Doping: Alle Jahre wieder Thüringen

Die nordische Ski-WM in Seefeld ist zwar schon längst Geschichte, sie wird aber noch vielen Menschen lange im Gedächtnis bleiben. Allerdings weniger wegen der sportlichen Leistungen – Norwegen räumte wie immer fast alle Medaillen ab – sondern wegen der Geschehnisse rund um die Doping-Razzia sowohl in Erfurt als auch in Seefeld. Erfurt? Thüringen? Das war doch was. Immer wieder taucht das grüne Herz Deutschlands in der Dopingberichterstattung auf.

Als vor zwei Wochen (27.02.2019) die ersten Nachrichten über die „Operation Aderlass“ über den Ticker liefen, stand die Sportwelt kurz ganz still. Sie fing sich aber mindestens genauso schnell wieder. Wie üblich bei solchen Dopingskandalen sprachen Funktionäre, AthletInnen und sogar TV-Moderatoren von unverbesserlichen Einzeltätern, die einfach nichts dazu lernen würden. Und auch sportlich war es wieder Business as usual: Martin Johnsrud Sundby, selbst 2016 wegen des Missbrauchs eines Asthmamittels für zwei Monate gesperrt, holte sich an diesem Nachmittag seinen ersten WM-Einzeltitel über die 15km klassisch.

Dass die „Operation Aderlass“ jedoch höhere Wellen schlagen würde, sollte allen Beteiligten ziemlich schnell klar werden. Dafür sorgte schon alleine der Fund von vierzig Blutbeuteln in der Erfurter Praxis von Dr. Mark Schmidt, der als mutmaßlicher Strippenzieher des aufgedeckten, laut Ermittlern mafia-ähnlichen Dopingrings in Erfurt festgenommen wurde. Doch nicht nur, dass die in Seefeld in flagranti erwischten und festgenommenen Sportler quasi sofort gestanden, es bekannten sich immer mehr Sportler zum Blutdoping bei Schmidt. Darunter auch eine Reihe von estländischen Langläufern, deren Trainer Mati Alaver als einer der Haupttatverdächtigen identifiziert wurde. Ausgelöst wurden die staatsanwaltlichen Untersuchungen durch ein Interview, das der des Dopings 2014 in Sotchi überführte Langläufer Johannes Dürr der ARD Sportschau gab.

Darin redete er scheinbar so offen über seine Dopingvergangenheit, dass die deutschen und österreichischen Behörden auf ihn aufmerksam wurden. Als Kronzeuge packte er anschließend über die Hintermänner sowie seine Mitdoper aus. Eine kuriose Wende nahm die ganze Angelegenheit dann aber doch noch: ein paar Tage später (05.03.2019) wurde Dürr selbst verhaftet. Es stellte sich heraus, dass er entgegen seiner eigenen Aussage bis Ende 2018 selbst Eigenblutbehandlungen bei Schmidt durchführen ließ. Sein Enthüllungsbuch und die Crowdfunding-Kampagne, mithilfe derer er bisher über 30.000 Euro sammelte, um ein Langlauf-Comeback zu starten, ließen dieses kleine, nicht unwichtige Detail allerdings unerwähnt. In einem ganz anderen Licht erscheint mittlerweile auch seine damalige (2014) familiäre Beziehung zu Gottlieb Taschler, ehemaliger IBU-Vizepräsident, der seinen Posten wegen seines Kontaktes zu Doping-Guru Dr. Michele Ferrari (Lance Armstrongs Dopingarzt) Ruhen lassen musste. Dieser war nämlich Dürrs Schwiegervater. Und es kommen seitdem immer mehr interessante Zufälle ans Licht.

Doch wer ist Dr. Mark Schmidt überhaupt? Dr. Mark Schmidt führt seine Praxis für Allgemeinmedizin zusammen mit seiner Mutter Dr. Heidrun Schmidt, ihrerseits in der DDR Teamärztin für den dopingbehafteten SC Turbine Erfurt. Für diese Praxis bestand bis zuletzt eine Lizenz als „sportmedizinische Untersuchungsstelle“ in Thüringen, welche für die Feststellung der allgemeinen Sporttauglichkeit des D-Landeskaders zuständig war. Laut dem Landessportbund Thüringen (LSB), der diese Lizenzen erteilt, hat dies aber nichts mit der kontinuierlichen Betreuung von Spitzen- und Nachwuchssportlern zu tun. Nach der Verhaftung Schmidts entzog der LSB diese Lizenz augenblicklich:

„Die Lizenz wird für vier Jahre verliehen und kann anschließend für vier Jahre verlängert werden. Diese Verlängerung wurde für die Arztpraxis von Dr. Heidrun Schmidt vorgenommen. Im Rahmen dieser laufenden Verlängerung trat Mark Schmidt in die Praxis ein. […] „Das hätte nicht passieren dürfen‘. So erklärt Hügel (Präsident LSB Thüringen, Anm. d. Red.): ‚Wir haben an dieser Stelle nicht tiefgründig genug die bestehenden Dopingbelastungen im Prozess um die Anerkennung der Lizenzfortschreibung als sportmedizinische Untersuchungsstelle bewertet. Dies war falsch und wir müssen und wollen jetzt die Konsequenzen schnellstmöglich tragen und limitieren.‘“

(Statement des LSB Thüringen zur Causa Schmidt, 28.02.2019)

 

Alles nur Zufall?

Dr. Mark Schmidt war nämlich schon einmal in einen Dopingskandal verwickelt. Als Teamarzt vom Team Gerolsteiner (2006 – 2008) sowie Team Milram (2009 – 2010) sah er sich mit den Vorwürfen konfrontiert, die damaligen Radsportler Stefan Schumacher, Bernard Kohl und David Kopp beim Doping unterstützt zu haben. Die Untersuchungen der Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg gegen ihn verliefen 2013 jedoch im Sand. Der LSB Thüringen war sich den schwerwiegenden Anschuldigungen bewusst, als er  Schmidt seine jungen AthletInnen anvertraute, nur von Kaderathleten musste er Abstand halten. Seit 2017 arbeitete Schmidt wieder im Radsport, zuerst als Teamarzt von Aqua Blue Sport, danach bei Groupama – FDJ. Die zwei Radsportler Stefan Denifl und Georg Preidler, die im Zuge der „Operation Aderlass“ Blutdoping gestanden, fuhren für genau diese Teams.

Ermittelt wurde damals übrigens auch gegen den zweiten Arzt des Teams Gerolsteiner, Dr. Ernst Jakob – ein langjähriger Weggefährte des Freiburger Dopingarztes Prof. Joseph Keul und damaliger Vorgesetzter Schmidts in der Sportklinik Hellersen in Lüdenscheid. Verbindungen pflegte Schmidt außerdem zu dem österreichischen Sportmanager Stefan Matschiner. Dieser stand im Mittelpunkt der damaligen Humanplasma-Affäre, im Rahmen derer mehrere SportlerInnen wegen Dopings gesperrt und verurteilt wurden. Die technischen Geräte, die bei Schmidt gefunden wurden, erwarb dieser wohl von Matschiner.

Schmidts Vater Ansgar war anscheinend ebenfalls in die „Operation Aderlass“ verwickelt, dafür spricht zumindest seine Festnahme in Seefeld. Ansgar Schmidt war lange Zeit eine feste Größe des thüringischen Sports. So war er fast 20 Jahre Mitglied im Vorstand der Stiftung Thüringer Sporthilfe, Rechtswart im Thüringer Skiverband sowie Vorsitzender des Schiedsgerichts des LSB Thüringen. Außerdem wurde ihm 2009 „in Anerkennung besonderer Verdienste um die Förderung des Sports“ vom LSB Thüringen ein Preis verliehen, dessen Aberkennung der LSB nun prüft. Besonders pikant: Ansgar Schmidt war bis Ende des letzten Jahres in der Anwaltskanzlei von Heinz-Jochen Spilker angestellt.

Doping im Hammer Modell

Heinz-Jochen Spilker ist ebenfalls kein unbeflecktes Blatt in Sachen Doping. Zusammen mit dem Trainer Heinz-Jörg Kinzel etablierte Spilker in den 1980er Jahren das sogenannte Hammer Modell, in dem seine Sprinterinnen hemmungslos mit Dopingmitteln vollgepumpt wurden. Die Machenschaften des SC Eintracht Hamm waren ein offenes Geheimnis in der Szene und sogar in Kanada im Rahmen der Ben Johnson-Dopinguntersuchung ein Thema, zur Belohnung wurde Spilker vom Deutschen Leichtathletikverband zum Sprint-Bundestrainer befördert. Erst als die Sprinterin Claudia Lepping öffentlich über das Doping auspackte – sie weigerte sich, ein Teil dieses Dopingsystems zu werden – wurden Spilker und Kinzel wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz verurteilt. Das war 1994.

Während nach der Wende viele Ost-Trainer in die alten Bundesländer oder ins Ausland, vornehmlich Österreich und China, umsiedelten und dort ihre „Dienste“ anboten, ging Spilker den umgekehrten Weg. Bereits 1990 ließ er sich mit seiner Anwaltskanzlei in Erfurt nieder, wo er rasch in die politische Elite Thüringens aufstieg. Andreas Birkmann, ehemaliger Justizminister Thüringens, und Manfred Scherer, ehemaliger Innenminister Thüringens, üben bis heute eine Anwaltstätigkeit in der Kanzlei Spilkers aus. Das heißt jedoch nicht, dass er dem Sport den Rücken zukehrte. Ganz im Gegenteil, er bekleidete noch bis ins Jahr 2012 das Amt des Vizepräsidenten des LSB Thüringen. Zur gleichen Zeit übernahm Spilkers Anwaltskanzlei allerdings auch die Verteidigung von Dr. Andreas Franke.

Doping-Methoden aus der DDR

Der Allgemein- und Sportmediziner aus Erfurt stand damals im Mittelpunkt der UV-Strahlen-Affäre. Er war am Olympiastützpunkt Erfurt auf Honorarbasis angestellt und soll bis 2011 mit dem Wissen des LSB rund dreißig AthletInnen mit UV-bestrahltem Eigenblut behandelt haben, eine nach der WADA ab 2011 verbotenen Dopingmethode. Herausgekommen ist dies alles aufgrund der Ermittlungen gegen Claudia Pechstein, die neben dem Radsportler Marcel Kittel die prominenteste Patientin Frankes war. Die Verfahren gegen die SportlerInnen sowie Franke wurden jedoch eingestellt, da keine Dopingabsicht nachgewiesen werden konnte. Außerdem fehlte der NADA schlicht das Geld, um Verfahren gegen mehr als dreißig SportlerInnen zu führen. 2012 gab es ja das Anti-Doping-Gesetz noch nicht.

Dass Franke diese Eigenblutbehandlungen durchführte, bestritt er nie. Vielmehr habe er diese Methode, die er im Übrigen schon seit mehr als zwanzig Jahren anwende, zur Behandlung sowie Vorbeugung von Infekten genutzt.  Dass die Bestrahlung mit UV-Licht bereits Anfang der 1980er Jahre in der DDR-Dopingforschung sowohl erprobt als auch angewandt wurde und Franke zu dieser Zeit Arzt der damaligen Sportmedizinischen Hauptberatungsstelle Erfurts war, ist mit Sicherheit auch nur einer dieser komischen Zufälle. In diese Kategorie fällt wohl auch die Tatsache, dass sein langjähriger Praxispartner Dr. Horst Tausch war – seinerzeit Verbandsarzt der DDR-SchwimmerInnen, wegen deren Dopings er 1999 zu einer Gefängnisstrafe in Höhe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wurde.

Kritik nicht erwünscht

Die Doping-Stasi-Verstrickungen in den DDR-Sport sind überall zu finden. Am besten ist dies am Beispiel Rolf Beilschmidts festzumachen, dem derzeitigen LSB-Geschäftsführer in Thüringen. Dieser gehörte in den 1970er Jahren zur Weltspitze im Hochsprung, auch nachweislich dank der Einnahme von Dopingmitteln. Nach seiner Karriere stieg er zum Leiter seines Heimatvereins SC Motor Jena auf, von 1991 bis 2001 leitete er sogar den Olympiastützpunkt Erfurt, bevor er zum Hauptgeschäftsführer des LSB befördert wurde. Noch nicht einmal die Enthüllungen über Beilschmidts langjährige Stasi-Tätigkeit konnten seiner Funktionärskarriere einen Knick verpassen. Woran das lag? Beilschmidt wurde jahrelang vom ehemaligen LSB-Präsidenten (1994 – 2018) und SED-Altkader Peter Gösel protegiert. Gösel folgte damals auf Manfred Thieß, der wegen seiner Stasi-Vergangenheit zum Missfallen vieler im LSB nicht mehr zu halten war.

Bis heute werden Kritiker, die auf die DDR-Seilschaften innerhalb des thüringischen Sports hinweisen, mundtot gemacht und als Nestbeschmutzer beschimpft. So geschehen bei der Biathlon-WM 2004 in Oberhof, damals wie heute eine der Biathlon-Hochburgen der Welt. In die Organisation waren zahlreiche ehemalige Stasi-Mitarbeiter eingebunden, damalige Doping-Täter waren Teil des Trainerteams. Da wundert es kaum, dass anerkannte Doping- und Stasi-Opfer, die die Missstände öffentlich anprangerten, keine Einladung zu den Wettkämpfen erhielten. 2023 findet die Biathlon-WM wieder in Oberhof statt. Und das Thema Stasi ist bei geschätzt 3000 Sport-IMs noch immer brandaktuell: der damalige Zeremonienmeister und heutige Chef des Oberhofer Weltcups sowie des WM-Organisationskomitees ist Holger Wick, ein ehemaliger Biathlet des ASK Vorwärts Oberhof. Von 1981 bis 1988 war er aber auch als „IM Gerd Schütze“ unterwegs.

Zurück zum Radsport

Doch zurück zum Radsport. Die Blutbeutel-Affäre um Dr. Mark Schmidt weckt Erinnerungen an einen anderen Dopingskandal, der 2006 die gesamte Radsportszene in Aufruhr versetzte. Ein gewisser Dr. Eufemiano Fuentes versorgte die Elite des Radsports mit allerhand Dopingmitteln. Fuentes Spur führte allerdings auch nach Thüringen. Denn Fuentes‘ Partner in Crime war der Mediziner Dr. Markus Choina, der in der Helios-Klinik in Bleicherode / Thüringen angestellt war. Über Choina erhielt Fuentes nicht nur seine Dopingmedikamente, sondern auch teure Geräte zum Abpacken von Blutbeuteln.

Dieses Jahr im Sommer steht Thüringen übrigens wieder im Mittelpunkt der Sportberichterstattung, wenn in Erfurt der Gesamtsieger der Deutschland Tour gekürt wird.

Frauenfußball: Let’s Get Loud!

Im Vergleich zu den Herren, die ihre erste Weltmeisterschaft bereits 1930 ausspielen durften, ist das Turnier der Damen eine noch relativ junge Veranstaltung. Ihre WM-Premiere feierten sie erst 1991, dabei spielten Frauen zu diesem Zeitpunkt schon seit fast einem Jahrhundert Fußball.

Gewöhnlich gilt ja England als Mutterland des Herrenfußballs, doch auch der Frauenfußball hat dort seinen Ursprung. Zum Ende des 19. Jahrhunderts hin gründeten sich dort die ersten Damen-Mannschaften. Am berühmtesten waren die von Nettie Honeyball angeführten „British Ladies“, deren Spiele damals bis zu 10.000 Zuschauer ins Stadion lockten. Dem englischen Verband passte diese Begeisterung jedoch so gar nicht, so dass es männlichen Mannschaften ab 1902 verboten war, gegen Frauenmannschaften anzutreten. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erfuhr der Frauenfußball jedoch einen regelrechten Aufschwung. Männer fehlten an allen Ecken und Enden, weshalb Frauen in gesellschaftliche Bereiche vorstoßen konnten, die vorher für sie tabu waren. Dazu gehörte neben der Erwerbstätigkeit auch der Fußball. Vor allem als Ablenkung im Arbeitsalltag beliebt, entstand eine Reihe von weiblichen Werksmannschaften. Eines dieser Teams, die „Dick Kerr’s Ladies“, galt sogar als inoffizielle Nationalmannschaft Englands.

Frauenfußball: unästhetisch, wesensfremd und unladylike

1921 war der englische Frauenfußball an seinem Höhepunkt angelangt. Fußballerinnen spielten in rund 150 reinen Frauenmannschaften und gründeten sogar die „English Ladies Football Association“. Dies konnte den überraschend schnellen Zerfall des organisierten Frauenfußballs in England allerdings auch nicht aufhalten. Essentielle Voraussetzungen wie die Erwerbstätigkeit von Frauen und die damit zusammenhängende Förderung durch Firmen sowie Spielmöglichkeiten verloren immer mehr an Bedeutung, so dass das Zuschauerinteresse und damit auch das Ansehen des Frauenfußballs sank. Noch im selben Jahr fasste der von Männern dominierte, englische Verband einen radikalen Entschluss: im Oktober 1921 wurde Frauenfußball in ganz England komplett verboten. Als Grund führte man unter anderem an, dass Fußball einfach nicht geeignet sei für Frauen. Er sei in seiner Art zu roh, Fußball spielende Frauen sähen zudem unästhetisch aus. Außerdem berge Fußball eine zu hohe Verletzungsgefahr.

In Deutschland blieb der Frauenfußballboom nach dem Ersten Weltkrieg aus. Erst im Jahr 1930 gründete sich in Frankfurt der erste „Damen-Fußball-Club“. Die Zeit des Nationalsozialismus im Deutschland der 1930er und 1940er Jahre führte jedoch dazu, dass Frauenfußball ein Schattendasein fristete. Fußball spielende Frauen passten nicht in das vorherrschende Rollenbild, welches sich auf das Bild der Frau als Mutter beschränkte. Der Triumph der deutschen Herren-Nationalmannschaft bei der WM 1954 sorgte zwar für einen kleinen Aufschwung des Frauenfußballs hierzulande, wurde aber wieder direkt durch den DFB gebremst. Diesmal war es der DFB, der ein Verbot des Frauenfußballs aussprach.

„Das Fußballspiel als Spielform ist wesentlich eine Demonstration der Männlichkeit. […] Es ist noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen. […] Das Treten ist wohl spezifisch männlich, ob darum Getretenwerden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nicht-Treten weiblich!“ (Fred J. J. Buytendijk, Anthropologe, in einer Studie von 1953)

Fußball sei für Frauen wesensfremd, führte der DFB als Begründung für ein Verbot an. Sie seien im Gegensatz zu den Männern charakterlich nicht geeignet für das Fußballspielen. Genauso wie die Engländer argumentierte der DFB auch mit der Gesundheitsgefährdung der Frau.

Widerstand gegen den DFB

Die Fußballerinnen in Deutschland wollten sich mit einem Verbot ihrer Lieblingssportart jedoch nicht abfinden, weshalb in den 1960er Jahren trotz allem eine Reihe von Vereinen und Verbänden gegründet wurden. Dies führte zu einer Aufhebung des Frauenfußball-Verbots im Oktober 1970 durch den DFB. Zwar durften jetzt alle Vereine wieder eine Frauen-Fußballabteilung haben und den Spielbetrieb aufnehmen. Dass der DFB die Fußballerinnen aber immer noch nicht ernst nahm beziehungsweise ihnen die „rohe“ Sportart Fußball nicht zutraute, zeigen die irrwitzigen Regeln, innerhalb derer Frauen-fußballspiele ausgerichtet werden mussten: eine Halbzeit betrug nur dreißig Minuten, die Spiele durften aber sowieso nur bei guten Wetter und niemals in den Wintermonaten ausgetragen werden. Außerdem waren Jugendbälle Pflicht. Anfänglich wollte der DFB auch noch einen Brustschutz durchsetzen, scheiterte aber am Widerstand der Spielerinnen. Stattdessen mussten die Fußballerinnen auf Stollenschuhe verzichten.

Emanzipation des Frauenfußballs weltweit

Trotz des ganzen Spotts und der blöden Sprüche, der auf die Fußballerinnen einprasselte, erfreute sich Fußball unter Frauen einer großen Beliebtheit. Diese Entwicklung konnte auch der DFB nicht mehr aufhalten, so dass 1974 der erste offizielle deutsche Meister im Frauenfußball gekürt wurde. Daraufhin folgte 1980 die Einführung des DFB-Pokals und ab 1990 die Bundesliga – damals noch zweigleisig. Das erste offizielle Länderspiel der Frauen fand schließlich 1982 gegen die Schweiz statt.

In den 1980er Jahren emanzipierte sich der Frauenfußball immer mehr, auch international. Es gründeten sich weltweit nicht nur die ersten nationalen Verbände und Ligen, es wurden auch die ersten internationalen Wettbewerbe veranstaltet. Hongkong war bereits 1975 Austragungsort der ersten Asienmeisterschaften, an denen sechs Nationen teilnahmen. 16 Mannschaften waren dagegen 1984 bei der ersten Europameisterschaft der Frauen dabei, die Schweden für sich entscheiden konnte. Bis 1991 konnten alle Kontinente der Welt eigene Turniere oder Ligen vorweisen. Nur eine Weltmeisterschaft fehlte noch.

Die erste Weltmeisterschaft und die Angst vor herausfallenden Eierstöcken

Die Befürworter einer eigenen Weltmeisterschaft für die Frauen wurden immer lauter und stießen bei FIFA-Präsident Joao Havelange sogar auf offene Ohren. Die FIFA wollte jedoch kein Risiko eingehen, weshalb sie zuerst ein Einladungsturnier, einen Testlauf sozusagen, ausrichten ließ. Das Turnier 1988 in China, an dem zwölf Mannschaften teilnahmen und aus dem Norwegen als Sieger hervorging, war zur Überraschung vieler ein voller Erfolg.

Als Ausrichter des „1st FIFA World Championship for Women’s Football for the M&M Cup“ – Schuld an diesem sperrigen Namen war der Süßigkeitenhersteller und Hauptsponsor Mars Inc. – wurde abermals China ausgewählt. Doch wieso fiel die Wahl wieder auf China? Das hatte zum einen den Grund, dass China in Sachen Frauenfußball sehr ambitioniert und tonangebend in Asien war. Ausschlaggebender mag jedoch die anstehende Olympia-Bewerbung für die Sommerspiele 2000 gewesen sein. Um das IOC zu beeindrucken, versprachen die Organisatoren hohe Zuschauerzahlen und eine dementsprechende Stimmung. Mit durchschnittlich 19.000 Zuschauern pro Spiel erfüllten sie jegliche an sich selbst gestellte Erwartungen, auch wenn ein großer Teil dieser „Fans“ FabrikarbeiterInnen waren.

Am 16.11.1991 war es nun endlich soweit: in Guangzhou fand das Eröffnungsspiel zwischen Norwegen und Gastgeber China vor rund 65.000 Zuschauern statt. Gespielt wurde zweimal 40 Minuten, was nicht bei allen Spielerinnen gut ankam. So kommentierte April Heinreichs, Kapitänin der US-Mannschaft:

„Sie hatten Angst, dass unsere Eierstöcke herausfallen würden, wenn wir 90 Minuten spielen.“

Die USA wurden dann auch die ersten Weltmeister in der Geschichte des Frauenfußballs, als sie sich im Finale vor ca. 65.000 Zuschauern gegen Norwegen durchsetzten. Der große Erfolg des „M&M Cups“ war übrigens ein erheblicher Grund für die Aufnahme von Frauenfußball in das Programm der Olympischen Sommerspiele 1996 in Atlanta – 88 Jahre nach den Männern. Die Weltmeisterschaft 1995 in Schweden, diesmal auch unter dem bis heute bekannten Titel „FIFA Women’s World Cup“, fungierte folgerichtig auch als Qualifikationsturnier für das Turnier in Atlanta.

„Let’s Get Loud“ in den USA

Während die Zuschauerzahlen aus diversen Gründen bei der WM 1995 rückläufig waren, stellte das Turnier 1999 in den USA einen Wendepunkt in der Geschichte der Frauen-Fußballweltmeisterschaften dar. Die Voraussetzungen für einen vollen Erfolg stimmten von Anfang an. Der Frauenfußball in den USA war nach dem Olympia-Triumph der US-Mannschaft in Atlanta auf dem Höhepunkt. Außerdem entschied man sich, die Spiele in Stadien zu verlegen, die mit einer Kapazität von bis zu 80.000 Zuschauern überdurchschnittlich waren im Vergleich zum letzten Austragungsort Schweden. Dieses Risiko zahlte sich aus. So viele Menschen wie nie zuvor schauten sich die Spiele im Stadion – im Durchschnitt 37.000 Zuschauer – und auch im Fernsehen an. Der Titelgewinn der USA war das perfekte Ende eines Finales, welches bis heute den Rekord für die höchsten Einschaltquoten eines Frauenfußballspiels hält. Die US-Spielerinnen wurden für eine ganze Generation junger Mädchen zu Vorbildern, athletische und starke Frauenkörper waren für einen kurzen Moment nicht mehr verpönt. Verewigt wurde diese Fußballparty außerdem im dem Musikvideo zu Jennifer Lopez‘ Welthit „Let’s Get Loud“.

Nach Deutschland 2003 und 2007 sowie Japan 2011 erkämpfte sich das US-Team 2015 den WM-Titel zurück. Das Finale zwischen den USA und Japan war das meistgesehene Fußballspiel in den USA und erreichte mit einer Quote von 23 Millionen sogar mehr Zuschauer als die damaligen NBA Finals sowie der Stanley Cup. Weltweit verfolgten 750 Millionen Menschen das Turnier vor ihren Fernsehern.

Kampf für mehr Gerechtigkeit

Die immer größer werdende Beliebtheit des Frauenfußballs ermutigte viele Spielerinnen, um mehr Geld, aber vor allem um mehr Anerkennung zu kämpfen. Dies wurde schon im Vorfeld der WM 2015 deutlich, als eine Reihe von internationalen Spielerinnen die Turnierleitung heftig dafür kritisierten, anstatt eines Rasenplatzes – wie bei den Männern üblich – einen Kunstrasenplatz einzusetzen. Sie erwägten sogar einen Boykott, die FIFA erwies sich jedoch als ein zu mächtiger Gegner. Doch vor allem die US-Spielerinnen gaben nicht auf und drohten nach der WM mit einem Streik, sollten sie nicht das gleiche bezahlt bekommen wie die Männer, deren bestes Ergebnis bisher das Halbfinale bei der WM 1930 war.

Ähnliche Bestrebungen sowie Streiks von Spielerinnen gab es auch in Dänemark, die deswegen sogar ein WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden ausfallen ließen. Die EM-Finalistinnen erreichten so eine Gehaltserhöhung um 60 Prozent, sobald sie sich für ein großes Turnier qualifizierten. Der norwegische Verband ging sogar noch einen Schritt weiter. Die Nationalmannschaften der Frauen und Männern erhalten nämlich seit diesem Jahr nicht nur die gleichen Prämien, mit Lise Klaveness wurde weltweit die erste Frau zur Chefin einer männlichen Nationalmannschaft berufen. Davon sind die Argentinierinnen leider weit entfernt. Sie kämpfen derzeit noch für gleichberechtigte Trainings- und Reisebedingungen, von einer gerechten Bezahlung mal ganz abgesehen. Und Deutschland? Die deutschen Damen hätten im Fall eines Titelgewinns 2015 65.000 Euro pro Spielerin bekommen, die Männer 2018 dagegen 350.000 Euro (2014: 300.000 Euro). Für den Titelgewinn bei der EM letztes Jahr hätte der DFB sogar nur 37.500 Euro an die Frauen gezahlt. Erst ab Erreichen des Halbfinals hätten sie überhaupt nur eine Prämie bekommen.

„Kampf“ der FIFA für den Frauenfußball

Doch wie hält es die FIFA mit dem Preisgeld? Hier ein paar Fakten: Während die Herren-Nationalmannschaft Frankreichs 38 Millionen US-Dollar für ihren WM-Titel dieses Jahr bekamen, zahlte die FIFA 2015 eine Prämie in Höhe von zwei Millionen US-Dollar an die US-Damen aus. Insgesamt verteilte die FIFA bei der WM 2018 Prämien in Höhe von 400 Millionen US-Dollar an alle Teams. Das heißt, jedes Team hatte nur für die Teilnahme eine Prämie von acht Millionen US-Dollar sicher.

Nach ihrer Council-Sitzung in Ruanda Anfang November verkündete Präsident Gianni Infantino jedoch stolz, dass die FIFA im Zuge ihrer neuen Frauenfußball-Strategie das Preisgeld für die kommende Weltmeisterschaft der Frauen 2019 in Frankreich deutlich erhöht hätte. Anstatt 15 Millionen US-Dollar wie bisher werde das Preisgeld verdoppelt. Nächstes Jahr werden nun also 30 Millionen US-Dollar ausgezahlt, erstmals auch an alle 24 teilnehmenden Mannschaften. Der zukünftige Weltmeister erhält dann also vier Millionen US-Dollar. Außerdem werden nun zum ersten Mal zusätzliche 20 Millionen US-Dollar für die Teams zur Verfügung gestellt, um die Vorbereitungs- sowie Reisekosten (11,5 Mio. US-Dollar) zu decken und die Clubs für die Abstellung ihrer Spielerinnen (8,5 Mio. US-Dollar) zu kompensieren. Allein für letzteren Zweck erhalten die Clubs bei den Männern 209 Millionen US-Dollar.

Die Spielervereinigung FIFPro hatte dagegen nicht so recht Lust, in die Lobhudelei für die FIFA mit einzusteigen. Ihrer Meinung nach vergrößere sich der Lohnunterschied sogar, da die FIFA das Preisgeld für die Männer für die WM 2022 auf 440 Millionen US-Dollar erhöhe. Spielervereinigungen aus Australien, den USA, Norwegen sowie Schweden und Neuseeland übten ebenfalls heftige Kritik. Der Einsatz der FIFA für den Frauenfußball sei halbherzig und reiche bei weitem nicht aus.

Die FIFA räumt den Damen-Teams nun auch Privilegien ein, die die Herren schon seit jeher genießen durften. So bezahlt die FIFA ab der WM 2019 zwar nun auch Business Class-Flüge für die Spielerinnen und BetreuerInnen, jedoch nur, wenn die Anreisezeit mehr als vier Stunden beträgt. Bei den Herren bekommen im Vergleich alle Mannschaften sowie bis zu 50 Personen des Betreuerpersonals die Business Class gesponsert. Egal, ob sie nur eine Stunde oder eine halbe Weltreise bis zum Austragungsort brauchen. Apropos Austragungsort, die Hotelunterbringung an Spieltagen wurde ebenfalls angepasst. War es bisher so, dass die gegnerischen Frauen-Teams am Vorabend der Partie im selben Hotel übernachten mussten, sieht das ab der WM 2019 anders aus. Von nun an werden sie, wie bei den Herren üblich, in verschiedenen Hotels untergebracht. All diese Änderungen, Preisgelderhöhungen und Anpassungen sind jedoch nichts wert, wenn kaum jemand weiß, dass nächstes Jahr überhaupt eine WM ausgetragen wird.

WM 2019? Welche WM 2019?

Die Weltmeisterschaft nächstes Jahr in Frankreich findet vom 07. Juni bis 07. Juli statt, doch möchte man diese und mehr Infos auf der Homepage der FIFA in Erfahrung bringen, muss man lange suchen. Nicht nur, dass die FIFA während der Herren-WM in Russland kaum Werbung für die WM 2019 betrieben hat, selbst auf deren FIFA.com-Startseite lassen sich auf den ersten Blick kaum Hinweise auf das Turnier finden. Unter dem Reiter „FIFA Fußball-WM“ wird noch auf die Seite der Herren-WM in Russland verlinkt. Bisher ist auch noch nicht geklärt, ob der Videobeweis nächstes Jahr zum Einsatz kommt oder nicht. Die FIFA deutete schon an, dass es wahrscheinlich nicht möglich sei, die Schiedsrichterinnen rechtzeitig bis zur WM nächstes Jahr zu schulen. Dieses Argument wollen viele Spielerinnen und TrainerInnen verständlicherweise nicht gelten lassen und würden das Weglassen des VAR als weitere Diskriminierung des Frauenfußballs begreifen.

Das Finale des Copa America und des Gold Cup finden übrigens auch am 07. Juli 2019, dem Tag des WM-Finales, statt. So viel zum Thema Wertschätzung durch die FIFA.

Powell vs. Lewis: Ein Sprung für die Ewigkeit?

Heute vor 27 Jahren sprang Mike Powell bei der WM in Tokio 8,95m und stellte damit einen neuen Weltrekord im Weitsprung auf.

Dass nun aber ausgerechnet Mike Powell und nicht wie erwartet der damalige Leichtathletik-Superstar Carl Lewis die bisherige Bestmarke von Bob Beamon aus dem Jahr 1968 übertreffen würde, war eine Sensation. Deren angespanntes Verhältnis gepaart mit der außergewöhnlichen sportlichen Leistung an diesem Abend – immerhin gelang Carl Lewis mit vier Sprüngen über 8,80m die beste Serie seiner Karriere – macht dieses WM-Finale bis heute zum besten Weitsprung-Wettkampf aller Zeiten.

Bis auf Powells Auftaktweite landete jeder gültig gegebene Sprung der Beiden jenseits der 8-Meter-Marke. Im vierten Versuch sah Carl Lewis mit einem Sprung auf 8,91m sogar wie der neue Weltrekordler und sichere Sieger aus. Doch der nicht zulässige Wind sowie Mike Powells Riesenweite von 8,95m im fünften Versuch machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Nach 15 Niederlagen gegen Lewis in Folge krönte sich Powell so zum Weltmeister und neuen Weltrekordler. Selbst der Siebtplatzierte Giovanni Evangelisti aus Italien blieb mit 8,01m über der magischen 8-Meter-Marke.

Zwar konnte Mike Powell seinen WM-Titel 1993 verteidigen, ein Olympiasieg blieb ihm jedoch verwehrt. Jeweils 1988, 1992 und 1996 zog er den Kürzeren gegen Carl Lewis, der mit vier Weitsprung-Siegen bei Olympischen Spielen in die Geschichte einging. Der Versuch, sich im Alter von 40 Jahren für die Spiele 2004 in Athen zu qualifizieren, scheiterte daraufhin. Der einzige Weitspringer, der Powells Marke seitdem übertreffen konnte, war Ivan Pedroso. Der Kubaner sprang bei einem Meeting in Sestriere 8,96m – wegen Unregelmäßigkeiten bei der Windmessung wurde diese Weite jedoch nicht offiziell anerkannt.