Skispringen: Girls Can Jump

Die Olympischen Winterspiele von Pyeongchang sind nun seit mehr als einer Woche vorbei und die deutschen Skispringer und Skispringerinnen dürften mit großem Wohlwollen auf die zwei Wochen in Südkorea zurückblicken. Neben Andreas Wellinger mit einmal Gold und zweimal Silber glänzte auch Katharina Althaus mit ihrer Leistung von der Normalschanze, für die sie die Silbermedaille errang. Doch während sich die Herren in drei Wettbewerben beweisen konnten, blieb für die Damen nur der Wettbewerb auf der Normalschanze. Deswegen ist es nicht überraschend, dass die Forderungen nach mehr Wettbewerben auf Seiten der Frauen immer lauter werden.

Im Gegensatz zum Damen-Skispringen kann das Herren-Skispringen auf eine lange Tradition bei Olympischen Spielen zurückblicken. Bis 2014 war es neben der Nordischen Kombination sogar der einzig verbleibende reine Männer-Wettbewerb bei den Winter-spielen. Wie kam es also, dass die Skispringerinnen so lange auf ihre erste Olympia-Teilnahme (Sotschi 2014) warten mussten? Um diese Entwicklung zu verstehen, muss die Geschichte des (Damen-)Skispringens sowie die Rolle der Frau im Sport genauer betrachtet werden.

Deshalb zuerst ein paar allgemeine Fakten: Seinen Ursprung hat Ski-springen in Norwegen. Dort fand 1808 der erste aufgezeichnete Skisprung statt, als der Soldat Olaf Rye knapp 9,50 Meter weit von einem aufge-schütteten Schneehügel sprang. Skispringen war damals noch Teil eines Hindernislaufs – also Skilanglauf mit Sprunghindernissen – ab den 1860er Jahren wurden jedoch die ersten eigen-ständigen Wettbewerbe von den Schanzen ausgetragen. 1862 wagte schließlich zum ersten Mal mit der Norwegerin Ingrid Olsdatter Vestby auch eine Frau den Sprung von einer Skischanze. Bis Ende des 19. Jahrhunderts zogen diese ersten Wettkämpfe, an denen sogar regelmäßig Frauen teilnahmen, tausende Zuschauer in Norwegen, aber ebenso in anderen Teilen Europas, an. Europäische Einwanderer sorgten zudem dafür, dass sich der Skisport auch in den USA und Kanada etablieren konnte und dort eine gewisse Beliebtheit erlangte.

Männersache Skispringen

Speziell in Norwegen entwickelte sich der Skisport im Allgemeinen und Skispringen im Besonderen zur Männersache. Skispringen mache Jungs zu Männern, zeuge von Stärke, Männlichkeit sowie Härte und diene nicht nur der Perfektion des Körpers, sondern auch der Seele. Diese weit verbreitete Denkweise plus die zunehmende Professionalisierung des Wettkampfs durch Regularien und Schiedsrichter führte Anfang des 20. Jahrhunderts schrittweise zum Ausschluss der Springerinnen vom Wettkampfgeschehen. Es war aber auch nicht so, als ob Damen-Skispringen bis dahin im Mittelpunkt der männlich-dominierten Sportberichterstattung stand: die Sportlerinnen hatten mit einem Image zu kämpfen, das sie als unästhetisch, nicht ladylike und unmoralisch portraitierte. Allerdings hatten Frauen zu dieser Zeit sowieso einen schweren Stand im Sport.

Ein wesentlicher Grund war die damals weitverbreitete Weltanschauung des Vitalismus, auch bekannt als „Vital Energy Theory“. Diese Theorie besagte, dass Frauen mit weniger Lebensenergie als Männer geboren werden und sie diese knappen Energie-vorräte für die Pubertät, Menstruation sowie Fortpflanzung benötigen. Daher seien Bildung und Sport laut diesem patriarchalischen Rollenbild nicht erstrebenswert, da die Bestimmung einer Frau in Mutterschaft und Ehe liege. Außerdem wäre Sport körperlich und mental zu anstrengend, Frauen müssten unbedingt vor Verletzungen bewahrt werden. Besonders im Skispringen wurde die „Vital Energy Theory“ immer wieder von Medizinern herangezogen, um Frauen von der professionellen Ausübung dieser Sportart abzuhalten. Traf auch noch der Fall zu, dass Frauen vorher Kinder zur Welt gebracht hatten, war erstrecht vom Springen abzuraten. Der abstruse Grund: Durch die verringerten Energievorräte aufgrund der Anstrengung der Geburt würden die Muskeln geschwächt, die die Gebärmutter stützen. Die Sorge der männlichen Verantwortlichen über eine herausfallende Gebärmutter bei der Landung war einfach zu groß.

Alles außer Skispringen, bitte!

Das heißt aber nicht, dass es Anfang des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus keine ambitionierten Skispringerinnen gab. Obwohl die „fliegende Gräfin“ Paula von Lamberg in den 1910er Jahren oder die Norwegerinnen Johanne Kolstad und Hilda Braskerud in den Dreißigerjahren mindestens so weit sprangen wie ihre männlichen Kollegen, durften sie nur als Vorspringerinnen oder Pausen-unterhaltung im Begleitprogramm an deren Wettkämpfen teilnehmen. Als Zuschauerinnen oder Verantwortliche für die Pausenverpflegung waren sie jedoch gerne gesehen. Selbst in den 1920er und 1930er Jahren, als Frauen mehr und mehr Fuß in der Sportwelt fassten, konnte das Damen-Skispringen nicht davon profitieren. Zwar wurde jeder Frau das Sporttreiben zum Zweck der Gesundheitsförderung empfohlen, gemeint waren aber eher sogenannte Country Club-Sportarten wie Tennis, Gymnastik, Schwimmen, Golf oder Skilanglauf, die eher ruhig und „hübsch anzuschauen“ waren. Noch bis in die 1960er Jahre hinein wurde ernsthaft darüber debattiert, ob die Landung beim Skispringen eine Gefahr für die Fortpflanzungsorgane der Frau sei und zu Unfruchtbarkeit führen könne.

 „Eine Übersicht der Verletzungsdaten hat keine Beweise eines gesteigerten Risikos für akute oder chronische Schäden an den weiblichen Fortpflanzungsorganen ergeben […].“

Dies stellte die Medizinische Kommission des Internationalen Olympischen Komitees schließlich und schlussendlich im Jahr 2011 fest. Im selben Jahr wurde auch erstmals von der FIS ein Skisprung-Weltcup für die Damen veranstaltet, nachdem es bis in die späten 1990er Jahre hinein keine organisierten Damen-Wettkämpfe gab. Nur zwei engagierten Vätern ist es zu verdanken, dass von 1999 bis 2011 der Ladies Grand Prix auf der unteren Stufe eines Continental Cups stattfand. 2009 war es dann endlich so weit, die Springer-innen feierten ihre Premiere bei der 47. Nordischen Skiweltmeisterschaft im tschechischen Liberec.

Absage des IOC

Doch trotz eigenen Weltcups und WM-Teilnahme lehnte das IOC 2006 die Aufnahme des Damen-Skispringens ins Programm der Olympischen Spiele 2010 in Vancouver ab. Daran änderte auch 2009 die Klage vorm British Columbia Supreme Court von aktiven und ehemaligen Springerinnen aus fünf Nationen nichts. Die Begründung des IOC war nieder-schmetternd. Die Absage an die Springerinnen hätte nichts mit sexueller Diskriminierung zu tun, es würde einfach die sportliche Breite fehlen – zu wenige Teilnehmerinnen aus zu wenigen Nationen. Dabei traten 2006 83 Frauen aus 14 Nationen im Continental Cup an. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass zur gleichen Zeit Skicross in das Programm der Spiele in Vancouver aufgenommen wurde, deren Damen-Weltcup damals aus 30 Frauen aus 10 Nationen bestand. Grund hierfür war eine Regelung, die das IOC 1996 verabschiedete, und welche besagte, dass jede neue Sportart ab 1991 Frauen- und Männerwettbewerbe enthalten muss. Damen-Skispringen galt nur leider nicht mehr als neue Sportart, da Herren-Skispringen bereits seit 1924 olympisch war. Zwar sind zwei bereits ausgetragene Weltmeisterschaften und der Weltcup-Status ebenfalls Bedingungen für die Aufnahme ins olympische Programm. Dabei ist das IOC allerdings sehr wohl in der Lage, Ausnahmen gelten zu lassen: So wurden diese Kriterien für die Aufnahme des Marathon der Frauen 1984 oder den Skilanglauf der Frauen 1952 nicht berücksichtigt.

Eine Frage stellt sich jedoch: Wieso gestand man den Skispringerinnen erst so spät eine WM (2009) und einen Weltcup (2011-12) zu, wenn sie bereits 1998 offiziell an Junioren-Weltmeisterschaften teilnehmen durften? Die männlich-dominierte Fédération Internationale de Ski (FIS) erweckte den Eindruck, als ob sie die Entscheidungen über weitere Wettbewerbe über Jahre hinweg hinausgezögert hätten. Dies könnte unter anderem an altbekannten medizinischen Vorurteilen liegen, wie einige Aussagen von ranghohen Offiziellen nahe legen. So sagte Gian Franco Kasper, seinerseits seit 1998 FIS-Präsident, im Jahr 1997, dass „der Uterus der Springerinnen bei der Landung platzen“ könne. 2005 sorgte er sich öffentlich um die Gesundheit der Springerinnen, als er bezweifelte, ob rund eintausend Landungen im Jahr aus einer Höhe von ca. zwei Metern medizinisch angebracht wären für den weiblichen Körper. Andere Offizielle machten sich Gedanken über die Knochen- sowie Kniestruktur der Frauen, die angeblich fragiler wäre und deshalb leichter bei der Landung brechen könne. Auch die mentale Beschaffenheit der Springerinnen war ein Thema. Zu nervenschwach wären die Sportlerinnen, um von einer größeren Schanze als der Normalschanze zu springen. Zweifel am Leistungsvermögen waren ebenfalls weit verbreitet. Torbjorn Yggeseth, bis 2004 Vorsitzender Skispringen bei der FIS, äußerte die Meinung, dass ein Großteil der „little girls“ eher den Hang herunter schlittern würden als wirklich zu springen. Und auch Gian-Franco Kasper war skeptisch ob der Sprungkraft der Frauen. Apropos Kasper, er war 2006 übrigens der Einzige, der in einem FIS-Vorentscheid gegen die Aufnahme des Damen-Skispringens in das olympische Programm stimmte – bei 114 Stimmen dafür.

Drohender Imageverlust?

Böse Zungen behaupten, dass die FIS die guten Leistungen der Frauen in Wirklichkeit als Bedrohung für die Männerdomäne Skispringen wahrnahm. Vor allem deren leichter Körperbau galt aus sportmedizinischer Sicht als Vorteil, da er unter anderem einen besseren Schwerpunkt und ein niedrigeres Gewicht vorweisen konnte. Dieser Gewichts-vorteil war jedoch nicht lange von Dauer. Denn Anfang des Jahrtausends wurde aufgrund der besorgniserregenden Gewichtsentwicklung der Herren ein Mindest-BMI (2011: 21) eingeführt, von dem die Länge der Ski abhängt. Geringes Körpergewicht war demnach nicht mehr das Zünglein an der Waage. Doch springen die Herren im Vergleich zu den Damen wirklich so viel weiter? Die Antwort lautet nein. Es stimmt zwar, dass die Anläufe der Springerinnen gewichtsbedingt länger sind, die Weiten ähneln sich jedoch sehr. Erstes Beispiel: Stefan Kraft entschied im März 2017 in Oslo den Weltcup am Holmenkollen mit zwei Sprüngen auf 130m und 132m für sich, Yuki Ito dagegen sprang auf derselben Schanze mit Sprüngen auf 130m und 124m zum Sieg. Zweites Beispiel: Die Österreicherin Daniela Iraschko-Stolz stellte bereits 2003 einen Weltrekord von 200m auf der Skiflugschanze von Bad Mitterndorf auf und überwand somit die magische Grenze von 200m beim Skifliegen. Wenn also Frauen beim Skispringen die gleichen Leistungen wie Männer erbringen können, was würde dann noch vom männlichen Image des Skispringens als riskante und extreme Sportart übrig bleiben? Genau vor diesem Imageverlust soll sich die FIS gefürchtet haben.

Forderung nach mehr Wettkämpfen

Nichtsdestotrotz wurde das Damen-Skispringen 2011 dann schließlich doch vom IOC in das Programm für die Olympischen Winterspiele 2014 aufgenommen – jedoch nur mit einem Wettbewerb von der Normalschanze, den die Deutsche Carina Vogt für sich entscheiden konnte. Dies ist den Springerinnen bekanntlich zu wenig. Bereits letztes Jahr forderte Sarah Hendrickson, Weltmeisterin 2013 und Repräsentantin der FIS für Frauenskispringen, mehr Springen von der Großschanze, als sie im Deutschlandfunk sagte:

„Großschanze ist einfach für Zuschauer aufregender. Alle Frauen im Weltcup trainieren auf der Großschanze, es geht also nicht darum, dass wir das nicht können. Es geht einfach nur darum, dass sie es uns nicht erlauben. Ich glaube aber, wenn wir langsam mehr Großschanzen-Wettbewerbe bekommen, dann wird es auch mehr Zuschauer an den Fernsehbildschirmen geben und es wird mehr Begeisterung geben.“

Und auch der Bundestrainer der Frauen, Andreas Bauer, äußerte während der Olympischen Spiele 2018 in der Sportschau:

„Wir müssen uns für die nationalen Skiverbände interessant machen, um Gelder zu akquirieren. Das geht aber nur, wenn wir mehr Medaillen bei Großereignissen gewinnen können. Deshalb plädieren wir für einen zusätzlichen Großschanzenwettbewerb sowie für ein Teamspringen. Es gibt mittlerweile über zehn Nationen, die vier Springerinnen in den Wettkampf schicken, da soll es den Team-Wettbewerb auch geben.“

Der erste Teamwettbewerb fand in der Tat im Dezember 2017 in Hinterzarten (Deutschland) statt, zumindest auch der Mixed-Wettbewerb soll, wenn es nach der FIS geht, ab 2022 olympisch sein. Ferner gab Sarah Hendrickson im Deutschlandfunk zu bedenken, dass die Frauen nur ein Drittel von dem Preisgeld ausgezahlt bekommen, was die Männer verdienen, und im Vergleich außerdem weniger Wettkämpfe bestreiten dürfen. Tatsächlich liegt das Preisgeld für einen Sieg im Herren-Weltcup in der Saison 2017-18 bei 10.000 CHF, während die Frauen mit 3.000 CHF entlohnt werden. Und das bei zwölf Wettbewerben weniger.

Katharina Althaus | Quelle: Ailura; Lizenz: CC BY-SA 3.0 AT

„Vom Alter her wird’s noch gehen, dass ich das eventuell noch bei Olympia miterlebe. Wir werden dafür kämpfen und ich hoffe, das wird bald mal so weit sein“, antwortete Katharina Althaus während der Olympischen Spiele in Pyeongchang im Eurosport-Interview auf die Frage, ob sie noch einen Wettbewerb von der Großschanze bei Olympischen Spielen aktiv miterleben könnte. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist äußerst fraglich. Denn auch in der nächsten Weltcup-Saison stehen voraussichtlich nur jeweils ein Springen von der Großschanze sowie ein Team-wettbewerb auf dem Programm, bei der Weltmeisterschaft 2019 in Seefeld finden dementsprechend nur der Wettbewerb von der Normalschanze und das Mixed statt. Und zumindest für die nächsten Winterspiele sind auf Seiten der FIS und des IOC weder Wettbewerbe von der Großschanze noch im Team geplant. Wann Frauen und Männer also letztendlich bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften die gleiche Anzahl an Skisprung-Wettbewerben bestreiten werden und somit gleichberechtigt sind, ist mehr als offen.

Doch scheint zumindest auch bald die letzte Bastion des Herren-Wintersports zu fallen: die Nordische Kombination. Bereits für die nächsten Olympischen Winterspiele 2022 in Peking beantragt die FIS die Aufnahme der Nordischen Kombination für Frauen ins Wettkampfprogramm, nachdem Ende Januar 2018 erstmals ein Damen-Continental Cup im norwegischen Rena stattfand.

Das IOC und Doping: Konsequent inkonsequent

Die ersten Olympischen Winterspiele fanden 1924 in Chamonix statt, den ersten Dopingfall gab es allerdings erst 1972: Alois Schloder, ein deutscher Eishockeyspieler, wurde positiv auf die Stimulanz Ephedrin getestet. Bei den Spielen 2006 wurde fast die gesamte männliche Biathlon- und Langlaufmannschaft der Österreicher ausgeschlossen. Die Polizei fand damals bei einer Razzia Utensilien, die auf Blutdoping hinwiesen. Unvergessen auch der Fall der Evi Sachenbacher-Stehle, die wegen eines positiven Dopingbefundes (Methylhexanamin) von den Spielen in Sotschi 2014 ausgeschlossen und anschließend für sechs Monate gesperrt wurde.

Dass Doping bei Olympischen (Winter)Spielen keine Seltenheit ist, war also bereits vor den Enthüllungen über das russische Staatsdoping allseits bekannt. Weitere Beispiele gefällig? Das DDR-Staatsdoping, die zahlreichen positiven Nachtests der Sommerspiele 2008 und 2012 sowie die vielen weiteren Dopingfälle wie etwa der von Johan Mühlegg 2002 in Salt Lake City. Doch für das IOC scheinen diese Vorkommnisse stets eine ziemlich große Überraschung gewesen zu sein. Zumindest lässt dessen Umgang mit Russland keinen anderen Schluss zu.

Die Osaka-Regel

Nach dem halbherzigen Ausschluss Russlands für die Olympischen Spiele in Pyeongchang lag die Entscheidungsgewalt allein beim IOC, welche Sportler eingeladen werden und welche nicht. Ausschlaggebend sollten deren mögliche Verwicklung in das russische Staatsdoping und / oder andere vorangegangene Dopingvergehen sein. Bereits im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro kam es zu einer ähnlichen Situation.

Als damals die Sanktionierung Russlands an die Weltverbände weiterdelegiert wurde, versuchte das IOC, russische Athleten auszuschließen, die zuvor eine Dopingsperre verbüßt hatten. Dies scheiterte jedoch grandios und sozusagen mit „Ansage“. Denn schon 2011 urteilte der Internationale Sportsgerichthof CAS, dass die sogenannte Osaka-Regel auszusetzen sei. Die besagte nämlich, dass Athleten, die mindestens sechs Monate wegen eines Dopingvergehens gesperrt waren, nicht an den darauffolgenden Olympischen Spielen teilnehmen durften. Diese Regelung sei jedoch eine zweifache Bestrafung des Athleten und deshalb unrechtsmäßig, befand das CAS.

Aufgrund dieser Tatsache, die dem IOC vorher sehr wohl bewusst gewesen sein dürfte, konnte sich zum Beispiel die russische Schwimmerin Yulia Efimova trotz zweier Dopingvergehen vor dem CAS zu den Spielen nach Rio de Janeiro klagen, um dann mit zwei Silbermedaillen nach Hause fahren zu können. Zwei Jahre später sind die Voraussetzungen allerdings andere. Das IOC hat dieses Mal das Recht auf seiner Seite, da das Nationale Olympische Komitee Russlands suspendiert ist. Am Ende sind die Olympischen Spiele doch immer noch ein Einladungsturnier.

Die Fälle Denis Yuskov und Pavel Kulizhnikov

Insgesamt 49 russische Sportler dürfen nun also doch nicht an den Spielen in Pyeongchang teilnehmen, obwohl sie sich dafür formell qualifiziert hatten – einige wegen ihrer Verwicklung in das Staatsdopingsystem, andere ausschließlich aufgrund vergangener Dopingsperren. Zu Letzteren zählen die beiden Eisschnellläufer Denis Yuskov und Pavel Kulizhnikov: Denis Yuskov ist mehrfacher Weltmeister, wurde aber 2008 wegen Cannabismissbrauch für vier Jahre gesperrt. Und auch Pavel Kulizhnikov, ebenfalls mehrfacher Weltmeister, verbüßte bereits eine Dopingsperre von zwei Jahren. Beiden konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, vom russischen Dopingsystem profitiert zu haben, Denis Yuskov wurde sogar von diesen Vorwürfen freigesprochen. Dennoch wurde beiden die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Pyeongchang verwehrt. Dabei setzte das CAS 2011 genau diese Art der Bestrafung aus. Umgekehrt heißt dies aber nicht, dass nur Athleten und Athletinnen an den Wettkämpfen teilnehmen, die noch nie wegen Dopings aufgefallen sind. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Während es bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro mindestens 120 Teilnehmer mit nachgewiesenen Vergehen gegen Dopingbestimmungen waren, sind es bei diesen Spielen mindestens 14. Warum diese Sportler antreten dürfen, kann auch nur das IOC beantworten.

Hier sind sie:

Denise Herrmann (Biathlon)

Quelle: Wikijunkie, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die frühere Langläuferin wurde im September 2007 positiv auf Clenbuterol getestet und für ein Jahr gesperrt. Aufgrund ihres Jungen Alters, 18 Jahre, und dem Umstand, dass der Wirkstoff in dem Hustensaft Spasmo Mucosolvan enthalten war, verhängte der DSV eine vergleichsweise kurze Sperre. Nach Staffelbronze in Sotschi 2014 wechselte sie 2016 zum Biathlon und ist eine der Medaillenhoffnungen in der deutschen Mannschaft.

Artem Tyshchenko und Eva Tofalvi (Biathlon)

Der Ukrainer Artem Tyshchenko und Eva Tolfalvi aus Rumänien gehörten zu einer Reihe von Athletinnen und Athleten, denen Anfang des Jahres 2016 Meldonium, ein Herzmedikament, nachgewiesen werden konnte. Da Meldonium erst seit Januar 2016 auf der WADA-Verbotsliste steht und bisher noch nicht geklärt ist, wie lange der Abbau des Medikamentes im Körper dauert, wurde ein Großteil der positiv getesteten Sportler vorläufig freigesprochen. Dazu zählten auch Artem Tyshchenko und Eva Tofalvi.

Nadezhda Sergeeva (Bob)

Auch die russische Bobsportlerin Nadezhda Sergeeva wurde wegen eines Meldonium-Vergehens 2016 freigesprochen und darf nun als Olympische Athletin aus Russland in Pyeongchang starten. Sie nahm bereits in Sotschi teil und gewann die Silbermedaille im Zweierbob bei den Europameisterschaften 2017 in Winterberg.

Ekaterina Bobrova (Eiskunstlauf)

Quelle: Kremlin.ru, Lizenz: CC BY 4.0

Die russische Eistänzerin Ekaterina Bobrova, Goldmedaillengewinnerin im Team bei den letzten Olympischen Spielen in Sotschi, wurde ebenfalls positiv auf Meldonium getestet und verpasste deshalb mit ihrem Partner Dmitri Soloviev die Weltmeisterschaften 2016 in Boston. Die Internationale Eislaufunion (ISU) sprach sie jedoch wegen der geringen Konzentration von Meldonium im Blut frei. Sie startet als Olympische Athletin aus Russland bei den Spielen in Pyeongchang.

Carolina Kostner (Eiskunstlauf)

Carolina Kostner fiel weder durch einen positiven Dopingtest auf, noch konnte ihr in sonst einer Weise Doping nachgewiesen werden. Gesperrt wurde sie trotzdem für 21 Monate. Das Olympische Komitee Italiens belangte Kostner wegen Mitwisserschaft und Behinderung in einem Dopingfall, welcher ihren damaligen Lebensgefährten, den Olympiasieger im Gehen von 2008, Alex Schwazer betraf. Seit Anfang 2016 ist sie wieder startberechtigt und gilt trotz ihres für Eiskunstläuferinnen ungewöhnlich hohen Alters von 31 Jahren als Mitfavoritin.

Claudia Pechstein (Eisschnelllauf)

Quelle: Bjarte Hetland, Lizenz: CC BY 3.0

Komplizierter geht es kaum: Die deutsche Eisschnellläuferin wurde 2009 als eine der ersten Athleten aufgrund eines indirekten Nachweises von Blutdopings für zwei Jahre gesperrt. Claudia Pechstein kämpfte sich zwar beharrlich durch alle Instanzen, scheiterte aber mit ihrer Begründung, an einer Kugelzellenanämie zu leiden, und wurde von den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver ausgeschlossen. Ein halbes Dutzend Gerichtsverfahren später ist sie vom DOSB rehabilitiert, die ISU bleibt aber bei ihrem Urteil. 2017 gewann sie noch einmal WM-Silber und tritt nun mit 45 Jahren bei ihren siebten Olympischen Spielen an. Der DOSB schlug sie sogar als Fahnenträgerin vor – damit wäre sie nach dem Biathleten Peter Angerer die zweite deutsche Fahnenträgerin gewesen, die schon einmal wegen Dopings gesperrt war.

Judith Dannhauer (Eisschnelllauf)

Judith Dannhauer war 2012 unter ihrem Mädchennamen Hesse in eine Dopingaffäre verwickelt, die die dem Anti-Doping-Kampf die Grenzen aufzeigten. Im Mittelpunkt der Ermittlungen stand der Erfurter Sportmediziner und Olympiastützpunktarzt Andreas Franke, der seine Patienten einer Behandlung unterzog, die seit Januar 2011 auf der WADA-Verbotsliste stand: nämlich die UV-Bestrahlung von Blut. Obwohl Judith Dannhauer nachweislich Patientin von Andreas Franke war und diese Methode bei ihr angewandt wurde, wurde sie von der NADA freigesprochen. Laut Urteilsbegründung lag zwar ein Dopingvergehen vor, eine individuelle Schuld konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Zu Gute gehalten wurde Dannhauer, dass sie vom Verbandsarzt an Andreas Franke verwiesen wurde und dass Franke auf ihr mehrmaliges Nachfragen, ob diese Methode dem NADA-Code widerspräche, dies verneinte. Die Spiele in Pyeongchang sind ihre vierten.

Justyna Kowalczyk (Langlauf)

Die zweifache Olympia-Goldmedaillengewinnerin aus Polen wurde 2005 wegen eines positiven Tests auf Dexamethason, einem Glucocorticoid, für ein Jahr gesperrt. Die ursprüngliche Sperre von zwei Jahren wurde vom CAS verkürzt, da ihr keine absichtliche Leistungssteigerung nachgewiesen werden konnte. Aufmerksamkeit erregte sie während der Olympischen Spiele 2010 in Vancouver, als sie der norwegischen Mannschaft den übermäßigen Gebrauch von Asthmamitteln vorwarf.

 

 

Martin Johnsrud Sundby (Langlauf)

Martin Johnsrud Sundby, Langläufer aus Norwegen und mehrfacher Medaillengewinner bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften, wurde im Sommer 2016 für zwei Monate aus dem Verkehr gezogen, nachdem ihm die Einnahme des Asthmamittels Salbutamol nachgewiesen wurde. Die WADA legte aufgrund der kurzen Sperre Einspruch beim CAS ein, die zweimonatige Sperre wurde jedoch bestätigt. Der Begründung zufolge leide Sundby seit seiner Kindheit an Asthma und habe das Medikament nicht zum Zweck der Leistungssteigerung eingenommen. Der Gesamtsieg bei der Tour de Ski 2015 wurde ihm aber trotzdem aberkannt.

Semen Elistratov und Ekaterina Konstantinova (Shorttrack)

Quelle: Kremlin.ru, Lizenz: CC BY 4.0

Die beiden Shorttracker aus Russland wurden wie ihr Eisschnelllaufkollege Pavel Kulizhnikov Anfang 2016 positiv auf Meldonium getestet, durften aber wie im Dopingfall von Ekaterina Bobrova relativ schnell wieder an Wettkämpfen teilnehmen. Laut ISU konnte kein Nachweis erbracht werden, dass die Athleten das Herzmedikament auch noch nach Januar 2016 mit dem Zweck zur Leistungssteigerung einnahmen. Für Semen Elistratov sind es die dritten Olympischen Spiele, für Ekaterina Konstantinova die ersten. Beiden starten als Olympische Athleten aus Russland.

Thibaut Fauconnet (Shorttrack)

Dem Franzosen wurde der Gebrauch eines Nasensprays zum Verhängnis, in dem der Wirkstoff Tuaminoheptan enthalten war. Dies hatte zur Konsequenz, dass Fauconnet ab Dezember 2010 eine Sperre von 18 Monaten verbüßen musste. Er startet bei seinen dritten Olympischen Spielen.

Sanna Lüdi (Skicross)

Sanna Lüdi wurde 2015 für ein Jahr von allen Wettkämpfen ausgeschlossen, da sie in einem Zeitraum von 18 Monaten drei Dopingkontrollen verpasste. Sie erklärte diese Meldeverstöße mit ihren damaligen Verletzungen, auf deren Genesung sie sich voll und ganz konzentriert hätte und dabei die jeweiligen Meldepflichten aus den Augen verlor. Auch für sie ist es die dritte Teilnahme an Olympischen Spielen.