Leichtathletik-WM: Tag 6 und 7!

Was soll man sagen? Da ist sie dann doch, die erste Goldmedaille für die deutsche Mannschaft bei der Leichtathletik-WM. Und mit dieser haben wohl die wenigsten gerechnet.

Was war geschehen?

Es gibt einen neuen König der Leichtathletik, und dessen Name lautet Niklas Kaul. Mit 21 Jahren ist er nicht nur der jüngste Weltmeister im Zehnkampf, sondern auch der erste Gesamtdeutsche – ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit. Die Bahn für Kaul war frei, nachdem etliche Favoriten – darunter der Weltrekordler Kevin Mayer –  entweder verletzt aufgeben mussten oder ihre Nerven nicht unter Kontrolle hatten. Was für ein Zehnkampf.

Etwas weniger dramatisch, aber dafür nicht weniger spannend war der Siebenkampf. Nach Jahren der Dominanz durch Nafi Thiam konnte sich schließlich Katarina Johnson-Thompson die Krone aufsetzen. Die Britin galt schon lange als Top-Talent, konnte aber nie so richtig die hohen Erwartungen erfüllen. Erst ein Ortswechsel sorgte für den gewünschten Erfolg: seit 2016 trainiert sie zusammen mit Kevin Mayer in Montpellier. Bereits letztes Jahr konnte sie die Silbermedaille bei der EM in Berlin gewinnen. Damals noch hinter Thiam.

Christina Schwanitz kann dank gestern nun einen vollständigen WM-Medaillensatz ihr eigen nennen. Mit einem wuchtigen Stoß auf 19,17 Meter gewann sie Bronze hinter der Chinesin Gong und der Jamaikanerin Thomas-Dodd. Erst 2017 brachte Schwanitz Zwillinge zur Welt, um dann direkt bei der EM in Berlin letztes Jahr den 2. Platz zu erreichen. Das 15-Euro-Bier hat sie sich auf jeden Fall verdient.

Historisches geschah ebenfalls im 400m-Finale der Frauen. Salwa Eid Naser setzte sich gegen die Top-Favoritin Shaunae Miller-Uibo durch. Und das in einer Wahnsinns-Zeit: 48,14 Sekunden bedeuteten die drittschnellste Zeit, die je über die 400m gelaufen wurden. Schneller waren nur Marita Koch aus der ehemaligen DDR und die Tschechin Jamila Kratochvilova in den 1980er Jahren – deren Leistungen gelten jedoch als doping-belastet. Als erster Britin seit 36 Jahren gelang Dina Asher-Smith der Gold-Coup über die 200m. Nachdem sie bereits in Berlin letztes Jahr Doppel-Europameisterin wurde, sprintete sie vorgestern 21,88 Sekunden zu einem britischen Rekord.

Kurioses in Doha

Die IAAF zeigte sich gestern zweimal von ihrer gnädigen Seite, als sie sowohl Orlando Ortega als auch Wojciech Nowicki je nachträglich eine Bronzemedaille zusprach. Doch was war geschehen? Das 110m Hürden-Finale endete am Mittwoch spektakulär. Mit Grant Holloway, der die Leichtathletik zugunsten einer NFL-Karriere vorzog, gab es einen Überraschungs-Weltmeister. Dies lag aber auch daran, dass Top-Favorit und Titelverteidiger Omar McLeod stürzte und dabei Orlando Ortega mit sich zog. Letzterer war bis dahin auf dem Weg zu einer sicheren Medaille. Nach Silber bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro und Bronze bei der EM 2018 kann Ortega nun auch seine erste WM-Medaille verbuchen.

Die Bronzemedaille im Hammerwurf kann Wojciech Nowicki dem Protest seiner Mannschaftsführung verdanken. Die bemängelte den ersten Wurf vom Drittplatzierten Bence Halasz. Zwar gab die IAAF den Polen Recht, wollte dem Ungarn jedoch die Medaille nicht wieder aberkennen. So gibt es nun im Hammerwurf zwei Bronzemedaillen-Gewinner.

Fragwürdige Trainerwahl

Die Kugelstoß-Weltmeisterin Gong Lijiao wurde zumindest bis 2017 von Dieter Kollark trainiert – langjähriger Trainer in der ehemaligen DDR, dem bis heute nicht nur Doping von Minderjährigen vorgeworfen wird, sondern der auch bis zum Fall der Mauer Stasi-Spitzel war. Und auch die Diskuswerferin Claudine Vita nimmt die Dienste von Kollark in Neubrandenburg in Ansprüche. Es ist eine Schande, dass diese DDR-Täter immer noch eine Rolle im heutigen Sport spielen dürfen.

Dopingland Marokko?

Die Sportschau berichtete gestern in einem Dreißigminüter über Doping in Marokko, welches auch den französischen Verband und den Europameister über 10.000m, Mourad Amdouni, betrifft:

Wer war mal gedopt?

Der Franzose Quentin Bigot galt als großes Hammerwurf-Talent, als man in seiner Dopingprobe 2014 Stanozolol fand. Anschließend wurde er vier Jahre gesperrt, zwei davon auf Bewährung. Ihm kam zu Gute, dass er umfangreich über die Hintermänner seines Dopingfalls auspackte. So beschuldigte er zum Beispiel seinen Trainer Raphaël Piolanti, Frankreichs Trainer des Jahres 2013, von ihm zum Doping angestiftet worden zu sein. Dieser wurde 2018 zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt, überdies ist er lebenslang gesperrt. Bigot gewann gestern WM-Silber.

Die Vorschau auf Tag 8

Aus deutscher Sicht steht heute sicherlich das Diskus-Finale der Frauen im Fokus. Mit Nadine Müller, Claudine Vita und Kristin Pudenz haben es alle deutschen Werferinnen in den Endkampf geschafft. Mit ganz viel Glück hat Müller sogar eine Medaillenchance. Gespannt sein darf man auch auf die Vorläufe der 4x100m Staffel der Frauen sein, da die deutsche Staffel die Weltjahresliste anführt. Allerdings fehlt mit Tatiana Pinto einer der Leistungsträgerinnen der Mannschaft.

Leichtathletik-WM: Tag 5!

Enttäuschung und Freude liegen manchmal so nah beieinander. So wie bei den beiden vierten Plätzen für die deutsche Mannschaft gestern Abend.

Was war geschehen?

Christin Hussong

Quelle: Ailura, Lizenz: CC BY-SA 3.0 AT

Obwohl es die beste Platzierung war, die ihr je bei einer Weltmeisterschaft gelang, konnte Christin Hussong im ARD-Interview ihre Enttäuschung nicht verbergen. Aber wer kann es ihr verübeln? Fünf Versuche lang lag sie im Speerwurf-Finale auf einem Medaillenplatz, bis die Australierin Kelsey-Lee Barber einen Wurf raushaute, der sie von Platz 4 auf den 1. Platz katapultierte. Die Chinesinnen, die bis dahin auf den ersten beiden Plätzen lagen, konnten nicht nachlegen. Und so war Barber, die sich kaum für das Finale qualifizieren konnte, auf einmal Weltmeisterin und Hussong auf Platz 4 zurückgefallen.

In einer anderen Gefühlswelt fand sich wohl Bo Kanda Lita Baere wieder, der bei seiner ersten WM-Teilnahme überraschend den 4. Platz im Stabhochsprung-Finale belegte. Dafür reichte eine übersprungene Höhe von 5,70 Meter. Die Medaillen machten dann Piotr Lisek, Armand Duplantis und Sam Kendricks unter sich aus. Am Ende gelang Kendricks gerade so die Titelverteidigung. Zwar überquerten sowohl er als auch Duplantis die 5,97 Meter, Letzterer hatte aber einen Fehlversuch zu viel auf seinem Konto. Was dem Wettkampf an erwarteten Höhen fehlte, machten die Athleten durch Spannung wieder wett.

Noah Lyles

Quelle: jenaragon94, Lizenz: CC BY 2.0

Was war sonst noch los? Noah Lyles gewann erwartungsgemäß die 200m, allerdings artete es mehr in Arbeit aus als er vorher wohl dachte. Den 4. Platz belegte der Brite Adam Gemili, der einem nur leidtun konnte. Noch überraschend und enttäuscht im 100m-Halbfinale ausgeschieden, zeigte er sich über die doppelte Distanz in starker Form. So sah er nach der Kurve wie ein sicherer Medaillenkandidat aus, ließ sich auf der Zielgeraden dann aber von Andre de Grasse und dem Ecuadorianer Alex Quiñónez abkochen. Bei den Frauen schieden alle drei deutschen Teilnehmerinnen im Halbfinale aus. Besonders ärgerlich ist dabei die Verletzung von Tatiana Pinto, die damit für die Sprintstaffel am Freitag und Samstag fraglich ist.

Neuer Weltmeister über die 800m ist Donovan Brazier. Der US-Amerikaner und Salazar-Schützling ließ sich von der gestern verkündeten Doping-Sperre seines Trainers anscheinend nicht aus der Fassung bringen, denn er siegte überlegen mit Meisterschafts- und US-Rekord. Die bisherigen Rekorde stammten aus dem Jahr 1987 bzw. 1985. Es stand allerdings schon vor dem Finale fest, dass es einen neuen Titelträger geben würde: keiner der Teilnehmer des WM-Finals 2017 konnte sich für das gestrige Rennen qualifizieren.

Gedopt? Ich?

Piotr Lisek, Gewinner der Bronzemedaille gestern im Stabhochsprung, war 2012 sechs Monate gesperrt. In seiner Dopingprobe von den polnischen Meisterschaften konnte die Stimulanz Methylhexanamin nachgewiesen werden. Er gab an, dass diese Substanz in einem Energydrink enthalten war, so dass die Sperre auf sechs Monate reduziert wurde.

Von Mai 2013 bis Mai 2014 war Lyu Huihui wegen einer Dopingsperre von jeglichen Wettkämpfen ausgeschlossen. Bei der Chinesin fand man das Diuretikum Hydrochlorothiazid. Gestern gewann sie die Bronzemedaille im Speerwurf.

Kristjan Pars ist zwar gestern in der Hammerwurf-Qualifikation ausgeschieden, aber als Olympiasieger von 2012 doch von Interesse. Er kehrt gerade wieder von einer Dopingsperre zurück, die im April letzten Jahres ausgesprochen wurde. Um welche Substanz es sich handelte, ist bis heute nicht bekannt. Er war für anderthalb Jahre gesperrt.

Neues von der IAAF

Internationale TV-Zeiten, der Beginn der Arbeitswoche und die politische Blockade Katars: das sind laut Organisationskomitee und Leichtathletik-Weltverband die Gründe für die desolaten Zuschauerzahlen im Khalifa International Stadium in Doha. Laut IAAF-Generalsekretär Jon Ridgeon seien die politischen Umstände bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2014 noch ganz andere gewesen. Heutzutage sei Katar im Mittleren Osten isoliert. Womit er ja nicht ganz Unrecht hat. Dennoch haben zumindest Bahrain und Saudi Arabien Sportler nach Doha geschickt.

Außerdem seien vor allem die Mittel- und Langstrecken bei den Zuschauern, welche hauptsächlich aus den afrikanischen Staaten kommen, beliebt. Und diese finden nun mal früher am Abend statt. Die Stimmung beim 5.000m-Finale der Herren am Montag war zum Beispiel ganz gut. Eine kleine Gruppe von Zuschauern machte kräftig Party. Dennoch konnte es nicht darüber hinweg täuschen, dass das Stadion fast leer war. Dies belegen auch die Zuschauerzahlen. Am Freitag und Samstag sollen ungefähr 11.000 Besucher die Wettkämpfe live miterlebt haben, den Tag darauf aber schon nicht mal mehr 8.000.

Die Leistungen der Sportler scheinen diese Zahlen aber nicht zu beeinflussen. Das Niveau der Wettkämpfe ist – zumindest innerhalb des Stadions – sehr hoch. Auch wenn bisher „nur“ ein Weltrekord erzielt wurde, fielen schon etliche nationale und kontinentale Bestmarken. Und das scheint auch das deutsche Publikum zu begeistern. Gestern begleiteten 5,20 Millionen Zuschauer das Wettkampfgeschehen am Fernseher. Damit holte sich die ARD den Tagessieg in der Primetime.

2 % sind zu wenig – Trainerinnen in der Leichtathletik

Gestern saß beim Stabhochsprung-Finale mit Christine Adams eine Frau als leitende Disziplin-Bundestrainerin auf der Tribüne. Man könnte jetzt denken: ja, und? Beschäftigt man sich jedoch intensiver mit der Leichtathletik (oder jeder anderen Sportart), merkt man schnell, wie rar gesät bis heute Trainerinnen sind. Von 37 BundestrainerInnen sind gerade einmal vier weiblich, und zwar die bereits genannte Christine Adams, Kathrin Dörre-Heinig (Marathon) sowie Brigitte Kurschilgen (Hochsprung) und Claudia Marx (400m Frauen). Glaubt  man dem Female Coaching Network liegt der Anteil von Trainerinnen bei der Leichtathletik-WM nur bei zwei Prozent. Auch wenn es nur eine Schätzung ihrerseits ist, erscheint diese Zahl doch sehr wahrscheinlich. Doch woran liegt das? Die Hauptgründe werden wohl wie so oft die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die schlechte Bezahlung sein.

https://twitter.com/FemaleCN/status/1177568576041029633

Das ist sehr schade, denn viele Beispiele zeigen, dass Trainerinnen ihrem männlichen Pendant in nichts nachstehen. Die nun so oft genannte Christine Adams trainiert zum Beispiel Bo Kanda Lita Baere. Caryl Gilbert-Smith führte Rai Benjamin zu einer Silbermedaille über die 400m Hürden, über die gleiche Distanz ist Joanna Hayes‘ Schützling Sydney McLaughlin eine heiße Medaillenanwärterin. Silber im Hochsprung gewann auch Yaroslava Mahuchikh unter der Leitung von Tetyana Stepanova. Erfolgreicher war nur Svetlana Abramova mit ihrem Schützling Anzhelika Sidorova – Gold im Stabhochsprung.

Die Vorschau auf Tag 6

Kai Kazmirek

Quelle: Samuel Blanck, Lizenz: CC0 1.0

Alle Augen werden heute auf Konstanze Klosterhalfen gerichtet sein, die sich im 5.000 Meter-Vorlauf für das Finale qualifizieren möchte. Man darf gespannt sein, wie sie den Fragen, die hoffentlich kommen werden, im Anschluss begegnen wird. Ansonsten ist heute der Tag der Mehrkämpfer. Bei dieser Leichtathletik-Weltmeisterschaft werden der Zehn- und Siebenkampf zeitgleich ausgetragen. So möchte die IAAF die Aufmerksamkeit noch mehr auf diese Disziplinen lenken. In Deutschland wird der Fokus dagegen hauptsächlich auf dem Zehnkampf liegen, da im Siebenkampf keine deutsche Starterin dabei ist. Mit Niklas Kaul und Kai Kazmirek sind dagegen aussichtsreiche Kandidaten am Start. Allerdings müssen die MehrkämpferInnen ihre Wettkämpfe in komprimierter Form austragen, da es ja keine Vormittags-Sessions gibt. Fünf Disziplinen innerhalb von sieben Stunden. Klingt nicht nach Spaß.

Es steht außerdem eine Reihe von Qualifikations-Wettbewerben an. Über die 1.500m versucht Caterina Granz, das Halbfinale zu erreichen. Die Kugelstoßerinnen um Christina Schwanitz, Sara Gambetta und Alina Kenzel sind ebenfalls im Einsatz. Zumindest Schwanitz sollte keine Probleme mit der Quali-Weite von 18,40 Metern haben. Ein Trio tritt auch im Diskusring an. Mit Nadine Müller, Claudine Vita und Kristin Pudenz haben alle von ihnen gute Chancen auf das Finale.

Die Sprint-Wettbewerbe legen auch keine Pause ein. Sowohl das 200m-Finale der Frauen (Dina Asher-Smith!) als auch das Finale über die 110m Hürden (Omar McLeod!) finden heute Abend statt. Im Hammerwurf-Finale ist leider kein Deutscher vertreten. Die beiden Führenden der Qualifikation, Wojciech Nowicki und Pawel Fajdek, werden übrigens von zwei Frauen trainiert.

Leichtathletik-WM: Tag 4!

Gestern gab es die erste Medaille für die deutsche Mannschaft, heute werden die Nachrichten um das Nike Oregon Project das Leichtathletik-Geschehen bestimmen. Doch bevor sich Sport.Politik ebenfalls mit diesem Thema beschäftigt, gibt es hier erstmal einen Rückblick auf die gestrigen Wettkämpfe.

Was war los?

Der Moment des Abends war aus deutscher Sicht natürlich die Bronzemedaille von Gesa Felicitas Krause über 3.000m Hindernis. Nach persönlicher Bestleistung und deutschem Rekord war es deshalb auch nicht großartig verwunderlich, dass Krauses Trainer Wolfgang Heinig abends Besseres vorhatte als mit der Presse zu reden: „Sicherlich sollte man mich heute um Mitternacht nicht interviewen.“ Na dann mal Prost!

https://twitter.com/SportsMetatag/status/1178749020078055424

Ohne deutsche Brille war das Highlight des Abends aber sicherlich das 5.000m-Finale der Herren. Die Ingebrigtsen-Brüder, seit ihrer Kindheit von ihrem Vater auf Erfolg getrimmt, wollten unbedingt eine Medaille. Und beinahe wäre es Jakob Ingebrigtsen auch gelungen. Nachdem die Brüder das Renngeschehen zunächst von hinten gestalteten, starteten Filip und Jakob Ingebrigtsen nach circa der Hälfte der Strecke eine fulminante Aufholjagd, der erst auf der Schlusskurve von den Läufern aus Äthiopien und Kanada ein Ende gesetzt werden konnte. Letztlich belegte Jakob Ingebrigtsen den 5. Platz. Auf die IAAF ist dagegen Verlass: der 5.000m-Lauf wird nächste Saison nicht mehr Bestandteil des offiziellen Diamond League-Programms sein. Das gleiche Schicksal droht übrigens auch dem Dreisprung der Herren.

Der Diskuswurf wurde zu einer knappen Angelegenheit, bei der zumindest die Weiten ein wenig enttäuschend waren. Weltmeister Daniel Stahl und Fedrick Dacres warfen beide schon über 70 Meter diese Saison, kamen diesmal aber nicht über die 68 Meter hinaus. Martin Wierig kam dagegen auf einen für ihn sehr guten 8. Platz. Ohnehin war es ein erfolgreicher Abend für die deutsche Mannschaft, was die Qualifikationswettbewerbe angingen. Christin Hussong konnte sich als Gesamt-Zweite für den Speerwurf qualifizieren, bei den 200m erreichten sogar alle drei deutschen Sprinterinnen das Halbfinale – Tatjana Pinto und Lisa Marie Kwayie sogar mit persönlicher Bestleistung.

Im Hochsprung-Finale reichten 1,89 Meter für Imke Onnen leider nur für den 9. Platz, aber das Erreichen des Finales war ja schon ein großer Erfolg. Der Sieg ging mit 2,04 Meter erwartungsgemäß an die Russin Mariya Lasitskene. Diesmal hatte sie mit der jungen Ukrainerin Yaroslava Mahuchikh aber unerwartete Konkurrenz. Diese steigerte ihre persönliche Freiluft-Bestleistung nämlich einfach mal um 9 Zentimeter und stellte damit einen neuen U20-Weltrekord auf.

Doping-News des Tages

Die IAAF kann einem fast schon leidtun (jhaha, just kidding!). Dachte man, Berichte über fehlende Zuschauer, Korruption und fragwürdige Kameraeinstellungen wären schon schlimm genug, da kommt die USADA um die Ecke und packt den Doping-Hammer aus: Vier Jahre Sperre für Alberto Salazar, dem Cheftrainer des berühmt-berüchtigten Nike Oregon Projects, wegen des Handels mit Testosteron, der Manipulation von Dopingproben sowie der Verabreichung von Infusionen. Gerüchte und Berichte über Doping im NOP gab es schon lange – unter anderem von der WM-Zweiten über 10.000m 2007, Kara Goucher – nun ist die USADA zu einem Urteil gekommen. Salazar, selbst iin den 1980er Jahren dreifacher Sieger des New York Marathons, bestreitet selbstverständlich alle Vorwürfe.

Alberto Salazar

Quelle: Cal Hopkins; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Das NOP wurde, wie der Name schon sagt, 2001 von Nike gegründet und stand von Beginn an unter der Beobachtung der USADA und WADA. Aushängeschild dieses Projektes war bis 2017 Mo Farah, der wegen zweier verpasster Kontrollen selbst Dopingverdächtigungen ausgesetzt war. Momentan trainieren in Oregon die 10.000m-Weltmeisterin von Doha, Sifan Hassan, und Konstanze Klosterhalfen. Die Anti-Doping Einheit der IAAF (AIU) verkündete heute auch dementsprechend, dass Salazar von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen sei und den AthletInnen ein Kontaktverbot zu ihm auferlegt werde. Dies sollte zumindest offiziell nicht Klosterhalfen betreffen, da sie ja beim NOP-Co-Trainer Pete Julian trainiert. Man darf dennoch gespannt sein, wie die deutschen Medien mit ihr und dem Thema umgehen werden.

Zwei Athleten vom NOP, Clayton Murphy und Donovan Brazier, sind heute Abend übrigens im 800m-Finale am Start.

War da was?

Ajee Wilson, Zweite über 800m, wurde 2017 von der USADA des Dopings mit Zeranol freigesprochen, da sie dieses Steroid durch kontaminiertes Fleisch zu sich genommen haben soll.

Stop it!

Schon öfter gehört bei der TV-Übertragung der WM: Männliche Kommentatoren betiteln Athletinnen als „junge Dame“. Bitte hört doch einfach auf damit. Erstens erinnert das an ältere Herrschaften in den 1950er Jahren, zweitens sind das mit Anfang / Mitte Zwanzig gestandene Frauen, die alles in Grund und Boden laufen, springen und werfen. Es hört sich einfach respektlos sowie herablassend an und passt nicht mehr in unsere Zeit.

Die Vorschau auf Tag 5

Bei den Laufwettbewerben steht heute Abend sicherlich das 200m-Finale der Herren im Fokus. Der US-Amerikaner Noah Lyles ist der klare Top-Favorit. Immerhin kann er aus dieser Saison bereits eine 19,50 vorweisen, womit er nach Usain Bolt und Yohan Blake der drittschnellste Mann aller Zeiten über diese Strecke ist. Andre de Grasse und Titelverteidiger Ramil Guliyev darf man allerdings auch nicht außer Acht lassen. Bei den Frauen stehen die Halbfinals über 200m an. Hier wäre es eine Überraschung, wenn eine der deutschen Starterinnen den Finaleinzug schaffen würde. Sollte es aber einer von ihnen gelingen, hat Tatjana Pinto in ihrem Halbfinale wahrscheinlich die besten Chancen.

Die größte Spannung verspricht allerdings der Stabhochsprung der Herren. Hier sind gleich vier Athleten in der Lage, um Gold mitzuspringen: Europameister Armand Duplantis, Olympiasieger Thiago Braz, Piotr Lisek sowie Titelverteidiger Sam Kendricks, der dieses Jahr die Weltjahresbestleistung mit 6.06 Meter inne hat. Raphael Holzdeppe und Bo Kanda Lita Baere haben dagegen höchstens Außenseiterchancen. Ein kleiner Wehrmutstropfen ist sicherlich das Ausscheiden von Renaud Lavillenie, der die letzten Jahre das Stabhochsprung-Geschehen maßgeblich bestimmte. Dafür hält aber sein Bruder mit dem Einzug in das Finale die Familienehre hoch.

Aus deutscher Sicht besonders spannend wird das Speerwurf-Finale der Frauen, denn Christin Hussong hat ausgesprochen gute Medaillen-Chancen. Sie war eine der wenigen in der Qualifikation, die mit den schwierigen Stadionbedingungen klar kamen. An der Chinesin Lyu Huihui führt aber wohl dennoch kein Weg vorbei. Außerdem versuchen Mateusz Przybylko sich für das Hochsprung-Finale und Martin Grau sowie Karl Bebendorf für das 3.000m Hindernis-Finale zu qualifizieren.

Leichtathletik-WM: Tag 3!

Gestern stand Tag 3 der Leichtathletik-WM in Doha auf dem Programm. Stabhochsprung, Dreisprung, das Finale über 100 Meter – sportlich gesehen fehlte es an nichts. Sport.Politik gibt einen kleinen Rückblick auf das Geschehen und wagt sich an eine Vorschau auf Tag 4 heran.

Was war gestern los?

Der gestrige Abend war geprägt von vielen hochklassigen Leistungen und emotionalen Momenten. Da war zum einen die unglaubliche Siegesweite von Christian Taylor im Dreisprung, der mit 17,92 Meter seinen vierten WM-Titel gewinnen konnte. Zum anderen lief Shelly-Ann Fraser-Pryce in 10,71 Sekunden eine Weltjahresbestleistung und damit ebenfalls zu ihrer vierten Goldmedaille über 100m. In Erinnerung bleiben wird jedoch der Stabhochsprung der Frauen. Und das hat mehrere Gründe: als erstes natürlich die großartigen Leistungen von Sandi Morris und Anzhelika Siderova, die sich Höhe um Höhe ein packendes Duell um die Goldmedaille lieferten. Bis 4,90 Meter gaben sich beide Athletinnen keine Blöße – mit ihrem Sprung über 4,95 Meter steigerte Siderova ihre Freiluft-Bestleistung um ganze 10 cm und überflügelte somit Morris. Der Moment des Abends gehörte jedoch Angelica Bengtsson, der bei 4,80 Meter der Stab brach. Schlimm genug, doch dann fand sie zu allem Überfluss ihre Stäbe nicht wieder. Also borg sie sich kurzerhand einen von der Französin Ninon Guillon-Romarin. Denn bei Stabbruch darf der Sprung wiederholt werden, und was macht Bengtsson? Überquert souverän die 4,80 Meter – Landesrekord. Bei 4,85 Meter war der Wettkampf für die Schwedin allerdings beendet.

https://twitter.com/EuroAthletics/status/1178613460537630721

Hmpf! Das Ärgernis des Tages

Zuerst einmal muss man sagen, dass die ARD und das ZDF die Leichtathletik-WM fast vollständig übertragen – sei es live im Fernsehen oder (einzelne Wettkämpfe) als Online-Stream. Die Einschaltquoten sind auch nicht allzu schlecht. Während am Samstagabend noch unterdurchschnittlich viele Zuschauer (2,72 Millionen, 10,5 Prozent Marktanteil) das Zweite einschalteten, erholte sich die Quote gestern wieder leicht mit 3,29 Millionen Zuschauern und 13,3 Prozent Marktanteil in der ARD. Doch vor allem in Bezug auf die „Live“-Übertragung gestern gibt es dann trotzdem etwas zu Meckern: nachdem von der Live-Berichterstattung auf ARD ONE ins Hauptprogramm der ARD geschaltet wurde, bot man dem Zuschauer bis auf das 100m-Finale der Frauen nur noch Konserve an. Anstatt also das hochklassige Dreisprung-Finale der Herren zu zeigen, wurde das ONE-Programm inklusive Kommentar eins zu eins in der ARD wiederholt – mit Live-Einblendung.

Im Gegensatz zu den TV-Quoten sind die Zuschauerzahlen im Stadion doch sehr traurig, aber nicht wirklich überraschend. Die Organisatoren versuchen zwar, mit Lichtshows darüber hinweg zu täuschen, aber ohne Erfolg. Das Stadion war bei dem 100m-Finale der Frauen fast leer:

Die Mütter des Tages

Die Mütter unter den Leichtathletinnen dominierten gestern die Berichterstattung. Und das zu Recht. Shelly-Ann Fraser-Pryce gewann zwei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes Gold über die 100m und damit andere Mütter inspirieren.

Allyson Felix setzte noch einen drauf, indem sie gestern den Premierentitel mit der 4×400 Meter Mixed-Staffel der USA und damit ihren zwölften Weltmeistertitel gewann. Nach der komplizierten Geburt ihrer Tochter vor 13 Monaten setzt sich Felix für Schwangere und Mütter in der afro-amerikanischen Community ein, denn die Wahrscheinlichkeit, an schwangerschaftsbezogenen Komplikationen zu sterben, ist in den USA bis zu dreimal höher als bei weißen Frauen. Außerdem kämpft sie zusammen mit anderen Athletinnen gegen die Diskriminierung von Müttern im Sport – mit Erfolg, denn zumindest NIKE passte mittlerweile seine Verträge an.

Doping!

Shelly-Ann Fraser-Pryce zum Dritten! 2011 wurde sie wegen eines positiven Tests auf das Schmerzmittel Oxycodon für sechs Monate gesperrt. Sie gab Zahnschmerzen als Grund für die Einnahme an.

Chinas Liu Hong gewann gestern die Goldmedaille über die 20 Kilometer Gehen der Frauen. 2016 war sie für einen Monat gesperrt, nachdem ihr die Stimulanz Higenamin nachgewiesen werden konnte.

Die Vorschau für Tag 4

Das Highlight aus deutscher Sicht sind heute natürlich die 3.000m Hindernis mit Gesa Felicitas Krause. Mit ganz viel Glück ist vielleicht eine Medaille drin, wahrscheinlicher ist jedoch eher eine Platzierung um Rang 5 oder 6. Der deutsche Rekord, den sie diese Saison gelaufen ist, macht jedoch ein wenig Hoffnung auf die erste deutsche Medaille der Leichtathletik-WM.

Genau diese ist für Imke Onnen im Hochsprung-Finale ziemlich außer Reichweite. Klare Favoritin ist hier die Russin Mariya Lasitskene, die mit 2,06 Metern die Weltjahresliste anführt und seit 18 Wettbewerben ungeschlagen ist.

Martin Wierig hat als einziger Deutscher das Diskus-Finale erreicht, wo vielleicht eine Bronze-Medaille drin sein könnte. Den Sieg werden aber wohl der Schwede Daniel Stahl und der Jamaikaner Fedrick Dacres unter sich ausmachen. Ein Zweikampf wird auch das 400m Hürden-Finale der Männer: Titelverteidiger Karsten Warholm und Rai Benjamin konnten beide diese Saison unter der magischen Grenze der 47 Sekunden bleiben.

Ansonsten bleibt spannend zu sehen, ob die Ingebrigtsen-Brüder über 5.000 Meter eine Chance gegen die kenianischen und äthiopischen Läufer haben werden – es wäre zumindest eine kleine Überraschung. Die 200 Meter-Halbfinals der Männer sollten auch eine klare Sache sein. Allen voran Noah Lyles, Andre de Grasse und Ramil Guliyev, der Titelverteidiger, sind haushohe Favoriten.

Ansonsten sind noch die deutschen Speerwerferinnen in der Qualifikation unterwegs. Annika Maria Fuchs die erste Gruppe leider nicht überstanden, Christin Hussong sollte dagegen keine Probleme mit dem Erreichen des Finales haben. Und auch die 200 Meter-Sprinterinnen – Tatjana Pinto, Lisa Marie Kwayie und Jessica-Bianca Wessolly – haben gute Chancen auf den Einzug in das Halbfinale. Hierfür müssen sie entweder einen der ersten drei Plätze ihres Laufes erreichen oder eine der sechs schnellsten Laufzeiten haben.

Doping: Alle Jahre wieder Thüringen

Die nordische Ski-WM in Seefeld ist zwar schon längst Geschichte, sie wird aber noch vielen Menschen lange im Gedächtnis bleiben. Allerdings weniger wegen der sportlichen Leistungen – Norwegen räumte wie immer fast alle Medaillen ab – sondern wegen der Geschehnisse rund um die Doping-Razzia sowohl in Erfurt als auch in Seefeld. Erfurt? Thüringen? Das war doch was. Immer wieder taucht das grüne Herz Deutschlands in der Dopingberichterstattung auf.

Als vor zwei Wochen (27.02.2019) die ersten Nachrichten über die „Operation Aderlass“ über den Ticker liefen, stand die Sportwelt kurz ganz still. Sie fing sich aber mindestens genauso schnell wieder. Wie üblich bei solchen Dopingskandalen sprachen Funktionäre, AthletInnen und sogar TV-Moderatoren von unverbesserlichen Einzeltätern, die einfach nichts dazu lernen würden. Und auch sportlich war es wieder Business as usual: Martin Johnsrud Sundby, selbst 2016 wegen des Missbrauchs eines Asthmamittels für zwei Monate gesperrt, holte sich an diesem Nachmittag seinen ersten WM-Einzeltitel über die 15km klassisch.

Dass die „Operation Aderlass“ jedoch höhere Wellen schlagen würde, sollte allen Beteiligten ziemlich schnell klar werden. Dafür sorgte schon alleine der Fund von vierzig Blutbeuteln in der Erfurter Praxis von Dr. Mark Schmidt, der als mutmaßlicher Strippenzieher des aufgedeckten, laut Ermittlern mafia-ähnlichen Dopingrings in Erfurt festgenommen wurde. Doch nicht nur, dass die in Seefeld in flagranti erwischten und festgenommenen Sportler quasi sofort gestanden, es bekannten sich immer mehr Sportler zum Blutdoping bei Schmidt. Darunter auch eine Reihe von estländischen Langläufern, deren Trainer Mati Alaver als einer der Haupttatverdächtigen identifiziert wurde. Ausgelöst wurden die staatsanwaltlichen Untersuchungen durch ein Interview, das der des Dopings 2014 in Sotchi überführte Langläufer Johannes Dürr der ARD Sportschau gab.

Darin redete er scheinbar so offen über seine Dopingvergangenheit, dass die deutschen und österreichischen Behörden auf ihn aufmerksam wurden. Als Kronzeuge packte er anschließend über die Hintermänner sowie seine Mitdoper aus. Eine kuriose Wende nahm die ganze Angelegenheit dann aber doch noch: ein paar Tage später (05.03.2019) wurde Dürr selbst verhaftet. Es stellte sich heraus, dass er entgegen seiner eigenen Aussage bis Ende 2018 selbst Eigenblutbehandlungen bei Schmidt durchführen ließ. Sein Enthüllungsbuch und die Crowdfunding-Kampagne, mithilfe derer er bisher über 30.000 Euro sammelte, um ein Langlauf-Comeback zu starten, ließen dieses kleine, nicht unwichtige Detail allerdings unerwähnt. In einem ganz anderen Licht erscheint mittlerweile auch seine damalige (2014) familiäre Beziehung zu Gottlieb Taschler, ehemaliger IBU-Vizepräsident, der seinen Posten wegen seines Kontaktes zu Doping-Guru Dr. Michele Ferrari (Lance Armstrongs Dopingarzt) Ruhen lassen musste. Dieser war nämlich Dürrs Schwiegervater. Und es kommen seitdem immer mehr interessante Zufälle ans Licht.

Doch wer ist Dr. Mark Schmidt überhaupt? Dr. Mark Schmidt führt seine Praxis für Allgemeinmedizin zusammen mit seiner Mutter Dr. Heidrun Schmidt, ihrerseits in der DDR Teamärztin für den dopingbehafteten SC Turbine Erfurt. Für diese Praxis bestand bis zuletzt eine Lizenz als „sportmedizinische Untersuchungsstelle“ in Thüringen, welche für die Feststellung der allgemeinen Sporttauglichkeit des D-Landeskaders zuständig war. Laut dem Landessportbund Thüringen (LSB), der diese Lizenzen erteilt, hat dies aber nichts mit der kontinuierlichen Betreuung von Spitzen- und Nachwuchssportlern zu tun. Nach der Verhaftung Schmidts entzog der LSB diese Lizenz augenblicklich:

„Die Lizenz wird für vier Jahre verliehen und kann anschließend für vier Jahre verlängert werden. Diese Verlängerung wurde für die Arztpraxis von Dr. Heidrun Schmidt vorgenommen. Im Rahmen dieser laufenden Verlängerung trat Mark Schmidt in die Praxis ein. […] „Das hätte nicht passieren dürfen‘. So erklärt Hügel (Präsident LSB Thüringen, Anm. d. Red.): ‚Wir haben an dieser Stelle nicht tiefgründig genug die bestehenden Dopingbelastungen im Prozess um die Anerkennung der Lizenzfortschreibung als sportmedizinische Untersuchungsstelle bewertet. Dies war falsch und wir müssen und wollen jetzt die Konsequenzen schnellstmöglich tragen und limitieren.‘“

(Statement des LSB Thüringen zur Causa Schmidt, 28.02.2019)

 

Alles nur Zufall?

Dr. Mark Schmidt war nämlich schon einmal in einen Dopingskandal verwickelt. Als Teamarzt vom Team Gerolsteiner (2006 – 2008) sowie Team Milram (2009 – 2010) sah er sich mit den Vorwürfen konfrontiert, die damaligen Radsportler Stefan Schumacher, Bernard Kohl und David Kopp beim Doping unterstützt zu haben. Die Untersuchungen der Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg gegen ihn verliefen 2013 jedoch im Sand. Der LSB Thüringen war sich den schwerwiegenden Anschuldigungen bewusst, als er  Schmidt seine jungen AthletInnen anvertraute, nur von Kaderathleten musste er Abstand halten. Seit 2017 arbeitete Schmidt wieder im Radsport, zuerst als Teamarzt von Aqua Blue Sport, danach bei Groupama – FDJ. Die zwei Radsportler Stefan Denifl und Georg Preidler, die im Zuge der „Operation Aderlass“ Blutdoping gestanden, fuhren für genau diese Teams.

Ermittelt wurde damals übrigens auch gegen den zweiten Arzt des Teams Gerolsteiner, Dr. Ernst Jakob – ein langjähriger Weggefährte des Freiburger Dopingarztes Prof. Joseph Keul und damaliger Vorgesetzter Schmidts in der Sportklinik Hellersen in Lüdenscheid. Verbindungen pflegte Schmidt außerdem zu dem österreichischen Sportmanager Stefan Matschiner. Dieser stand im Mittelpunkt der damaligen Humanplasma-Affäre, im Rahmen derer mehrere SportlerInnen wegen Dopings gesperrt und verurteilt wurden. Die technischen Geräte, die bei Schmidt gefunden wurden, erwarb dieser wohl von Matschiner.

Schmidts Vater Ansgar war anscheinend ebenfalls in die „Operation Aderlass“ verwickelt, dafür spricht zumindest seine Festnahme in Seefeld. Ansgar Schmidt war lange Zeit eine feste Größe des thüringischen Sports. So war er fast 20 Jahre Mitglied im Vorstand der Stiftung Thüringer Sporthilfe, Rechtswart im Thüringer Skiverband sowie Vorsitzender des Schiedsgerichts des LSB Thüringen. Außerdem wurde ihm 2009 „in Anerkennung besonderer Verdienste um die Förderung des Sports“ vom LSB Thüringen ein Preis verliehen, dessen Aberkennung der LSB nun prüft. Besonders pikant: Ansgar Schmidt war bis Ende des letzten Jahres in der Anwaltskanzlei von Heinz-Jochen Spilker angestellt.

Doping im Hammer Modell

Heinz-Jochen Spilker ist ebenfalls kein unbeflecktes Blatt in Sachen Doping. Zusammen mit dem Trainer Heinz-Jörg Kinzel etablierte Spilker in den 1980er Jahren das sogenannte Hammer Modell, in dem seine Sprinterinnen hemmungslos mit Dopingmitteln vollgepumpt wurden. Die Machenschaften des SC Eintracht Hamm waren ein offenes Geheimnis in der Szene und sogar in Kanada im Rahmen der Ben Johnson-Dopinguntersuchung ein Thema, zur Belohnung wurde Spilker vom Deutschen Leichtathletikverband zum Sprint-Bundestrainer befördert. Erst als die Sprinterin Claudia Lepping öffentlich über das Doping auspackte – sie weigerte sich, ein Teil dieses Dopingsystems zu werden – wurden Spilker und Kinzel wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz verurteilt. Das war 1994.

Während nach der Wende viele Ost-Trainer in die alten Bundesländer oder ins Ausland, vornehmlich Österreich und China, umsiedelten und dort ihre „Dienste“ anboten, ging Spilker den umgekehrten Weg. Bereits 1990 ließ er sich mit seiner Anwaltskanzlei in Erfurt nieder, wo er rasch in die politische Elite Thüringens aufstieg. Andreas Birkmann, ehemaliger Justizminister Thüringens, und Manfred Scherer, ehemaliger Innenminister Thüringens, üben bis heute eine Anwaltstätigkeit in der Kanzlei Spilkers aus. Das heißt jedoch nicht, dass er dem Sport den Rücken zukehrte. Ganz im Gegenteil, er bekleidete noch bis ins Jahr 2012 das Amt des Vizepräsidenten des LSB Thüringen. Zur gleichen Zeit übernahm Spilkers Anwaltskanzlei allerdings auch die Verteidigung von Dr. Andreas Franke.

Doping-Methoden aus der DDR

Der Allgemein- und Sportmediziner aus Erfurt stand damals im Mittelpunkt der UV-Strahlen-Affäre. Er war am Olympiastützpunkt Erfurt auf Honorarbasis angestellt und soll bis 2011 mit dem Wissen des LSB rund dreißig AthletInnen mit UV-bestrahltem Eigenblut behandelt haben, eine nach der WADA ab 2011 verbotenen Dopingmethode. Herausgekommen ist dies alles aufgrund der Ermittlungen gegen Claudia Pechstein, die neben dem Radsportler Marcel Kittel die prominenteste Patientin Frankes war. Die Verfahren gegen die SportlerInnen sowie Franke wurden jedoch eingestellt, da keine Dopingabsicht nachgewiesen werden konnte. Außerdem fehlte der NADA schlicht das Geld, um Verfahren gegen mehr als dreißig SportlerInnen zu führen. 2012 gab es ja das Anti-Doping-Gesetz noch nicht.

Dass Franke diese Eigenblutbehandlungen durchführte, bestritt er nie. Vielmehr habe er diese Methode, die er im Übrigen schon seit mehr als zwanzig Jahren anwende, zur Behandlung sowie Vorbeugung von Infekten genutzt.  Dass die Bestrahlung mit UV-Licht bereits Anfang der 1980er Jahre in der DDR-Dopingforschung sowohl erprobt als auch angewandt wurde und Franke zu dieser Zeit Arzt der damaligen Sportmedizinischen Hauptberatungsstelle Erfurts war, ist mit Sicherheit auch nur einer dieser komischen Zufälle. In diese Kategorie fällt wohl auch die Tatsache, dass sein langjähriger Praxispartner Dr. Horst Tausch war – seinerzeit Verbandsarzt der DDR-SchwimmerInnen, wegen deren Dopings er 1999 zu einer Gefängnisstrafe in Höhe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wurde.

Kritik nicht erwünscht

Die Doping-Stasi-Verstrickungen in den DDR-Sport sind überall zu finden. Am besten ist dies am Beispiel Rolf Beilschmidts festzumachen, dem derzeitigen LSB-Geschäftsführer in Thüringen. Dieser gehörte in den 1970er Jahren zur Weltspitze im Hochsprung, auch nachweislich dank der Einnahme von Dopingmitteln. Nach seiner Karriere stieg er zum Leiter seines Heimatvereins SC Motor Jena auf, von 1991 bis 2001 leitete er sogar den Olympiastützpunkt Erfurt, bevor er zum Hauptgeschäftsführer des LSB befördert wurde. Noch nicht einmal die Enthüllungen über Beilschmidts langjährige Stasi-Tätigkeit konnten seiner Funktionärskarriere einen Knick verpassen. Woran das lag? Beilschmidt wurde jahrelang vom ehemaligen LSB-Präsidenten (1994 – 2018) und SED-Altkader Peter Gösel protegiert. Gösel folgte damals auf Manfred Thieß, der wegen seiner Stasi-Vergangenheit zum Missfallen vieler im LSB nicht mehr zu halten war.

Bis heute werden Kritiker, die auf die DDR-Seilschaften innerhalb des thüringischen Sports hinweisen, mundtot gemacht und als Nestbeschmutzer beschimpft. So geschehen bei der Biathlon-WM 2004 in Oberhof, damals wie heute eine der Biathlon-Hochburgen der Welt. In die Organisation waren zahlreiche ehemalige Stasi-Mitarbeiter eingebunden, damalige Doping-Täter waren Teil des Trainerteams. Da wundert es kaum, dass anerkannte Doping- und Stasi-Opfer, die die Missstände öffentlich anprangerten, keine Einladung zu den Wettkämpfen erhielten. 2023 findet die Biathlon-WM wieder in Oberhof statt. Und das Thema Stasi ist bei geschätzt 3000 Sport-IMs noch immer brandaktuell: der damalige Zeremonienmeister und heutige Chef des Oberhofer Weltcups sowie des WM-Organisationskomitees ist Holger Wick, ein ehemaliger Biathlet des ASK Vorwärts Oberhof. Von 1981 bis 1988 war er aber auch als „IM Gerd Schütze“ unterwegs.

Zurück zum Radsport

Doch zurück zum Radsport. Die Blutbeutel-Affäre um Dr. Mark Schmidt weckt Erinnerungen an einen anderen Dopingskandal, der 2006 die gesamte Radsportszene in Aufruhr versetzte. Ein gewisser Dr. Eufemiano Fuentes versorgte die Elite des Radsports mit allerhand Dopingmitteln. Fuentes Spur führte allerdings auch nach Thüringen. Denn Fuentes‘ Partner in Crime war der Mediziner Dr. Markus Choina, der in der Helios-Klinik in Bleicherode / Thüringen angestellt war. Über Choina erhielt Fuentes nicht nur seine Dopingmedikamente, sondern auch teure Geräte zum Abpacken von Blutbeuteln.

Dieses Jahr im Sommer steht Thüringen übrigens wieder im Mittelpunkt der Sportberichterstattung, wenn in Erfurt der Gesamtsieger der Deutschland Tour gekürt wird.

News, News, News!

Diese Woche war auf und neben dem Sportplatz ganz schön viel los. Deshalb hier die News aus der Welt des Sports.

Handball: Deutsche Frauen erreichen Hauptrunde

25 Jahre ist es her, dass Deutschlands Handballdamen den letzten großen internationalen Titel gewinnen konnten – 1993 wurden sie Weltmeisterinnen. Mit dem gestrigen Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Tschechien (30:28) bewahrte sich die deutsche Nationalmannschaft die Chance auf den EM-Titel, um den es gerade in Frankreich geht. Nach dem furiosen Auftakt, als die deutsche Mannschaft direkt im ersten Spiel den Topfavoriten und siebenmaligen Europameister Norwegen besiegte, ist das Mindestziel Hauptrunde nun also geschafft. Dort warten neben Norwegen Nationen wie Spanien, die Niederlande und Ungarn.

Den deutschen Spielerinnen gelang es nun, zum vierten Mal in Folge die Hauptrunde einer Europameisterschaft zu erreichen. Die Mannschaft um Bundestrainer Henk Groener versucht außerdem, die Enttäuschung bei der Heim-WM letztes Jahr vergessen zu machen, als sie den 12. Platz belegten. Dies wird allerdings nicht sehr einfach, da sich die Mannschaft aufgrund diverser Rücktritte nach der WM auf junge Führungsspielerinnen verlassen muss.

EUROSPORT überträgt die Spiele der Handball-EM im Free-TV, das erste Spiel der Hauptrunde findet am Freitag (07.12.) um 18 Uhr gegen Spanien statt.

Turnen: US-Verband meldet Insolvenz an

Der US-Turnverband gab gestern auf seiner Internetseite bekannt, dass dieser Insolvenz anmelden musste. Der Schritt sei nötig gewesen, um weiterhin in der Lage zu sein, die US-TurnerInnen bestmöglich zu unterstützen und das Tagesgeschäft weiterzuführen. Außerdem könne man nur so den Schadensersatzansprüchen der Nassar-Überlebenden gerecht werden.

„Wir schulden es den Opfern ihre Ansprüche aufgrund der schrecklichen Taten der Vergangenheit vollständig und endgültig zum Abschluss zu bringen. […] Unser Sport ist dank des Mutes dieser Frauen sicherer und stärker. Der Insolvenzantrag und die beschleunigte Abwicklung dieser Ansprüche sind die ersten wichtigen Schritte, um das Vertrauen der Gemeinschaft zurückzugewinnen.“ (Kathryn Carson – Vorstandsvorsitzende US Gymnastics)

Der Insolvenzantrag von US Gymnastics ist nur eine weitere Konsequenz aus dem Larry Nassar-Missbrauchsskandal, nachdem das Nationale Olympische Komitee der USA bereits Schritte einleitete, dem US-Turnverband den Status als Dachorganisation abzuerkennen.

Feldhockey: WM in Indien

Derzeit findet im indischen Bhubaneswar die 14. Feldhockey-Weltmeisterschaft der Herren statt. Die deutsche Mannschaft setzte gestern schon ein erstes Ausrufezeichen, als sie die Niederlande, eine der Top-Favoriten, im zweiten Gruppenspiel mit 4:1 schlug. Davor gewann sie bereits gegen Rekord-Weltmeister Pakistan. Im dritten und letzten Gruppenspiel am Sonntag (09.12.,12:30 Uhr) wartet die Mannschaft aus Malaysia auf Deutschland. Trotz Platz sechs in der Weltrangliste gehört Deutschland zu den Titel-Favoriten – immerhin machten Deutschland, Australien und die Niederlande in den letzten zwanzig Jahren den Titel unter sich aus.

Eine Premiere feiert der neue Turniermodus, denn erstmals nehmen 16 Mannschaften an den Weltmeisterschaften teil. Im Gegensatz zu früher, als noch Platzierungsspiele über den Titel entschieden, werden die Mannschaften nun in vier Gruppen eingeteilt. Der jeweilige Erstplatzierte qualifiziert sich direkt für das Viertelfinale, die Zweit- und Drittplatzierten müssen in die sogenannten Überkreuzspiele (oder auch Achtelfinals). Der neue Modus soll für mehr Spannung von Beginn an sorgen.

DAZN überträgt alle Spiele live, im deutschen Free-TV sind die Spiele leider nicht zu sehen.

Leichtathletik: Russland bleibt gesperrt – neuer CEO bei IAAF – WM 2023 in Budapest

Das IAAF Council Meeting Anfang dieser Woche in Monaco war alles andere als ereignisarm. Der Beschluss, der wohl für die meisten Schlagzeilen sorgte, war die Aufrechterhaltung der Suspendierung Russlands. Der russische Leichtathletikverband RusAF erfülle nicht die Bedingungen, die die IAAF für eine Wiederaufnahme gestellt hat. Dazu gehört u.a. der Zugang zur Datenbank des Anti-Doping-Labors in Russland. Mit dieser Entscheidung stellt sich die IAAF gegen die Welt-Doping-Agentur WADA sowie das IOC, die die Suspendierung Russlands schon längst wieder aufgehoben haben. Für die russischen Athletinnen und Athleten bedeutet dies, zumindest bei der Hallen-EM nächstes Jahr in Glasgow als neutrale AthletInnen antreten zu müssen.

Außerdem fand ein Führungswechsel bei der IAAF statt. Der ehemalige britische Hürdensprinter Jon Ridgeon wird ab März 2019 Olivier Gers als CEO der IAAF ersetzen. Bislang war dieser bei CSM Sport and Entertainment tätig, dessen Vorstandsvorsitzender IAAF-Präsident Sebastian Coe ist. Der Franzose Olivier Gers gab den Posten bereits nach 18 Monaten wieder auf, da er nicht mit der zukünftigen kommerziellen Ausrichtung des Weltverbandes einverstanden war.

Des Weiteren wurde Budapest als Ausrichter der Leichtathletik-WM 2023 bekannt gegeben. Sie waren die einzigen Bewerber und wurden von Sebastian Coe favorisiert. 2019 findet die WM in Doha (Katar) statt, 2021 in „Tracktown“ Eugene (USA). Bei der jährlichen Jahresabschluss-Gala der IAAF wurde zudem die Dreispringerin Catherine Ibarguen zur Leichtathletin des Jahres und der Marathon-Weltrekordler Eliud Kipchoge zum Leichtathleten des Jahres ausgezeichnet.

Doping: Ines Geipel tritt zurück

Ein Paukenschlag am Dienstag: Ines Geipel tritt von ihrem Posten als Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfevereins zurück. Der Verein wurde 1999 gegründet und unterstützt seither die Opfer des DDR-Dopings. Nachfolger Geipels soll Rechtsanwalt Dr. Michael Lehner werden, einer der Gründungsmitglieder des Vereins. Grund für den Rücktritt sind die Turbulenzen der letzten Wochen. Es wurden Vorwürfe laut, dass Gutachten sowie die Opferzahlen geschönt worden wären. Auch der Führungsstil von Geipel wurde kritisiert. Um wieder Ruhe in den Verein zu bringen, zieht sich Geipel nun als Vorsitzende zurück. Dabei gab es erst vor zwei Wochen Grund zur Freude, als der Dopingopfer-Hilfefonds auf 13,65 Millionen Euro aufgestockt und die Antragsfrist auf den 31.12.2019 verlängert wurde.

Fußball: Missbrauchsvorwürfe gegen afghanischen Verband

Die FIFA hat Ermittlungen gegen den afghanischen Fußballverband AFF eingeleitet und reagiert somit auf Vorwürfe, dass Verbandsvertreter Nationalspielerinnen der afghanischen Mannschaft sexuell missbraucht und körperlich misshandelt haben sollen. Diese Vorwürfe betreffen auch den Präsidenten des Verbandes, Keramuddin Keram. Der AFF bestreitet diese Anschuldigungen vehement. Der Sponsor der afghanischen Nationalmannschaft zog dennoch schon erste Konsequenzen: Sportartikelhersteller Hummel stellte sein Engagement vorerst ein und forderte den Rücktritt von Keram.

Aufsehen erregten auch die Knebelverträge, die die Nationalspielerinnen Afghanistans unterschreiben sollten. Nationalspielerin Mina Ahmadi veröffentlichte einen Auszug eines solchen Vertrages bei Facebook. Aus dem geht hervor, dass die Spielerinnen bei allen öffentlichen Auftritten einen Hijab tragen müssen, außerdem wird ihnen der Kontakt zur Presse untersagt, solange dieser nicht vom Verband genehmigt ist. Die Kapitänin der Nationalmannschaft, Shabnam Mobarez‏, verweigerte ebenfalls ihre Unterschrift, da der Vertrag keine Regelung zur Bezahlung beinhaltete und ihr untersagte, Sponsoren außerhalb der Nationalmannschaft zu akquirieren. Seitdem wurden sie und einige andere Spielerinnen nicht mehr in die Nationalmannschaft berufen.

https://twitter.com/shabnammobarez/status/1064650291428102144

Boxen: Markus Beyer gestorben

Eine traurige Nachricht zu Beginn der Woche: Ex-Boxweltmeister Markus Beyer erlag am Montag (03.12.) im Alter von nur 47 Jahren einer Krebserkrankung. Beyer begann seine Karriere unter der Führung von Trainer Ulli Wegner in der DDR bei der SG Wismut Gera. 1988 wurde er Junioren-Europameister, 1992 sowie 1996 nahm er an den Olympischen Spielen teil. Nachdem er 1996 ins Profilager wechselte, gelang ihm das Kunststück, den WM-Titel im Supermittelgewicht dreimal zu gewinnen. 2008 musste er seine Karriere verletzungsbedingt beenden.

Fußball: EM 2021 in England

Am Montag gab die UEFA bekannt, dass die Fußball-EM der Frauen 2021 in England stattfinden wird. Das Mutterland des Frauenfußballs war allerdings der einzige Bewerber. Das Finale wird im Londoner Wembley Stadium ausgetragen, welches Platz für 90.000 Zuschauer hat. Andere Ausrichtungsorte sind Manchester, Sheffield, Southampton und Brighton.

Der Zuschlag für die EM 2021 bestätigt den englischen Verband in seinen Bemühungen der letzten Jahre, den Frauenfußball vermehrt zu fördern. So investierte die FA erst im Januar dieses Jahres 56 Millionen Euro für die nächsten sechs Jahre, die vor allem dem Nachwuchs zu Gute kommen sollen. Dass diese Maßnahmen Erfolg bringen, zeigt das gute Abschneiden der englischen Nationalmannschaft bei der EM 2017, als sie sich erst im Halbfinale den Niederlanden geschlagen geben musste. Auch die FA Women’s Super League erfreut sich immer größerer Beliebtheit sowohl bei Spielerinnen als auch bei Zuschauern.

Frauenfußball: Let’s Get Loud!

Im Vergleich zu den Herren, die ihre erste Weltmeisterschaft bereits 1930 ausspielen durften, ist das Turnier der Damen eine noch relativ junge Veranstaltung. Ihre WM-Premiere feierten sie erst 1991, dabei spielten Frauen zu diesem Zeitpunkt schon seit fast einem Jahrhundert Fußball.

Gewöhnlich gilt ja England als Mutterland des Herrenfußballs, doch auch der Frauenfußball hat dort seinen Ursprung. Zum Ende des 19. Jahrhunderts hin gründeten sich dort die ersten Damen-Mannschaften. Am berühmtesten waren die von Nettie Honeyball angeführten „British Ladies“, deren Spiele damals bis zu 10.000 Zuschauer ins Stadion lockten. Dem englischen Verband passte diese Begeisterung jedoch so gar nicht, so dass es männlichen Mannschaften ab 1902 verboten war, gegen Frauenmannschaften anzutreten. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erfuhr der Frauenfußball jedoch einen regelrechten Aufschwung. Männer fehlten an allen Ecken und Enden, weshalb Frauen in gesellschaftliche Bereiche vorstoßen konnten, die vorher für sie tabu waren. Dazu gehörte neben der Erwerbstätigkeit auch der Fußball. Vor allem als Ablenkung im Arbeitsalltag beliebt, entstand eine Reihe von weiblichen Werksmannschaften. Eines dieser Teams, die „Dick Kerr’s Ladies“, galt sogar als inoffizielle Nationalmannschaft Englands.

Frauenfußball: unästhetisch, wesensfremd und unladylike

1921 war der englische Frauenfußball an seinem Höhepunkt angelangt. Fußballerinnen spielten in rund 150 reinen Frauenmannschaften und gründeten sogar die „English Ladies Football Association“. Dies konnte den überraschend schnellen Zerfall des organisierten Frauenfußballs in England allerdings auch nicht aufhalten. Essentielle Voraussetzungen wie die Erwerbstätigkeit von Frauen und die damit zusammenhängende Förderung durch Firmen sowie Spielmöglichkeiten verloren immer mehr an Bedeutung, so dass das Zuschauerinteresse und damit auch das Ansehen des Frauenfußballs sank. Noch im selben Jahr fasste der von Männern dominierte, englische Verband einen radikalen Entschluss: im Oktober 1921 wurde Frauenfußball in ganz England komplett verboten. Als Grund führte man unter anderem an, dass Fußball einfach nicht geeignet sei für Frauen. Er sei in seiner Art zu roh, Fußball spielende Frauen sähen zudem unästhetisch aus. Außerdem berge Fußball eine zu hohe Verletzungsgefahr.

In Deutschland blieb der Frauenfußballboom nach dem Ersten Weltkrieg aus. Erst im Jahr 1930 gründete sich in Frankfurt der erste „Damen-Fußball-Club“. Die Zeit des Nationalsozialismus im Deutschland der 1930er und 1940er Jahre führte jedoch dazu, dass Frauenfußball ein Schattendasein fristete. Fußball spielende Frauen passten nicht in das vorherrschende Rollenbild, welches sich auf das Bild der Frau als Mutter beschränkte. Der Triumph der deutschen Herren-Nationalmannschaft bei der WM 1954 sorgte zwar für einen kleinen Aufschwung des Frauenfußballs hierzulande, wurde aber wieder direkt durch den DFB gebremst. Diesmal war es der DFB, der ein Verbot des Frauenfußballs aussprach.

„Das Fußballspiel als Spielform ist wesentlich eine Demonstration der Männlichkeit. […] Es ist noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen. […] Das Treten ist wohl spezifisch männlich, ob darum Getretenwerden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nicht-Treten weiblich!“ (Fred J. J. Buytendijk, Anthropologe, in einer Studie von 1953)

Fußball sei für Frauen wesensfremd, führte der DFB als Begründung für ein Verbot an. Sie seien im Gegensatz zu den Männern charakterlich nicht geeignet für das Fußballspielen. Genauso wie die Engländer argumentierte der DFB auch mit der Gesundheitsgefährdung der Frau.

Widerstand gegen den DFB

Die Fußballerinnen in Deutschland wollten sich mit einem Verbot ihrer Lieblingssportart jedoch nicht abfinden, weshalb in den 1960er Jahren trotz allem eine Reihe von Vereinen und Verbänden gegründet wurden. Dies führte zu einer Aufhebung des Frauenfußball-Verbots im Oktober 1970 durch den DFB. Zwar durften jetzt alle Vereine wieder eine Frauen-Fußballabteilung haben und den Spielbetrieb aufnehmen. Dass der DFB die Fußballerinnen aber immer noch nicht ernst nahm beziehungsweise ihnen die „rohe“ Sportart Fußball nicht zutraute, zeigen die irrwitzigen Regeln, innerhalb derer Frauen-fußballspiele ausgerichtet werden mussten: eine Halbzeit betrug nur dreißig Minuten, die Spiele durften aber sowieso nur bei guten Wetter und niemals in den Wintermonaten ausgetragen werden. Außerdem waren Jugendbälle Pflicht. Anfänglich wollte der DFB auch noch einen Brustschutz durchsetzen, scheiterte aber am Widerstand der Spielerinnen. Stattdessen mussten die Fußballerinnen auf Stollenschuhe verzichten.

Emanzipation des Frauenfußballs weltweit

Trotz des ganzen Spotts und der blöden Sprüche, der auf die Fußballerinnen einprasselte, erfreute sich Fußball unter Frauen einer großen Beliebtheit. Diese Entwicklung konnte auch der DFB nicht mehr aufhalten, so dass 1974 der erste offizielle deutsche Meister im Frauenfußball gekürt wurde. Daraufhin folgte 1980 die Einführung des DFB-Pokals und ab 1990 die Bundesliga – damals noch zweigleisig. Das erste offizielle Länderspiel der Frauen fand schließlich 1982 gegen die Schweiz statt.

In den 1980er Jahren emanzipierte sich der Frauenfußball immer mehr, auch international. Es gründeten sich weltweit nicht nur die ersten nationalen Verbände und Ligen, es wurden auch die ersten internationalen Wettbewerbe veranstaltet. Hongkong war bereits 1975 Austragungsort der ersten Asienmeisterschaften, an denen sechs Nationen teilnahmen. 16 Mannschaften waren dagegen 1984 bei der ersten Europameisterschaft der Frauen dabei, die Schweden für sich entscheiden konnte. Bis 1991 konnten alle Kontinente der Welt eigene Turniere oder Ligen vorweisen. Nur eine Weltmeisterschaft fehlte noch.

Die erste Weltmeisterschaft und die Angst vor herausfallenden Eierstöcken

Die Befürworter einer eigenen Weltmeisterschaft für die Frauen wurden immer lauter und stießen bei FIFA-Präsident Joao Havelange sogar auf offene Ohren. Die FIFA wollte jedoch kein Risiko eingehen, weshalb sie zuerst ein Einladungsturnier, einen Testlauf sozusagen, ausrichten ließ. Das Turnier 1988 in China, an dem zwölf Mannschaften teilnahmen und aus dem Norwegen als Sieger hervorging, war zur Überraschung vieler ein voller Erfolg.

Als Ausrichter des „1st FIFA World Championship for Women’s Football for the M&M Cup“ – Schuld an diesem sperrigen Namen war der Süßigkeitenhersteller und Hauptsponsor Mars Inc. – wurde abermals China ausgewählt. Doch wieso fiel die Wahl wieder auf China? Das hatte zum einen den Grund, dass China in Sachen Frauenfußball sehr ambitioniert und tonangebend in Asien war. Ausschlaggebender mag jedoch die anstehende Olympia-Bewerbung für die Sommerspiele 2000 gewesen sein. Um das IOC zu beeindrucken, versprachen die Organisatoren hohe Zuschauerzahlen und eine dementsprechende Stimmung. Mit durchschnittlich 19.000 Zuschauern pro Spiel erfüllten sie jegliche an sich selbst gestellte Erwartungen, auch wenn ein großer Teil dieser „Fans“ FabrikarbeiterInnen waren.

Am 16.11.1991 war es nun endlich soweit: in Guangzhou fand das Eröffnungsspiel zwischen Norwegen und Gastgeber China vor rund 65.000 Zuschauern statt. Gespielt wurde zweimal 40 Minuten, was nicht bei allen Spielerinnen gut ankam. So kommentierte April Heinreichs, Kapitänin der US-Mannschaft:

„Sie hatten Angst, dass unsere Eierstöcke herausfallen würden, wenn wir 90 Minuten spielen.“

Die USA wurden dann auch die ersten Weltmeister in der Geschichte des Frauenfußballs, als sie sich im Finale vor ca. 65.000 Zuschauern gegen Norwegen durchsetzten. Der große Erfolg des „M&M Cups“ war übrigens ein erheblicher Grund für die Aufnahme von Frauenfußball in das Programm der Olympischen Sommerspiele 1996 in Atlanta – 88 Jahre nach den Männern. Die Weltmeisterschaft 1995 in Schweden, diesmal auch unter dem bis heute bekannten Titel „FIFA Women’s World Cup“, fungierte folgerichtig auch als Qualifikationsturnier für das Turnier in Atlanta.

„Let’s Get Loud“ in den USA

Während die Zuschauerzahlen aus diversen Gründen bei der WM 1995 rückläufig waren, stellte das Turnier 1999 in den USA einen Wendepunkt in der Geschichte der Frauen-Fußballweltmeisterschaften dar. Die Voraussetzungen für einen vollen Erfolg stimmten von Anfang an. Der Frauenfußball in den USA war nach dem Olympia-Triumph der US-Mannschaft in Atlanta auf dem Höhepunkt. Außerdem entschied man sich, die Spiele in Stadien zu verlegen, die mit einer Kapazität von bis zu 80.000 Zuschauern überdurchschnittlich waren im Vergleich zum letzten Austragungsort Schweden. Dieses Risiko zahlte sich aus. So viele Menschen wie nie zuvor schauten sich die Spiele im Stadion – im Durchschnitt 37.000 Zuschauer – und auch im Fernsehen an. Der Titelgewinn der USA war das perfekte Ende eines Finales, welches bis heute den Rekord für die höchsten Einschaltquoten eines Frauenfußballspiels hält. Die US-Spielerinnen wurden für eine ganze Generation junger Mädchen zu Vorbildern, athletische und starke Frauenkörper waren für einen kurzen Moment nicht mehr verpönt. Verewigt wurde diese Fußballparty außerdem im dem Musikvideo zu Jennifer Lopez‘ Welthit „Let’s Get Loud“.

Nach Deutschland 2003 und 2007 sowie Japan 2011 erkämpfte sich das US-Team 2015 den WM-Titel zurück. Das Finale zwischen den USA und Japan war das meistgesehene Fußballspiel in den USA und erreichte mit einer Quote von 23 Millionen sogar mehr Zuschauer als die damaligen NBA Finals sowie der Stanley Cup. Weltweit verfolgten 750 Millionen Menschen das Turnier vor ihren Fernsehern.

Kampf für mehr Gerechtigkeit

Die immer größer werdende Beliebtheit des Frauenfußballs ermutigte viele Spielerinnen, um mehr Geld, aber vor allem um mehr Anerkennung zu kämpfen. Dies wurde schon im Vorfeld der WM 2015 deutlich, als eine Reihe von internationalen Spielerinnen die Turnierleitung heftig dafür kritisierten, anstatt eines Rasenplatzes – wie bei den Männern üblich – einen Kunstrasenplatz einzusetzen. Sie erwägten sogar einen Boykott, die FIFA erwies sich jedoch als ein zu mächtiger Gegner. Doch vor allem die US-Spielerinnen gaben nicht auf und drohten nach der WM mit einem Streik, sollten sie nicht das gleiche bezahlt bekommen wie die Männer, deren bestes Ergebnis bisher das Halbfinale bei der WM 1930 war.

Ähnliche Bestrebungen sowie Streiks von Spielerinnen gab es auch in Dänemark, die deswegen sogar ein WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden ausfallen ließen. Die EM-Finalistinnen erreichten so eine Gehaltserhöhung um 60 Prozent, sobald sie sich für ein großes Turnier qualifizierten. Der norwegische Verband ging sogar noch einen Schritt weiter. Die Nationalmannschaften der Frauen und Männern erhalten nämlich seit diesem Jahr nicht nur die gleichen Prämien, mit Lise Klaveness wurde weltweit die erste Frau zur Chefin einer männlichen Nationalmannschaft berufen. Davon sind die Argentinierinnen leider weit entfernt. Sie kämpfen derzeit noch für gleichberechtigte Trainings- und Reisebedingungen, von einer gerechten Bezahlung mal ganz abgesehen. Und Deutschland? Die deutschen Damen hätten im Fall eines Titelgewinns 2015 65.000 Euro pro Spielerin bekommen, die Männer 2018 dagegen 350.000 Euro (2014: 300.000 Euro). Für den Titelgewinn bei der EM letztes Jahr hätte der DFB sogar nur 37.500 Euro an die Frauen gezahlt. Erst ab Erreichen des Halbfinals hätten sie überhaupt nur eine Prämie bekommen.

„Kampf“ der FIFA für den Frauenfußball

Doch wie hält es die FIFA mit dem Preisgeld? Hier ein paar Fakten: Während die Herren-Nationalmannschaft Frankreichs 38 Millionen US-Dollar für ihren WM-Titel dieses Jahr bekamen, zahlte die FIFA 2015 eine Prämie in Höhe von zwei Millionen US-Dollar an die US-Damen aus. Insgesamt verteilte die FIFA bei der WM 2018 Prämien in Höhe von 400 Millionen US-Dollar an alle Teams. Das heißt, jedes Team hatte nur für die Teilnahme eine Prämie von acht Millionen US-Dollar sicher.

Nach ihrer Council-Sitzung in Ruanda Anfang November verkündete Präsident Gianni Infantino jedoch stolz, dass die FIFA im Zuge ihrer neuen Frauenfußball-Strategie das Preisgeld für die kommende Weltmeisterschaft der Frauen 2019 in Frankreich deutlich erhöht hätte. Anstatt 15 Millionen US-Dollar wie bisher werde das Preisgeld verdoppelt. Nächstes Jahr werden nun also 30 Millionen US-Dollar ausgezahlt, erstmals auch an alle 24 teilnehmenden Mannschaften. Der zukünftige Weltmeister erhält dann also vier Millionen US-Dollar. Außerdem werden nun zum ersten Mal zusätzliche 20 Millionen US-Dollar für die Teams zur Verfügung gestellt, um die Vorbereitungs- sowie Reisekosten (11,5 Mio. US-Dollar) zu decken und die Clubs für die Abstellung ihrer Spielerinnen (8,5 Mio. US-Dollar) zu kompensieren. Allein für letzteren Zweck erhalten die Clubs bei den Männern 209 Millionen US-Dollar.

Die Spielervereinigung FIFPro hatte dagegen nicht so recht Lust, in die Lobhudelei für die FIFA mit einzusteigen. Ihrer Meinung nach vergrößere sich der Lohnunterschied sogar, da die FIFA das Preisgeld für die Männer für die WM 2022 auf 440 Millionen US-Dollar erhöhe. Spielervereinigungen aus Australien, den USA, Norwegen sowie Schweden und Neuseeland übten ebenfalls heftige Kritik. Der Einsatz der FIFA für den Frauenfußball sei halbherzig und reiche bei weitem nicht aus.

Die FIFA räumt den Damen-Teams nun auch Privilegien ein, die die Herren schon seit jeher genießen durften. So bezahlt die FIFA ab der WM 2019 zwar nun auch Business Class-Flüge für die Spielerinnen und BetreuerInnen, jedoch nur, wenn die Anreisezeit mehr als vier Stunden beträgt. Bei den Herren bekommen im Vergleich alle Mannschaften sowie bis zu 50 Personen des Betreuerpersonals die Business Class gesponsert. Egal, ob sie nur eine Stunde oder eine halbe Weltreise bis zum Austragungsort brauchen. Apropos Austragungsort, die Hotelunterbringung an Spieltagen wurde ebenfalls angepasst. War es bisher so, dass die gegnerischen Frauen-Teams am Vorabend der Partie im selben Hotel übernachten mussten, sieht das ab der WM 2019 anders aus. Von nun an werden sie, wie bei den Herren üblich, in verschiedenen Hotels untergebracht. All diese Änderungen, Preisgelderhöhungen und Anpassungen sind jedoch nichts wert, wenn kaum jemand weiß, dass nächstes Jahr überhaupt eine WM ausgetragen wird.

WM 2019? Welche WM 2019?

Die Weltmeisterschaft nächstes Jahr in Frankreich findet vom 07. Juni bis 07. Juli statt, doch möchte man diese und mehr Infos auf der Homepage der FIFA in Erfahrung bringen, muss man lange suchen. Nicht nur, dass die FIFA während der Herren-WM in Russland kaum Werbung für die WM 2019 betrieben hat, selbst auf deren FIFA.com-Startseite lassen sich auf den ersten Blick kaum Hinweise auf das Turnier finden. Unter dem Reiter „FIFA Fußball-WM“ wird noch auf die Seite der Herren-WM in Russland verlinkt. Bisher ist auch noch nicht geklärt, ob der Videobeweis nächstes Jahr zum Einsatz kommt oder nicht. Die FIFA deutete schon an, dass es wahrscheinlich nicht möglich sei, die Schiedsrichterinnen rechtzeitig bis zur WM nächstes Jahr zu schulen. Dieses Argument wollen viele Spielerinnen und TrainerInnen verständlicherweise nicht gelten lassen und würden das Weglassen des VAR als weitere Diskriminierung des Frauenfußballs begreifen.

Das Finale des Copa America und des Gold Cup finden übrigens auch am 07. Juli 2019, dem Tag des WM-Finales, statt. So viel zum Thema Wertschätzung durch die FIFA.

Doping im Fußball: Fehlanzeige? Von wegen!

Doping im Fußball gibt es nicht, hat es auch nie gegeben. So will es der Fußball der breiten Masse zumindest verkaufen. Doping würde bei so einer auf Technik und Taktik ausgelegten Sportart ja auch überhaupt nichts bringen. Nur ein kleiner Blick in die Geschichte sowie auf verschiedene Studien und Statistiken lässt jedoch erahnen, wie weltfremd solche Aussagen sind. Wo Ausdauer, Kraft und Konzentration gefragt sind, ist Doping immer ein Thema. Deshalb anbei eine kleine Dopinggeschichte des Fußballs.

Gedopt zum WM-Titel?

Bundestrainer Sepp Herberger: Quelle: Wim van Rossem; Lizenz: CC0 1.0

Die „Helden von Bern“ schrieben mit ihrem Triumph bei der Weltmeisterschaft 1954 Geschichte, doch die Geschehnisse in der Halbzeitpause des WM-Finales werden wohl ewig ein Mysterium bleiben. Zu hartnäckig halten sich die Gerüchte über Doping beim Weltmeister, die bereits kurz nach dem Finale von Ferenc Puskás, damaliger Kapitän des deutschen Finalgegners Ungarn, angefeuert wurden. Dieser wunderte sich nämlich über die große Leistungssteigerung der deutschen Elf in der zweiten Halbzeit. Offiziell heißt es bis heute, dass den Spielern in der Halbzeitpause Vitamin C-Spritzen von Teamarzt Dr. Franz Loogen verabreicht wurden. Doch schon damals verdächtigte man die Deutschen, Amphetamine in Form von Pervitin gespritzt bekommen zu haben. Unüblich war dies zu jener Zeit zumindest nicht.

Dennoch steht fest: egal ob Vitamine oder Pervitin, die gesundheitlichen Folgen dieser medizinischen Behandlung waren, gelinde gesagt, unglücklich. Da es nicht genug Spritzen für alle gab, mussten sich die Spieler eine oder mehrere teilen und steckten sich auf diese Weise gegenseitig mit Hepatitis C an. Mindestens acht Spieler des deutschen Kaders mussten sich im November 1954 in Behandlung begeben. Drei Spieler, Richard Franz Herrmann (1962, 39 Jahre alt) sowie Karl Mai (1993, 64 Jahre alt) und Werner Liebrich (1995, 68 Jahre alt), starben frühzeitig an den Folgen der Hepatitis oder zumindest aufgrund von Leberleiden. Die Ungarn sollen sich übrigens auch während des WM-Finales mit Vitamin C aufgeputscht haben – allerdings in Tablettenform.

Auch bei der WM 1966, als Deutschland Vize-Weltmeister wurde, soll es Auffälligkeiten bei der deutschen Mannschaft gegeben haben. So belegen neu entdeckte Dokumente 2011, dass mindestens drei Spieler – die Namen sind allerdings nicht bekannt – mit Ephedrin gedopt gewesen sein sollen. Die FIFA, die 1965 erstmals Urinproben bei Weltmeisterschaften zustimmte, hielt diese brisanten Ergebnisse damals unter Verschluss.

Spritzen in den Hintern

Jean-Jacques Eydelie; Quelle: Christophe95; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Der Champions League-Titel von Olympique Marseille 1993 soll auch nicht mit sauberen Mitteln erkämpft worden sein. Dies berichtet zumindest der ehemalige Spieler Jean-Jacques Eydelie 2006 in seiner Autobiographie. Darin erzählt er, wie sich die Spieler unmittelbar vor dem Finale in der Kabine in eine Reihe aufstellen mussten, um sich Injektionen ins Gesäß setzen zu lassen. Was in den Spritzen war, weiß er allerdings bis heute nicht. Dass der damalige Vereinspräsident Bernard Tapie durchaus von diesen Vorgängen wusste, sogar die treibende Kraft dahinter war, davon spricht Eydelies Mannschaftskollege Marcel Desailly in seiner Autobiographie. So soll Tapie, der die Vorwürfe natürlich abstreitet, seinen Spielern die Arzneimittel persönlich in der Kabine vor Spielen in die Hand gedrückt haben. Eydelie nennt übrigens einen Spieler, der sich damals den Injektionen verweigert haben soll: Rudi Völler.

Die Schnupfnase des Diego Maradona

Diego Maradona; Quelle: El Gráfico; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Ernst Jean-Joseph aus Haiti und Diego Maradona sind bis heute die einzigen Spieler, die während einer Fußball-Weltmeisterschaft des Dopings überführt wurden. Beiden wurde die Stimulanz Ephedrin zum Verhängnis: Jean-Joseph bei der WM 1974 in Deutschland, Maradona 20 Jahre später in den USA. Maradonas Drogenmissbrauch war jedoch schon vorher ein Thema in der Klatschpresse. Spätestens seit seiner Zeit in Italien, als ein positiver Test auf Kokain 1991 dazu führte, dass der SSC Neapel seinen Vertrag auflöste, war sein Drogenkonsum ein offenes Geheimnis. Im weiteren Verlauf seines Lebens hatte Maradona immer wieder mit Drogen- und Gesundheitsproblemen zu kämpfen. Derzeit ist er Trainer des Al-Fujairah SC in der zweiten Liga der Vereinigten Arabischen Emirate.

Italiens Doping-Fluch

Welche verheerenden Spätfolgen Doping und Medikamentenmissbrauch haben kann, zeigt das Beispiel Italien, wo eine Reihe von Todesfällen und Krankheiten ehemalige Fußballer aufschreckt und sogar das Interesse der Staatsanwaltschaft weckte. Deren Untersuchung ergab schockierende Zahlen: Die heimtückische Nervenkrankheit ALS, Bauchspeichel-, Darm- und Leberkrebs kommen im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt bei italienischen Fußballern mindestens doppelt so oft vor. Insgesamt identifizierte die italienische Staatsanwaltschaft 70 verdächtige Todesfälle. Besonders betroffen sind ehemalige Spieler des AC Florenz, weshalb man schon vom „Fluch der Fiorentina“ spricht. Viele Spieler der 1960er und 1970er Jahre berichten von Amphetaminen und unbekannten Medikamenten, die ihnen unter anderem heimlich im Morgenkaffee verabreicht wurden.

Juves Doping-Apotheke

Alessandro del Piero; Quelle: sconosciuto; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Juventus Turin war die bestimmende Mannschaft der 1990er Jahre – national wie international – doch lag dies anscheinend nicht allein an dem fußballerischen Können seiner Spieler. Wie ein italienisches Gericht Anfang der 2000er feststellte, war Juventus‘ Apotheke so gut bestückt, dass sie „zur Versorgung einer mittleren Stadt ausgereicht hätte“. Des Weiteren ergaben Ermittlungen, dass beim mittlerweile 33-fachen italienischen Meister in den Jahren 1994 bis 1998 systematisches Doping betrieben wurde. Unter anderem mit EPO, worauf die Blutwerte einiger Top-Stars wie Zinedine Zidane, Alessandro del Piero oder Didier Deschamps, heutiger Nationaltrainer Frankreichs, hinwiesen. Trotz aller Beweise wurden die Verantwortlichen Turins freigesprochen und der Club durfte alle errungenen Titel behalten.

Die „Nandrolon-Epidemie“

Pep Guardiola; Quelle: Thomas Rodenbücher; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Anfang der 2000er Jahre gab es eine Reihe positiver Tests von Fußballern auf das Steroid Nandrolon. Betroffen davon waren u.a. die niederländischen Nationalspieler Frank de Boer, Edgar Davids und Jaap Stam, der franzözische Nationalspieler Christophe Dugarry, Portugals Nationalspieler Fernando Couto sowie Thomas Ziemer und der heutige Trainer-Guru Pep Guardiola. Alle sind entweder nur mit einer geringen Sperre oder einem Freispruch wegen Formfehler davongekommen. Fun Fact zu Thomas Ziemer: ihm wurde der bis dahin höchste jemals bei einem Menschen gemessene Wert für ein Anabolikum nachgewiesen.

Fuentes‘ exklusive Kunden

Xabi Alonso; Quelle: Football.ua; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Der Fuentes-Skandal erschütterte 2006 die gesamte Radsportwelt und beendete de facto Jan Ullrichs Karriere. Dass aber auch Fußballer, teilweise sogar ganze Fußballmannschaften, Kunden von Eufemiano Fuentes waren, ist kaum bekannt. Wie auch? Die spanische Justiz setzte alles daran, brisante Akten, die insbesondere den Fußball in ein schlechtes Licht rückten, unter Verschluss zu halten. Todesdrohungen gegen Fuentes selbst, sollte er über den Fußball auspacken wollen, taten ihr Übriges. Durchgesickert sind dennoch ein paar Details. So belieferte Fuentes den spanischen Verein Real Sociedad Sebastian von 1999 bis 2005 mit Dopingmitteln. Xabi Alonso, der dort bis 2004 spielte, erklärte jedoch, dass er niemals etwas von Doping mitbekommen habe. Die französische Zeitung Le Monde brachte außerdem den FC Barcelona, Real Madrid sowie FC Valencia und Betis Sevilla mit dem spanischen Doping-Guru in Verbindung.

Doping im deutschen Fußball

Günter Schlipper, Frank Mill, Peter Geyer, Johnny Rep – alle gaben Doping mit Amphetaminen oder Captagon während ihrer Karriere zu. Toni Schumacher beschrieb das Doping seiner Kollegen in seiner Autobiographie „Anpfiff“ von 1987 und musste mit den harten Konsequenzen leben. Paul Breitner und Dietmar Schatzschneider berichteten ebenfalls von Doping im Fußball, ohne sich allerdings selbst zu belasten. Dies sind nur einige Beispiele für die nicht unwesentliche Rolle des Dopings im deutschen Fußball. Des Weiteren fanden Sporthistoriker heraus, dass zumindest der VfB Stuttgart und SC Freiburg Ende der 1970er und Anfang 1980er Jahre regelmäßig mit Anabolika beliefert wurden. Lieferant war das Universitätsklinikum Freiburg, welches bis in die 2000er hinein das Doping-Epizentrum (West-) Deutschlands darstellte.

DDR: Doping auch für Fußballer

Das Staatsdopingsystem der DDR machte auch vor den Fußballern keinen Halt. Stasi-Akten belegen, dass ganze Mannschaften teilweise unwissentlich gedopt wurden. So bekamen die Spieler des DDR-Serienmeisters BFC Dynamo Amphetamine mit dem Ziel verabreicht, deren Aggressivität und Schnelligkeit zu steigern. Besonders vor wichtigen Spielen wie dem Europacup griff man zu dieser Maßnahme. Das Doping beschränkte sich jedoch nicht nur auf Amphetamine, sondern beinhaltete auch Steroide wie das Hausprodukt der DDR, Oral Turinabol. Der Dopingopfer-Hilfeverein, welcher sich seit Jahren um die Opfer des DDR-Staatsdopings kümmert, veröffentlichte erst dieses Jahr einen Schadensbericht, der eine Vielzahl schwerer Folgeschäden wie Depressionen, Krebs- und Lebererkrankungen beinhaltet. Betroffen seien Fußballer verschiedener Vereine, darunter des FC Carl Zeiss Jena oder Stahl Riesa.