Leichtathletik-WM: Tag 6 und 7!

Was soll man sagen? Da ist sie dann doch, die erste Goldmedaille für die deutsche Mannschaft bei der Leichtathletik-WM. Und mit dieser haben wohl die wenigsten gerechnet.

Was war geschehen?

Es gibt einen neuen König der Leichtathletik, und dessen Name lautet Niklas Kaul. Mit 21 Jahren ist er nicht nur der jüngste Weltmeister im Zehnkampf, sondern auch der erste Gesamtdeutsche – ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit. Die Bahn für Kaul war frei, nachdem etliche Favoriten – darunter der Weltrekordler Kevin Mayer –  entweder verletzt aufgeben mussten oder ihre Nerven nicht unter Kontrolle hatten. Was für ein Zehnkampf.

Etwas weniger dramatisch, aber dafür nicht weniger spannend war der Siebenkampf. Nach Jahren der Dominanz durch Nafi Thiam konnte sich schließlich Katarina Johnson-Thompson die Krone aufsetzen. Die Britin galt schon lange als Top-Talent, konnte aber nie so richtig die hohen Erwartungen erfüllen. Erst ein Ortswechsel sorgte für den gewünschten Erfolg: seit 2016 trainiert sie zusammen mit Kevin Mayer in Montpellier. Bereits letztes Jahr konnte sie die Silbermedaille bei der EM in Berlin gewinnen. Damals noch hinter Thiam.

Christina Schwanitz kann dank gestern nun einen vollständigen WM-Medaillensatz ihr eigen nennen. Mit einem wuchtigen Stoß auf 19,17 Meter gewann sie Bronze hinter der Chinesin Gong und der Jamaikanerin Thomas-Dodd. Erst 2017 brachte Schwanitz Zwillinge zur Welt, um dann direkt bei der EM in Berlin letztes Jahr den 2. Platz zu erreichen. Das 15-Euro-Bier hat sie sich auf jeden Fall verdient.

Historisches geschah ebenfalls im 400m-Finale der Frauen. Salwa Eid Naser setzte sich gegen die Top-Favoritin Shaunae Miller-Uibo durch. Und das in einer Wahnsinns-Zeit: 48,14 Sekunden bedeuteten die drittschnellste Zeit, die je über die 400m gelaufen wurden. Schneller waren nur Marita Koch aus der ehemaligen DDR und die Tschechin Jamila Kratochvilova in den 1980er Jahren – deren Leistungen gelten jedoch als doping-belastet. Als erster Britin seit 36 Jahren gelang Dina Asher-Smith der Gold-Coup über die 200m. Nachdem sie bereits in Berlin letztes Jahr Doppel-Europameisterin wurde, sprintete sie vorgestern 21,88 Sekunden zu einem britischen Rekord.

Kurioses in Doha

Die IAAF zeigte sich gestern zweimal von ihrer gnädigen Seite, als sie sowohl Orlando Ortega als auch Wojciech Nowicki je nachträglich eine Bronzemedaille zusprach. Doch was war geschehen? Das 110m Hürden-Finale endete am Mittwoch spektakulär. Mit Grant Holloway, der die Leichtathletik zugunsten einer NFL-Karriere vorzog, gab es einen Überraschungs-Weltmeister. Dies lag aber auch daran, dass Top-Favorit und Titelverteidiger Omar McLeod stürzte und dabei Orlando Ortega mit sich zog. Letzterer war bis dahin auf dem Weg zu einer sicheren Medaille. Nach Silber bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro und Bronze bei der EM 2018 kann Ortega nun auch seine erste WM-Medaille verbuchen.

Die Bronzemedaille im Hammerwurf kann Wojciech Nowicki dem Protest seiner Mannschaftsführung verdanken. Die bemängelte den ersten Wurf vom Drittplatzierten Bence Halasz. Zwar gab die IAAF den Polen Recht, wollte dem Ungarn jedoch die Medaille nicht wieder aberkennen. So gibt es nun im Hammerwurf zwei Bronzemedaillen-Gewinner.

Fragwürdige Trainerwahl

Die Kugelstoß-Weltmeisterin Gong Lijiao wurde zumindest bis 2017 von Dieter Kollark trainiert – langjähriger Trainer in der ehemaligen DDR, dem bis heute nicht nur Doping von Minderjährigen vorgeworfen wird, sondern der auch bis zum Fall der Mauer Stasi-Spitzel war. Und auch die Diskuswerferin Claudine Vita nimmt die Dienste von Kollark in Neubrandenburg in Ansprüche. Es ist eine Schande, dass diese DDR-Täter immer noch eine Rolle im heutigen Sport spielen dürfen.

Dopingland Marokko?

Die Sportschau berichtete gestern in einem Dreißigminüter über Doping in Marokko, welches auch den französischen Verband und den Europameister über 10.000m, Mourad Amdouni, betrifft:

Wer war mal gedopt?

Der Franzose Quentin Bigot galt als großes Hammerwurf-Talent, als man in seiner Dopingprobe 2014 Stanozolol fand. Anschließend wurde er vier Jahre gesperrt, zwei davon auf Bewährung. Ihm kam zu Gute, dass er umfangreich über die Hintermänner seines Dopingfalls auspackte. So beschuldigte er zum Beispiel seinen Trainer Raphaël Piolanti, Frankreichs Trainer des Jahres 2013, von ihm zum Doping angestiftet worden zu sein. Dieser wurde 2018 zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt, überdies ist er lebenslang gesperrt. Bigot gewann gestern WM-Silber.

Die Vorschau auf Tag 8

Aus deutscher Sicht steht heute sicherlich das Diskus-Finale der Frauen im Fokus. Mit Nadine Müller, Claudine Vita und Kristin Pudenz haben es alle deutschen Werferinnen in den Endkampf geschafft. Mit ganz viel Glück hat Müller sogar eine Medaillenchance. Gespannt sein darf man auch auf die Vorläufe der 4x100m Staffel der Frauen sein, da die deutsche Staffel die Weltjahresliste anführt. Allerdings fehlt mit Tatiana Pinto einer der Leistungsträgerinnen der Mannschaft.

Doping: Alle Jahre wieder Thüringen

Die nordische Ski-WM in Seefeld ist zwar schon längst Geschichte, sie wird aber noch vielen Menschen lange im Gedächtnis bleiben. Allerdings weniger wegen der sportlichen Leistungen – Norwegen räumte wie immer fast alle Medaillen ab – sondern wegen der Geschehnisse rund um die Doping-Razzia sowohl in Erfurt als auch in Seefeld. Erfurt? Thüringen? Das war doch was. Immer wieder taucht das grüne Herz Deutschlands in der Dopingberichterstattung auf.

Als vor zwei Wochen (27.02.2019) die ersten Nachrichten über die „Operation Aderlass“ über den Ticker liefen, stand die Sportwelt kurz ganz still. Sie fing sich aber mindestens genauso schnell wieder. Wie üblich bei solchen Dopingskandalen sprachen Funktionäre, AthletInnen und sogar TV-Moderatoren von unverbesserlichen Einzeltätern, die einfach nichts dazu lernen würden. Und auch sportlich war es wieder Business as usual: Martin Johnsrud Sundby, selbst 2016 wegen des Missbrauchs eines Asthmamittels für zwei Monate gesperrt, holte sich an diesem Nachmittag seinen ersten WM-Einzeltitel über die 15km klassisch.

Dass die „Operation Aderlass“ jedoch höhere Wellen schlagen würde, sollte allen Beteiligten ziemlich schnell klar werden. Dafür sorgte schon alleine der Fund von vierzig Blutbeuteln in der Erfurter Praxis von Dr. Mark Schmidt, der als mutmaßlicher Strippenzieher des aufgedeckten, laut Ermittlern mafia-ähnlichen Dopingrings in Erfurt festgenommen wurde. Doch nicht nur, dass die in Seefeld in flagranti erwischten und festgenommenen Sportler quasi sofort gestanden, es bekannten sich immer mehr Sportler zum Blutdoping bei Schmidt. Darunter auch eine Reihe von estländischen Langläufern, deren Trainer Mati Alaver als einer der Haupttatverdächtigen identifiziert wurde. Ausgelöst wurden die staatsanwaltlichen Untersuchungen durch ein Interview, das der des Dopings 2014 in Sotchi überführte Langläufer Johannes Dürr der ARD Sportschau gab.

Darin redete er scheinbar so offen über seine Dopingvergangenheit, dass die deutschen und österreichischen Behörden auf ihn aufmerksam wurden. Als Kronzeuge packte er anschließend über die Hintermänner sowie seine Mitdoper aus. Eine kuriose Wende nahm die ganze Angelegenheit dann aber doch noch: ein paar Tage später (05.03.2019) wurde Dürr selbst verhaftet. Es stellte sich heraus, dass er entgegen seiner eigenen Aussage bis Ende 2018 selbst Eigenblutbehandlungen bei Schmidt durchführen ließ. Sein Enthüllungsbuch und die Crowdfunding-Kampagne, mithilfe derer er bisher über 30.000 Euro sammelte, um ein Langlauf-Comeback zu starten, ließen dieses kleine, nicht unwichtige Detail allerdings unerwähnt. In einem ganz anderen Licht erscheint mittlerweile auch seine damalige (2014) familiäre Beziehung zu Gottlieb Taschler, ehemaliger IBU-Vizepräsident, der seinen Posten wegen seines Kontaktes zu Doping-Guru Dr. Michele Ferrari (Lance Armstrongs Dopingarzt) Ruhen lassen musste. Dieser war nämlich Dürrs Schwiegervater. Und es kommen seitdem immer mehr interessante Zufälle ans Licht.

Doch wer ist Dr. Mark Schmidt überhaupt? Dr. Mark Schmidt führt seine Praxis für Allgemeinmedizin zusammen mit seiner Mutter Dr. Heidrun Schmidt, ihrerseits in der DDR Teamärztin für den dopingbehafteten SC Turbine Erfurt. Für diese Praxis bestand bis zuletzt eine Lizenz als „sportmedizinische Untersuchungsstelle“ in Thüringen, welche für die Feststellung der allgemeinen Sporttauglichkeit des D-Landeskaders zuständig war. Laut dem Landessportbund Thüringen (LSB), der diese Lizenzen erteilt, hat dies aber nichts mit der kontinuierlichen Betreuung von Spitzen- und Nachwuchssportlern zu tun. Nach der Verhaftung Schmidts entzog der LSB diese Lizenz augenblicklich:

„Die Lizenz wird für vier Jahre verliehen und kann anschließend für vier Jahre verlängert werden. Diese Verlängerung wurde für die Arztpraxis von Dr. Heidrun Schmidt vorgenommen. Im Rahmen dieser laufenden Verlängerung trat Mark Schmidt in die Praxis ein. […] „Das hätte nicht passieren dürfen‘. So erklärt Hügel (Präsident LSB Thüringen, Anm. d. Red.): ‚Wir haben an dieser Stelle nicht tiefgründig genug die bestehenden Dopingbelastungen im Prozess um die Anerkennung der Lizenzfortschreibung als sportmedizinische Untersuchungsstelle bewertet. Dies war falsch und wir müssen und wollen jetzt die Konsequenzen schnellstmöglich tragen und limitieren.‘“

(Statement des LSB Thüringen zur Causa Schmidt, 28.02.2019)

 

Alles nur Zufall?

Dr. Mark Schmidt war nämlich schon einmal in einen Dopingskandal verwickelt. Als Teamarzt vom Team Gerolsteiner (2006 – 2008) sowie Team Milram (2009 – 2010) sah er sich mit den Vorwürfen konfrontiert, die damaligen Radsportler Stefan Schumacher, Bernard Kohl und David Kopp beim Doping unterstützt zu haben. Die Untersuchungen der Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg gegen ihn verliefen 2013 jedoch im Sand. Der LSB Thüringen war sich den schwerwiegenden Anschuldigungen bewusst, als er  Schmidt seine jungen AthletInnen anvertraute, nur von Kaderathleten musste er Abstand halten. Seit 2017 arbeitete Schmidt wieder im Radsport, zuerst als Teamarzt von Aqua Blue Sport, danach bei Groupama – FDJ. Die zwei Radsportler Stefan Denifl und Georg Preidler, die im Zuge der „Operation Aderlass“ Blutdoping gestanden, fuhren für genau diese Teams.

Ermittelt wurde damals übrigens auch gegen den zweiten Arzt des Teams Gerolsteiner, Dr. Ernst Jakob – ein langjähriger Weggefährte des Freiburger Dopingarztes Prof. Joseph Keul und damaliger Vorgesetzter Schmidts in der Sportklinik Hellersen in Lüdenscheid. Verbindungen pflegte Schmidt außerdem zu dem österreichischen Sportmanager Stefan Matschiner. Dieser stand im Mittelpunkt der damaligen Humanplasma-Affäre, im Rahmen derer mehrere SportlerInnen wegen Dopings gesperrt und verurteilt wurden. Die technischen Geräte, die bei Schmidt gefunden wurden, erwarb dieser wohl von Matschiner.

Schmidts Vater Ansgar war anscheinend ebenfalls in die „Operation Aderlass“ verwickelt, dafür spricht zumindest seine Festnahme in Seefeld. Ansgar Schmidt war lange Zeit eine feste Größe des thüringischen Sports. So war er fast 20 Jahre Mitglied im Vorstand der Stiftung Thüringer Sporthilfe, Rechtswart im Thüringer Skiverband sowie Vorsitzender des Schiedsgerichts des LSB Thüringen. Außerdem wurde ihm 2009 „in Anerkennung besonderer Verdienste um die Förderung des Sports“ vom LSB Thüringen ein Preis verliehen, dessen Aberkennung der LSB nun prüft. Besonders pikant: Ansgar Schmidt war bis Ende des letzten Jahres in der Anwaltskanzlei von Heinz-Jochen Spilker angestellt.

Doping im Hammer Modell

Heinz-Jochen Spilker ist ebenfalls kein unbeflecktes Blatt in Sachen Doping. Zusammen mit dem Trainer Heinz-Jörg Kinzel etablierte Spilker in den 1980er Jahren das sogenannte Hammer Modell, in dem seine Sprinterinnen hemmungslos mit Dopingmitteln vollgepumpt wurden. Die Machenschaften des SC Eintracht Hamm waren ein offenes Geheimnis in der Szene und sogar in Kanada im Rahmen der Ben Johnson-Dopinguntersuchung ein Thema, zur Belohnung wurde Spilker vom Deutschen Leichtathletikverband zum Sprint-Bundestrainer befördert. Erst als die Sprinterin Claudia Lepping öffentlich über das Doping auspackte – sie weigerte sich, ein Teil dieses Dopingsystems zu werden – wurden Spilker und Kinzel wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz verurteilt. Das war 1994.

Während nach der Wende viele Ost-Trainer in die alten Bundesländer oder ins Ausland, vornehmlich Österreich und China, umsiedelten und dort ihre „Dienste“ anboten, ging Spilker den umgekehrten Weg. Bereits 1990 ließ er sich mit seiner Anwaltskanzlei in Erfurt nieder, wo er rasch in die politische Elite Thüringens aufstieg. Andreas Birkmann, ehemaliger Justizminister Thüringens, und Manfred Scherer, ehemaliger Innenminister Thüringens, üben bis heute eine Anwaltstätigkeit in der Kanzlei Spilkers aus. Das heißt jedoch nicht, dass er dem Sport den Rücken zukehrte. Ganz im Gegenteil, er bekleidete noch bis ins Jahr 2012 das Amt des Vizepräsidenten des LSB Thüringen. Zur gleichen Zeit übernahm Spilkers Anwaltskanzlei allerdings auch die Verteidigung von Dr. Andreas Franke.

Doping-Methoden aus der DDR

Der Allgemein- und Sportmediziner aus Erfurt stand damals im Mittelpunkt der UV-Strahlen-Affäre. Er war am Olympiastützpunkt Erfurt auf Honorarbasis angestellt und soll bis 2011 mit dem Wissen des LSB rund dreißig AthletInnen mit UV-bestrahltem Eigenblut behandelt haben, eine nach der WADA ab 2011 verbotenen Dopingmethode. Herausgekommen ist dies alles aufgrund der Ermittlungen gegen Claudia Pechstein, die neben dem Radsportler Marcel Kittel die prominenteste Patientin Frankes war. Die Verfahren gegen die SportlerInnen sowie Franke wurden jedoch eingestellt, da keine Dopingabsicht nachgewiesen werden konnte. Außerdem fehlte der NADA schlicht das Geld, um Verfahren gegen mehr als dreißig SportlerInnen zu führen. 2012 gab es ja das Anti-Doping-Gesetz noch nicht.

Dass Franke diese Eigenblutbehandlungen durchführte, bestritt er nie. Vielmehr habe er diese Methode, die er im Übrigen schon seit mehr als zwanzig Jahren anwende, zur Behandlung sowie Vorbeugung von Infekten genutzt.  Dass die Bestrahlung mit UV-Licht bereits Anfang der 1980er Jahre in der DDR-Dopingforschung sowohl erprobt als auch angewandt wurde und Franke zu dieser Zeit Arzt der damaligen Sportmedizinischen Hauptberatungsstelle Erfurts war, ist mit Sicherheit auch nur einer dieser komischen Zufälle. In diese Kategorie fällt wohl auch die Tatsache, dass sein langjähriger Praxispartner Dr. Horst Tausch war – seinerzeit Verbandsarzt der DDR-SchwimmerInnen, wegen deren Dopings er 1999 zu einer Gefängnisstrafe in Höhe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wurde.

Kritik nicht erwünscht

Die Doping-Stasi-Verstrickungen in den DDR-Sport sind überall zu finden. Am besten ist dies am Beispiel Rolf Beilschmidts festzumachen, dem derzeitigen LSB-Geschäftsführer in Thüringen. Dieser gehörte in den 1970er Jahren zur Weltspitze im Hochsprung, auch nachweislich dank der Einnahme von Dopingmitteln. Nach seiner Karriere stieg er zum Leiter seines Heimatvereins SC Motor Jena auf, von 1991 bis 2001 leitete er sogar den Olympiastützpunkt Erfurt, bevor er zum Hauptgeschäftsführer des LSB befördert wurde. Noch nicht einmal die Enthüllungen über Beilschmidts langjährige Stasi-Tätigkeit konnten seiner Funktionärskarriere einen Knick verpassen. Woran das lag? Beilschmidt wurde jahrelang vom ehemaligen LSB-Präsidenten (1994 – 2018) und SED-Altkader Peter Gösel protegiert. Gösel folgte damals auf Manfred Thieß, der wegen seiner Stasi-Vergangenheit zum Missfallen vieler im LSB nicht mehr zu halten war.

Bis heute werden Kritiker, die auf die DDR-Seilschaften innerhalb des thüringischen Sports hinweisen, mundtot gemacht und als Nestbeschmutzer beschimpft. So geschehen bei der Biathlon-WM 2004 in Oberhof, damals wie heute eine der Biathlon-Hochburgen der Welt. In die Organisation waren zahlreiche ehemalige Stasi-Mitarbeiter eingebunden, damalige Doping-Täter waren Teil des Trainerteams. Da wundert es kaum, dass anerkannte Doping- und Stasi-Opfer, die die Missstände öffentlich anprangerten, keine Einladung zu den Wettkämpfen erhielten. 2023 findet die Biathlon-WM wieder in Oberhof statt. Und das Thema Stasi ist bei geschätzt 3000 Sport-IMs noch immer brandaktuell: der damalige Zeremonienmeister und heutige Chef des Oberhofer Weltcups sowie des WM-Organisationskomitees ist Holger Wick, ein ehemaliger Biathlet des ASK Vorwärts Oberhof. Von 1981 bis 1988 war er aber auch als „IM Gerd Schütze“ unterwegs.

Zurück zum Radsport

Doch zurück zum Radsport. Die Blutbeutel-Affäre um Dr. Mark Schmidt weckt Erinnerungen an einen anderen Dopingskandal, der 2006 die gesamte Radsportszene in Aufruhr versetzte. Ein gewisser Dr. Eufemiano Fuentes versorgte die Elite des Radsports mit allerhand Dopingmitteln. Fuentes Spur führte allerdings auch nach Thüringen. Denn Fuentes‘ Partner in Crime war der Mediziner Dr. Markus Choina, der in der Helios-Klinik in Bleicherode / Thüringen angestellt war. Über Choina erhielt Fuentes nicht nur seine Dopingmedikamente, sondern auch teure Geräte zum Abpacken von Blutbeuteln.

Dieses Jahr im Sommer steht Thüringen übrigens wieder im Mittelpunkt der Sportberichterstattung, wenn in Erfurt der Gesamtsieger der Deutschland Tour gekürt wird.

News, News, News!

Hier die aktuellen Nachrichten aus Sport und Politik. Mit dabei diesmal die FIFA, Ringen sowie Turnen und vieles mehr.

Ringen: Der weltmeisterliche Frank Stäbler

Frank Stäbler 2012.

Noch bis Sonntag findet die Weltmeisterschaft im Ringen in Budapest statt. Gestern, am Freitagabend, schaffte der Deutsche Frank Stäbler dann Historisches: er wurde zum dritten Mal nach 2015 und 2017 Weltmeister. Und das in drei verschiedenen Gewichtsklassen. Dies ist vorher noch niemandem gelungen. Ansonsten sieht die Medaillenausbeute der deutschen Mannschaft bisher mau aus. Bis auf Frank Stäbler sind alle anderen Ringer früh ausgeschieden, darunter auch die Weltmeisterin von 2014, Aline Focken. Großes Aufsehen erregte außerdem das „Rematch oft he Century“, bei dem der Titelverteidiger in der 92kg-Klasse, Kyle Snyder aus den USA, auf den zweifachen Weltmeister und Olympiasieger Abdulrashid Sadulaev traf. Letzterer konnte seinen Weltmeistertitel zurück erobern, nachdem Snyder ihm nach einer fast dreijährigen Siegesserie letztes Jahr eine schmerzhafte Niederlage zufügte.

Fußball: die FIFA in Ruanda

Die letzten Tage fand das FIFA Council Meeting, bei dem die Mitglieder des höchsten Gremiums des Weltfußballverbands zusammenkommen, in Ruandas Hauptstadt Kigali statt. Im Mittelpunkt der Berichterstattung standen die Bemühungen von Präsident Gianni Infantino, diverse Wettbewerbe entweder zu reformieren oder sogar ganz neu einzuführen. Sollte ihm das gelingen, versprach eine Gruppe von bisher unbekannten Investoren eine Summe von rund 22 Milliarden Euro für genau diesen Zweck.

Gianni Infantino

Die UEFA ist von diesen Plänen allerdings alles andere als begeistert. Denn zum einen betrifft es die Nations League, ein Produkt der UEFA, die Infantino nun gerne weltweit alle zwei Jahre austragen möchte. Zum anderen möchte er die Klub-Weltmeisterschaft vom Winter in den Sommer verlegen und auf 24 Mannschaften aufstocken. Da die Meinungen dieses Thema betreffend aber so weit auseinander gehen, sagte man die Abstimmung darüber gestern ab. Stattdessen wurde eine Taskforce gegründet, die beim nächsten FIFA Council Meeting im März 2019 ihre Vorschläge vorstellen soll.

Des Weiteren beschloss die FIFA, die Prämien für die Frauenfußball-WM nächstes Jahr in Frankreich zu verdoppeln. Es werden nun rund insgesamt 26,3 Millionen Euro ausgezahlt, erstmals auch an alle 24 teilnehmenden Nationen. Zum Vergleich: die Herren-Nationalmannschaft Frankreichs bekam für ihren Weltmeistertitel 32,5 Millionen Euro. Dies beklagte auch die Spielervereinigung FIFPro. Es sei noch ein langer Weg zur Gleichberechtigung im Fußball.

Wieso traf sich die FIFA eigentlich in Ruanda? Infantino spekulierte hier wohl mit einer geringeren Zahl an JournalistInnen. Außerdem ist der Präsident Ruandas, Paul Kagame, ein großer Fußballfan. So wurde im Sommer dieses Jahres bekannt, dass Ruanda von nun an Trikotsponsor vom FC Arsenal ist. Die Rede soll hier von einem Betrag in Höhe von rund 34 Millionen Euro sein. Besonders brisant macht diesen Deal, dass sich Ruanda größtenteils von Entwicklungsgeldern finanziert. Ein weiterer Punkt ist, dass nächstes Jahr die Präsidentschaftswahlen anstehen und Infantino besonders auf die Stimmen der afrikanischen Verbände zählen muss.

Kunstturnen: das Comeback der Simone Biles

Simone Biles

Vor zwei Tagen begann auch die Turn-WM in der katarischen Hauptstadt Doha. Alle Augen werden da natürlich auf die US-Amerikanerin Simone Biles gerichtet sein, die ihr internationales Comeback nach fast zwei Jahren Pause gibt. Biles ist das prominenteste Opfer vom US-Teamarzt Larry Nassar, der Anfang des Jahres wegen sexuellen Missbrauchs in mehr als 300 Fällen zu mindestens 175 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Im Zuge des Missbrauchs-Skandals mussten auch mehrere hohe Offizielle des US-Sports ihren Hut nehmen. So wurde der ehemalige Geschäftsführer des US-Turnverbands letzte Woche verhaftet. Man wirft ihm Vertuschung und Verschleppung von Beweismitteln vor. Die unmittelbare Vorbereitung von Biles, die sich selbst als Überlebende bezeichnet, ist allerdings getrübt. Sie musste den Vorabend der Wettbewerbe wegen Nierensteine im Krankenhaus verbringen.

Die deutsche Mannschaft besteht aus jeweils sechs Athleten und Athletinnen, darunter Marcel Nguyen und Andreas Toba sowie Elisabeth Seitz und Kim Bui. Pauline Schäfer, Titelverteidigerin am Stufenbarren, verpasst die Wettkämpfe leider verletzungsbedingt. Eine Neuerung bringt die WM aber auch noch mit sich. Erstmals soll nämlich der Videobeweis zum Einsatz kommen. Waren bisher zwei Kampfrichter mit der Aufgabe betreut, den Schwierigkeitswert einer Übung zu ermitteln, übernimmt dies nun ein Computerprogramm.

Leider werden die Wettkämpfe nicht im deutschen Fernsehen übertragen, dafür aber auf sportschau.de und sportdeutschland.tv. Hier ist eine Übersicht.

Boxen: AIBA versinkt weiterhin im Chaos

Selbst die Drohung des Internationalen Olympischen Komitees, Boxen aus dem Programm der Spiele 2020 in Tokio zu nehmen, bringt keine Ruhe in den Box-Weltverband. Nachdem der langjährige Präsident Wu Ching-Kuo aus Taiwan wegen „Missmanagements“ lebenslang vom AIBA gesperrt wurde, steht bislang nur der Usbeke und bisherige Vize-Präsident Gafur Rachimow als Nachfolger zur Wahl. Einziges Problem: Rachimow wird von US-Behörden mit dem Handel von Heroin in seinem Heimatland in Verbindung gebracht. Er sei einer der führenden Kriminellen Usbekistans. Zwar gibt es in dem Kasachen Serik Konakbajew einen potenziellen Gegenkandidaten, dieser wurde aber aus unerfindlichen Gründen nicht fristgerecht auf die Kandidatenliste gesetzt. Dagegen geht dieser nun vorm CAS vor. Die Wahl findet am 3. November in Moskau statt.

Doping: Sperre für Johan Bruyneel

Auch in der Welt des Dopings gibt es Nachrichten. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) sperrte Johan Bruyneel, ehemaliger Teamchef von Lance Armstrong, lebenslang, nachdem er ursprünglich für zehn Jahre gesperrt war. Daraufhin veröffentlichte er auf Twitter einen offenen Brief, in dem er Reue für seine Taten zeigt, aber gleichzeitig auch die Rechtmäßigkeit des USADA-Urteils anzweifelt.

Das CAS sperrte im Zuge dessen auch den Teamarzt Pedro Celaya Lezama lebenslang und verlängerte die Sperre von Teamtrainer Jose Martí Martí von acht auf 15 Jahre. Teamarzt Luis Garcia del Moral bekam dagegen seine lebenslange Sperre reduziert, so dass er ab jetzt wieder am Radzirkus teilnehmen kann.

Leichtathletik: Heike Drechsler rehabilitiert

Heike Drechsler

Mithilfe eines Gutachtens kann die ehemalige Weitspringerin Heike Drechsler nun widerlegen, dass sie zur DDR-Zeit im Dienste der Stasi stand. Zwar ist sie als „IM Jump“ geführt worden, sie war jedoch nur ein sogenannter „Vorlauf-IM“. So unterschrieb sie weder eine Verpflichtungserklärung noch übermittelte sie Berichte an die Stasi. Die Dopingvorwürfe, mit denen sie immer wieder konfrontiert wird, bleiben davon jedoch unberührt.