smith zum Olympiasieger über die 200m-Sprintstrecke, sein Teamkollege John Carlos gewann Bronze. Die Silbermedaille ging an den Australier Peter Norman. Während die Nationalhymne der USA bei der anschließenden Siegerehrung lief, reckten beide US-Läufer ihre mit einem schwarzen Handschuh bekleidete Faust in die Luft und senkten ihren Kopf.

In einem Fernsehinterview direkt nach der Siegerehrung erklärte Tommie Smith die symbolische Bedeutung ihres Protests: die rechte Faust Smiths stand für die Stärke der schwarzen Bewegung in den USA, die linke Faust Carlos‘ für deren Einheit. Der schwarze Schal, den Smith trug, symbolisierte seinen Stolz, wogegen die Socken ein Bild für die Armut der schwarzen Bevölkerung in den USA war. Besonders die Nutzung der Black Power-Symbole erregte die Gemüter der weißen Bevölkerung in den USA. Auch wenn Smith und Carlos mit dieser Bewegung sympathisierten, hatte die Nutzung ihrer Symbole doch eher opportunistische Gründe.

Denn was bis heute kaum einer weiß: die Geste in dieser Form war so gar nicht geplant. Allein der Vergesslichkeit von Carlos, der sein Paar Handschuhe im Olympischen Dorf liegen ließ, war es geschuldet, dass beide Sportler nur je eine Faust in den Himmel reckten. Es war Peter Normans rettende Idee, sich ein paar Handschuhe zu teilen. Und wer genau hinschaut, erkennt auch die Anstecknadeln des Olympic Project for Human Rights (OPHR) an den Jacken von Smith, Carlos und sogar Norman, der sich mit den beiden US-Sportlern solidarisch zeigte. Doch was war überhaupt das OPHR und in welchem Zusammenhang stand es zum Protest von Smith und Carlos?

Protest: ja. Aber wie?

Afro-amerikanische Athleten und Athletinnen hatten zu dieser Zeit die Wahl. Entweder schlossen sie sich irgendeiner Art von Protestbewegung an, sei es der Bürgerrechts- oder der Black Power-Bewegung, und riskierten ihre sportliche Karriere oder sie blieben stumm und provozierten damit negative Reaktionen politisch aktiver Sportler. Besonders an den Universitäten und Colleges fanden viele Proteste sowie Aktionen statt. Diese äußerten sich zum Beispiel in Form von Sit-ins oder Boykotts von nationalen Wettbewerben.

So auch an der San Jose State University, deren Studenten John Carlos und Tommie Smith waren. Gemeinsam mit dem Sportsoziologen Dr. Harry Edwards gründeten sie 1967 das OPHR, welches ursprünglich den Boykott der Olympischen Spiele in Mexiko City zum Ziel hatte. Außerdem forderten sie unter anderem die Rehabilitation Muhammad Alis und die Absetzung des umstrittenden IOC-Präsidenten Avery Brundage. Der ehemalige NOK-Chef der USA war in den 1930er Jahren berüchtigt für seine Begeisterung für die Nationalsozialisten und Adolf Hitler, woraus er aber auch keinen sonderlich großen Hehl machte.

Möglicher Boykott der Spiele

Obwohl das OPHR und dessen Boykott-Vorhaben so prominente Befürworter wie den Tennisspieler Arthur Ashe, den Baseballer Jackie Robinson und vor allem Martin Luther King hatte, konnte sich ein Boykott der Spiele unter den afro-amerikanischen Athleten und Athletinnen nicht durchsetzen. Viele sahen einfach keinen Sinn in so einer radikalen Aktion. Außerdem wollten sie nicht um deren Belohnung für all die harte Arbeit gebracht werden.

Die Aufmerksamkeit des IOC-Präsidenten Avery Brundage war ihnen nun jedoch sicher. Dieser war ob des Boykottaufrufs, aber auch wegen der Forderung des OPHR nach dessen Absetzung, hochgradig alarmiert. Brundage unternahm deshalb jeden Versuch, die Querulanten zum Schweigen zu bringen. So schickte er zum Beispiel während der Spiele den Olympiahelden von 1936, Jesse Owens, zu den Athleten, um ihnen mögliche Protestaktionen auszureden. Natürlich ohne Erfolg. Smith und Carlos entschieden sich gegen das Schweigen und für einen Protest – aller Drohgebaren Brundages zum Trotz.

(Un-)Erwartete Unterstützung

In den Tagen nach dem 16. Oktober 1968 erhielten Smith und Carlos Unterstützung von einem Großteil der US-amerikanischen Olympiamannschaft. Lee Evans, einer der Anführer des OPHR, musste von Smith und Carlos nach deren Olympia-Ausschluss überredet werden, an seinem Rennen über die 400 Meter teilzunehmen. Bei der Siegerehrung, an der er als Olympiasieger teilnahm, trug er sodann eine schwarze Baskenmütze – wohlwissend, dass diese ein Symbol der Black Panther Party war. Das Wetter sei schuld, antwortete er auf Nachfrage von Journalisten.

Unerwarteter Beistand kam dagegen aus dem Lager der Ruderer. Die Herren-Rudermannschaft der USA, deren Mitglieder allesamt weiß waren und in Harvard zur Universität gingen, veröffentlichte ein Statement zur Unterstützung Smiths und Carlos‘. Die afro-amerikanischen Leichtathletinnen um Wyomia Tyus widmeten ihre Medaillen ebenfalls John Carlos und Tommie Smith. Gleichzeitig äußerten sie ihren Missmut über die Tatsache, dass sie nicht in den Protest des OPHR einbezogen worden waren. Die männlich geprägte Boykott- und letztendlich auch die Bürgerrechtsbewegung schloss schwarze Frauen bzw. Athletinnen größtenteils aus.

Während ein Großteil der weißen US-Bevölkerung der Meinung war, dass Smith und Carlos die Olympischen Spiele für ihre Zwecke missbrauchen und die Nationalhymne entweihen würden, fühlten sich Studenten und Studentinnen an den vielen Universitäten der USA inspiriert, selbst Demonstrationen zu veranstalten oder bei Sportveranstaltungen die Geste von Smith und Carlos zu imitieren.

Nichts mehr so wie früher

Dennoch war für Tommie Smith, John Carlos und deren Familien nichts mehr wie es einmal war. Sie wurden auf Drängen von Avery Brundage von den Olympischen Spielen ausgeschlossen, durften aber trotz alledem ihre gewonnenen Medaillen behalten. Wieder zuhause angekommen, erhielten Smith und Carlos Morddrohungen, wurden von der Presse verunglimpft und hatten Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Smith beendete seine Leichtathletik-Karriere noch im selben Jahr, John Carlos hörte 1970 auf. Peter Norman, der in den Protest eingeweiht war, war bei seiner Rückkehr nach Australien ebenfalls heftiger Kritik ausgesetzt. 2012, sechs Jahre nach seinem Tod, bat das australische Parlament öffentlich um Entschuldigung für die ungerechte Behandlung sowie fehlende Anerkennung Normans.

Nach Jahren der Ablehnung und Demütigungen wandelte sich die Meinung der breiten Öffentlichkeit ins Positive. 2005 errichtete die San Jose State University schließlich eine Statue zu Ehren von Smith, Carlos und Norman. Auf Wunsch von Peter Norman blieb sein Platz auf dem Podest jedoch leer. So kann jeder Besucher, wenn der denn möchte, seine Solidarität zu Smith und Carlos sowie zur Bürgerrechtsbewegung ausdrücken. Denn das Thema Rassismus ist in den USA (und hierzulande) leider so aktuell wie eh und je.

Mehr Informationen:

John Carlos mit Dave Zirin: The John Carlos Story: The Sports Moment That Changed the World (2011: Haymarket Books)

Tommie Smith mit David Steele: Silent Gesture: The Autobiography of Tommie Smith (2008: Temple University Press)

Matt Norman: Salute (DVD, 2008)

 

Powell vs. Lewis: Ein Sprung für die Ewigkeit?

Heute vor 27 Jahren sprang Mike Powell bei der WM in Tokio 8,95m und stellte damit einen neuen Weltrekord im Weitsprung auf.

Dass nun aber ausgerechnet Mike Powell und nicht wie erwartet der damalige Leichtathletik-Superstar Carl Lewis die bisherige Bestmarke von Bob Beamon aus dem Jahr 1968 übertreffen würde, war eine Sensation. Deren angespanntes Verhältnis gepaart mit der außergewöhnlichen sportlichen Leistung an diesem Abend – immerhin gelang Carl Lewis mit vier Sprüngen über 8,80m die beste Serie seiner Karriere – macht dieses WM-Finale bis heute zum besten Weitsprung-Wettkampf aller Zeiten.

Bis auf Powells Auftaktweite landete jeder gültig gegebene Sprung der Beiden jenseits der 8-Meter-Marke. Im vierten Versuch sah Carl Lewis mit einem Sprung auf 8,91m sogar wie der neue Weltrekordler und sichere Sieger aus. Doch der nicht zulässige Wind sowie Mike Powells Riesenweite von 8,95m im fünften Versuch machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Nach 15 Niederlagen gegen Lewis in Folge krönte sich Powell so zum Weltmeister und neuen Weltrekordler. Selbst der Siebtplatzierte Giovanni Evangelisti aus Italien blieb mit 8,01m über der magischen 8-Meter-Marke.

Zwar konnte Mike Powell seinen WM-Titel 1993 verteidigen, ein Olympiasieg blieb ihm jedoch verwehrt. Jeweils 1988, 1992 und 1996 zog er den Kürzeren gegen Carl Lewis, der mit vier Weitsprung-Siegen bei Olympischen Spielen in die Geschichte einging. Der Versuch, sich im Alter von 40 Jahren für die Spiele 2004 in Athen zu qualifizieren, scheiterte daraufhin. Der einzige Weitspringer, der Powells Marke seitdem übertreffen konnte, war Ivan Pedroso. Der Kubaner sprang bei einem Meeting in Sestriere 8,96m – wegen Unregelmäßigkeiten bei der Windmessung wurde diese Weite jedoch nicht offiziell anerkannt.