Technik-Doping in der Leichtathletik? Der Krieg der Schuhe

Der Leichtathletik-Weltverband IAAF – oh sorry, World Athletics natürlich – kommt einfach nicht mehr aus den Schlagzeilen heraus. Zuerst der Doping-Skandal um Russland, der Fall Caster Semenya und nun schließlich die Technik-Doping-Vorwürfe gegen Nike.

Eliud Kipchoge mit dem Alphafly (gefunden bei: Believe in the Run)

Eliud Kipchoge mit dem Alphafly (gefunden bei: Believe in the Run)

Als Eliud Kipchoge letzten Oktober als erster Mann in der Geschichte den Marathon unter zwei Stunden lief, hatte das nicht nur begeisterte Reaktionen zur Folge. Dies lag an den Laborbedingungen, unter welchen diese historische Leistung entstand. Dass dieser Lauf niemals als Weltrekord anerkannt werden würde, stand jedoch bereits vorher fest. Grund hierfür waren nicht nur die Streckenführung und die 41 abwechselnden Tempomacher, sondern auch die Wahl der Schuhe. Kipchoge trug nämlich mit dem Nike Air Zoom Alphafly NEXT% eine bis heute nicht auf dem Markt verfügbare Weiterentwicklung der ZoomX Vaporfly Next%-Serie. Zusammen mit dem Vorgängermodell Vaporfly 4%, mit dem er bereits im Oktober 2018 den offiziellen Marathon-Weltrekord brach, bilden diese Schuhe nun den Stein des Anstoßes in der Debatte um Technik-Doping in der Leichtathletik.

Seit Einführung dieser Nike-Modelle im Jahr 2016 purzeln die persönlichen Bestleistungen und Rekorde auf der Straße sowie der Bahn. Hierzu ein paar Fakten: einen Tag nach der sogenannten „Ineos 1:59 Challenge“ pulverisierte Brigid Kosgei beim Chicago-Marathon den 16 Jahre alten Weltrekord von Paula Radcliffe um 81 Sekunden und unterbot ihre eigene Bestleistung sogar um mehr als vier Minuten. Dabei trug sie ebenfalls einen Prototyp aus der Alphafly-Serie. Mit Vaporfly-Modellen waren dagegen die gesamte Top 10 der Männerkonkurrenz unterwegs. Überhaupt sind die fünfschnellsten Zeiten im Herren-Marathon in den letzten 13 Monaten von Athleten in Vaporfly-Modellen oder deren Weiterentwicklung gelaufen worden. Dies gilt ebenso für die 31 der 36 Podestplätze in den sechs zu den World Marathon Majors gehörenden Rennen. Bereits 2016 wurden die ersten drei Plätze beim Olympia-Marathon in diesen Schuhen errungen. Die Liste ist endlos.

Technik-Doping bei Nike?

Das Gefühl, wie auf einem Trampolin zu laufen – so beschreibt es der US-amerikanische Läufer Jake Riley nach dem Chicago Marathon. Dies kommt der Realität ziemlich nahe. Die Nike-Modelle bestechen durch eine dicke hintere Sohle, welche aus dem sogenannten ZoomX-Schaumstoff besteht, und verfügen über mindestens eine durchgehende Karbonfaserplatte, die wie eine Springfeder funktioniert. Bei den Alphafly-Modellen von Kosgei und Kipchoge treibt es Nike dabei auf die Spitze: nicht nur ist die Sohle noch dicker, sie haben darüber hinaus noch zwei zusätzliche Luftkissen im vorderen Teil der Sohle. Das hat eine enorme Kraftersparnis zur Folge. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie, die 2017 in der Fachzeitschrift „Sports Medicine“ veröffentlicht wurde. Danach verbesserte sich die Laufökonomie in Vaporflys um rund vier Prozent im Vergleich zu anderen beliebten Laufschuhen. In einer Sportart, bei der es um jede hundertstel Sekunde geht, sind dies bedeutende Unterschiede. Die „New York Times“ kam bei ihrer letztjährigen Untersuchung von rund einer Millionen Rennen – Halbmarathons und Marathons – zu einem ähnlichen Resultat. Demnach gingen 41 Prozent der Sub-3 Stunden-Ergebnisse auf das Konto von Läufer*innen, die sich entweder für die herkömmlichen Vaporfly 4% oder die Vaporfly Next%-Modelle entschieden.

Modell eines Nike Alphaflys

Modell eines Nike Alphaflys (gefunden bei: Believe in the Run)

Diese auffälligen Leistungssprünge, aber auch die Erfolgsserie von Nike-Athlet*innen sorgt für Kritik sowohl aus Sportler*innen- als auch Wissenschaftskreisen. Nike wird Technik-Doping vorgeworfen – also die Steigerung der Leistung durch technische Hilfsmittel – und das ausgerechnet in einer Sportart, in der der Körper im Mittelpunkt der Leistung stehen sollte. Eine Läuferin, die diese Diskussion Anfang Januar aus Athletensicht befeuerte, war Kara Goucher, die bereits 2015 als Whistleblowerin den Doping-Prozess gegen das Nike Oregon Projekt ins Rollen brachte. In einem Interview mit dem „Forbes Magazine“ bezeichnete sie sich selbst als wohl erste Athletin, die die Olympischen Spiele aufgrund der falschen Schuhwahl verpasste. Bei der nationalen Olympia-Qualifikation 2016 im Marathon belegte sie nur den vierten Platz – hinter den beiden Nike-Athletinnen Shalane Flanagan und Amy Cragg in Vaporflys sowie Des Linden. Nike streitet diese Vorwürfe natürlich ab. Die Schuhe würden nur für eine Kraftersparnis bei den Athlet*innen sorgen und nicht, wie bei Doping üblich, Energie hinzuführen.

Erinnerung an die Weltrekord-Ära im Schwimmen

Die Diskussion führen jedoch nicht nur „altmodische“ Puristen, die gegen jeglichen technischen Fortschritt sind und Läufer*innen am liebsten barfuß sehen wollen würden. Es wird auch der fehlende gleichberechtigte Zugang zu den Nike-Schuhen bemängelt. So sind Prototypen wie der Nike Air Zoom Alphafly NEXT% nur einem ausgewählten Kreis um Nike-Athlet*innen wie Kosgei oder Kipchoge vorbehalten – davon mal abgesehen, dass dieses Modell noch gar nicht mal offiziell auf dem Markt ist. Doch auch andere Sportartikelhersteller holen auf. Joyciline Jepkosgei, die Weltrekordlerin über die Halbmarathon-Strecke, blieb bei ihrem Marathon-Debüt im November 2019 in New York nur sieben Sekunden über dem Streckenrekord – auch dank des neuen Adidas-Schuhs adizero Pro, welcher als direkte Reaktion auf die Nike-Modelle zu verstehen ist. Auch der Weltrekord auf der 10-Kilometer-Strecke vom Januar 2020 geht auf Adidas‘ Konto. Dennoch fällt es anderen Sportausstattern im Wettlauf um den besten Schuh schwer, aufgrund der großen Anzahl von Nike-Patenten ein adäquates Konkurrenzprodukt auf den Markt zu bringen.

LZR Racer von Speedo (Quelle: Kathy Barnstorff / NASA)

Diese Materialschlacht erinnert an eine Zeit im Schwimmsport, als Speedo vor knapp zehn Jahren ebenfalls textiles bzw. Technik-Doping vorgeworfen wurde. Damals waren Ganzkörperschwimmanzüge en vogue, vorzugsweise Speedos LZR Racer, welcher die Haut von Haien imitieren und somit unter anderem die Durchblutung der Muskeln fördern sollte. Eine Flut von Weltrekorden zwischen 2008 und 2010 war die Folge: allein im ersten Monat nach der Einführung des Anzugs Anfang 2008 fielen 13 Weltrekorde, bis zum Verbot durch die FINA 2010 sollten es noch 130 werden. 98 Prozent aller bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking gewonnenen Medaillen wurden mit dem LZR Racer. Wie nun im Fall der Nike-Schuhe regte sich Unmut unter den Schwimmer*innen, die keinen Zugang zu den Wunderanzügen hatten – entweder weil sie durch Verträge an andere Sponsoren gebunden waren oder weil sie sich die 550 US-Dollar für einen Anzug, den man nur ungefähr zehnmal tragen konnte, einfach nicht leisten konnten oder wollten. Dies und die darauffolgende Materialschlacht zwischen den Sportausstattern sorgte nach reichlich Zögern auf Seite der FINA für ein endgültiges Verbot 2010.

Forderung nach einem Verbot

Nike ZoomX Vaporfly NEXT% (Quelle: Marco Verch; Lizenz: CC BY 2.0)

Solch ein Verbot fordern nun auch die Gegner der Nike-Schuhe vom Leichtathletik-Weltverband. Dieser reagierte zwar nicht so drastisch wie die FINA, stellte aber Ende Januar zumindest neue Regularien auf. So dürfen die Sohlen von nun an nicht mehr dicker als 40 Millimeter sein, bei sogenannten Spikes sogar nur 30 Millimeter. Außerdem ist nur noch eine Karbonfaserplatte im Schuh erlaubt. Der wichtigste Punkt betrifft jedoch die Verfügbarkeit des Schuhs. So müssen alle Schuhe, die im Wettkampf getragen werden, bereits mindestens vier Monate im Handel erhältlich gewesen sein. Diese Regel tritt am 30.04.2020 in Kraft, also pünktlich zu den Olympischen Spielen im August. Zufällig erfüllen Nikes Schuhe all diese Kriterien, allen voran deren  neues Modell, der Air Zoom Alphafly NEXT%: er kommt nicht nur passenderweise im März auf dem Markt, sondern er entspricht mit einer Sohlendicke von 39,5 Millimeter gerade so den neuen Regularien. Diese für Nike glückliche Fügung und deren enge Geschäftsbeziehung zum World Athletics-Präsidenten Sebastian Coe veranlasst viele Kritiker, an der Neutralität des Weltverbandes zu zweifeln.

Ob diese neuen technischen Weiterentwicklungen der Schuhe nun als Technik-Doping zu bezeichnen sind oder auch nicht, es lassen sich auf jeden Fall Parallelen zum „herkömmlichen“ Doping ziehen. Leistungen werden hinterfragt, der erste Blick ist inzwischen immer erst der auf die Schuhe und der Zweifel läuft immer mit. So auch in der aktuellen Hallensaison, die in vollem Gange ist. Die Schottin Jemma Reekie bricht auf der Mittelstrecke Rekord nach Rekord und steigerte ihre persönlichen Bestzeiten jeweils um einige Sekunden. Bisher ein No Name im Seniorenbereich werden Zweifel laut, ob ihre enorme Leistungssteigerung nur auf ihr ohne Frage großes Talent zurückzuführen ist oder ob nicht auch ihre Schuhe, ebenfalls ein Prototyp von Nike, einen erheblichen Anteil daran haben. Das gleiche gilt für die US-Amerikanerin Elle Purrier, die im New Balance FuelCell 5280 ihre persönliche Bestleistung über die Meile um acht Sekunden verbesserte und damit den 37 Jahre alten US-amerikanischen Hallenrekord verbesserte.

Befürworter der neuen Modelle verweisen auf technische Weiterentwicklungen wie etwa die Einführung der Kunststoffbahn, welche ebenfalls zu Leistungssteigerungen führten. Diese Veränderungen galten damals jedoch für alle Athlet*innen gleichermaßen. Ob dies hier der Fall ist, bleibt fraglich. Eins steht nur fest: sollte der Leichtathletik-Weltverband nicht härter durchgreifen oder für Bedingungen für alle sorgen, wird der Verdacht des Technik-Dopings in Hinblick auf die Olympischen Spiele in Tokio bei jeder Topleistung der Elefant im Raum sein.

Leichtathletik-WM: Tag 6 und 7!

Was soll man sagen? Da ist sie dann doch, die erste Goldmedaille für die deutsche Mannschaft bei der Leichtathletik-WM. Und mit dieser haben wohl die wenigsten gerechnet.

Was war geschehen?

Es gibt einen neuen König der Leichtathletik, und dessen Name lautet Niklas Kaul. Mit 21 Jahren ist er nicht nur der jüngste Weltmeister im Zehnkampf, sondern auch der erste Gesamtdeutsche – ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit. Die Bahn für Kaul war frei, nachdem etliche Favoriten – darunter der Weltrekordler Kevin Mayer –  entweder verletzt aufgeben mussten oder ihre Nerven nicht unter Kontrolle hatten. Was für ein Zehnkampf.

Etwas weniger dramatisch, aber dafür nicht weniger spannend war der Siebenkampf. Nach Jahren der Dominanz durch Nafi Thiam konnte sich schließlich Katarina Johnson-Thompson die Krone aufsetzen. Die Britin galt schon lange als Top-Talent, konnte aber nie so richtig die hohen Erwartungen erfüllen. Erst ein Ortswechsel sorgte für den gewünschten Erfolg: seit 2016 trainiert sie zusammen mit Kevin Mayer in Montpellier. Bereits letztes Jahr konnte sie die Silbermedaille bei der EM in Berlin gewinnen. Damals noch hinter Thiam.

Christina Schwanitz kann dank gestern nun einen vollständigen WM-Medaillensatz ihr eigen nennen. Mit einem wuchtigen Stoß auf 19,17 Meter gewann sie Bronze hinter der Chinesin Gong und der Jamaikanerin Thomas-Dodd. Erst 2017 brachte Schwanitz Zwillinge zur Welt, um dann direkt bei der EM in Berlin letztes Jahr den 2. Platz zu erreichen. Das 15-Euro-Bier hat sie sich auf jeden Fall verdient.

Historisches geschah ebenfalls im 400m-Finale der Frauen. Salwa Eid Naser setzte sich gegen die Top-Favoritin Shaunae Miller-Uibo durch. Und das in einer Wahnsinns-Zeit: 48,14 Sekunden bedeuteten die drittschnellste Zeit, die je über die 400m gelaufen wurden. Schneller waren nur Marita Koch aus der ehemaligen DDR und die Tschechin Jamila Kratochvilova in den 1980er Jahren – deren Leistungen gelten jedoch als doping-belastet. Als erster Britin seit 36 Jahren gelang Dina Asher-Smith der Gold-Coup über die 200m. Nachdem sie bereits in Berlin letztes Jahr Doppel-Europameisterin wurde, sprintete sie vorgestern 21,88 Sekunden zu einem britischen Rekord.

Kurioses in Doha

Die IAAF zeigte sich gestern zweimal von ihrer gnädigen Seite, als sie sowohl Orlando Ortega als auch Wojciech Nowicki je nachträglich eine Bronzemedaille zusprach. Doch was war geschehen? Das 110m Hürden-Finale endete am Mittwoch spektakulär. Mit Grant Holloway, der die Leichtathletik zugunsten einer NFL-Karriere vorzog, gab es einen Überraschungs-Weltmeister. Dies lag aber auch daran, dass Top-Favorit und Titelverteidiger Omar McLeod stürzte und dabei Orlando Ortega mit sich zog. Letzterer war bis dahin auf dem Weg zu einer sicheren Medaille. Nach Silber bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro und Bronze bei der EM 2018 kann Ortega nun auch seine erste WM-Medaille verbuchen.

Die Bronzemedaille im Hammerwurf kann Wojciech Nowicki dem Protest seiner Mannschaftsführung verdanken. Die bemängelte den ersten Wurf vom Drittplatzierten Bence Halasz. Zwar gab die IAAF den Polen Recht, wollte dem Ungarn jedoch die Medaille nicht wieder aberkennen. So gibt es nun im Hammerwurf zwei Bronzemedaillen-Gewinner.

Fragwürdige Trainerwahl

Die Kugelstoß-Weltmeisterin Gong Lijiao wurde zumindest bis 2017 von Dieter Kollark trainiert – langjähriger Trainer in der ehemaligen DDR, dem bis heute nicht nur Doping von Minderjährigen vorgeworfen wird, sondern der auch bis zum Fall der Mauer Stasi-Spitzel war. Und auch die Diskuswerferin Claudine Vita nimmt die Dienste von Kollark in Neubrandenburg in Ansprüche. Es ist eine Schande, dass diese DDR-Täter immer noch eine Rolle im heutigen Sport spielen dürfen.

Dopingland Marokko?

Die Sportschau berichtete gestern in einem Dreißigminüter über Doping in Marokko, welches auch den französischen Verband und den Europameister über 10.000m, Mourad Amdouni, betrifft:

Wer war mal gedopt?

Der Franzose Quentin Bigot galt als großes Hammerwurf-Talent, als man in seiner Dopingprobe 2014 Stanozolol fand. Anschließend wurde er vier Jahre gesperrt, zwei davon auf Bewährung. Ihm kam zu Gute, dass er umfangreich über die Hintermänner seines Dopingfalls auspackte. So beschuldigte er zum Beispiel seinen Trainer Raphaël Piolanti, Frankreichs Trainer des Jahres 2013, von ihm zum Doping angestiftet worden zu sein. Dieser wurde 2018 zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt, überdies ist er lebenslang gesperrt. Bigot gewann gestern WM-Silber.

Die Vorschau auf Tag 8

Aus deutscher Sicht steht heute sicherlich das Diskus-Finale der Frauen im Fokus. Mit Nadine Müller, Claudine Vita und Kristin Pudenz haben es alle deutschen Werferinnen in den Endkampf geschafft. Mit ganz viel Glück hat Müller sogar eine Medaillenchance. Gespannt sein darf man auch auf die Vorläufe der 4x100m Staffel der Frauen sein, da die deutsche Staffel die Weltjahresliste anführt. Allerdings fehlt mit Tatiana Pinto einer der Leistungsträgerinnen der Mannschaft.

Leichtathletik-WM: Tag 5!

Enttäuschung und Freude liegen manchmal so nah beieinander. So wie bei den beiden vierten Plätzen für die deutsche Mannschaft gestern Abend.

Was war geschehen?

Christin Hussong

Quelle: Ailura, Lizenz: CC BY-SA 3.0 AT

Obwohl es die beste Platzierung war, die ihr je bei einer Weltmeisterschaft gelang, konnte Christin Hussong im ARD-Interview ihre Enttäuschung nicht verbergen. Aber wer kann es ihr verübeln? Fünf Versuche lang lag sie im Speerwurf-Finale auf einem Medaillenplatz, bis die Australierin Kelsey-Lee Barber einen Wurf raushaute, der sie von Platz 4 auf den 1. Platz katapultierte. Die Chinesinnen, die bis dahin auf den ersten beiden Plätzen lagen, konnten nicht nachlegen. Und so war Barber, die sich kaum für das Finale qualifizieren konnte, auf einmal Weltmeisterin und Hussong auf Platz 4 zurückgefallen.

In einer anderen Gefühlswelt fand sich wohl Bo Kanda Lita Baere wieder, der bei seiner ersten WM-Teilnahme überraschend den 4. Platz im Stabhochsprung-Finale belegte. Dafür reichte eine übersprungene Höhe von 5,70 Meter. Die Medaillen machten dann Piotr Lisek, Armand Duplantis und Sam Kendricks unter sich aus. Am Ende gelang Kendricks gerade so die Titelverteidigung. Zwar überquerten sowohl er als auch Duplantis die 5,97 Meter, Letzterer hatte aber einen Fehlversuch zu viel auf seinem Konto. Was dem Wettkampf an erwarteten Höhen fehlte, machten die Athleten durch Spannung wieder wett.

Noah Lyles

Quelle: jenaragon94, Lizenz: CC BY 2.0

Was war sonst noch los? Noah Lyles gewann erwartungsgemäß die 200m, allerdings artete es mehr in Arbeit aus als er vorher wohl dachte. Den 4. Platz belegte der Brite Adam Gemili, der einem nur leidtun konnte. Noch überraschend und enttäuscht im 100m-Halbfinale ausgeschieden, zeigte er sich über die doppelte Distanz in starker Form. So sah er nach der Kurve wie ein sicherer Medaillenkandidat aus, ließ sich auf der Zielgeraden dann aber von Andre de Grasse und dem Ecuadorianer Alex Quiñónez abkochen. Bei den Frauen schieden alle drei deutschen Teilnehmerinnen im Halbfinale aus. Besonders ärgerlich ist dabei die Verletzung von Tatiana Pinto, die damit für die Sprintstaffel am Freitag und Samstag fraglich ist.

Neuer Weltmeister über die 800m ist Donovan Brazier. Der US-Amerikaner und Salazar-Schützling ließ sich von der gestern verkündeten Doping-Sperre seines Trainers anscheinend nicht aus der Fassung bringen, denn er siegte überlegen mit Meisterschafts- und US-Rekord. Die bisherigen Rekorde stammten aus dem Jahr 1987 bzw. 1985. Es stand allerdings schon vor dem Finale fest, dass es einen neuen Titelträger geben würde: keiner der Teilnehmer des WM-Finals 2017 konnte sich für das gestrige Rennen qualifizieren.

Gedopt? Ich?

Piotr Lisek, Gewinner der Bronzemedaille gestern im Stabhochsprung, war 2012 sechs Monate gesperrt. In seiner Dopingprobe von den polnischen Meisterschaften konnte die Stimulanz Methylhexanamin nachgewiesen werden. Er gab an, dass diese Substanz in einem Energydrink enthalten war, so dass die Sperre auf sechs Monate reduziert wurde.

Von Mai 2013 bis Mai 2014 war Lyu Huihui wegen einer Dopingsperre von jeglichen Wettkämpfen ausgeschlossen. Bei der Chinesin fand man das Diuretikum Hydrochlorothiazid. Gestern gewann sie die Bronzemedaille im Speerwurf.

Kristjan Pars ist zwar gestern in der Hammerwurf-Qualifikation ausgeschieden, aber als Olympiasieger von 2012 doch von Interesse. Er kehrt gerade wieder von einer Dopingsperre zurück, die im April letzten Jahres ausgesprochen wurde. Um welche Substanz es sich handelte, ist bis heute nicht bekannt. Er war für anderthalb Jahre gesperrt.

Neues von der IAAF

Internationale TV-Zeiten, der Beginn der Arbeitswoche und die politische Blockade Katars: das sind laut Organisationskomitee und Leichtathletik-Weltverband die Gründe für die desolaten Zuschauerzahlen im Khalifa International Stadium in Doha. Laut IAAF-Generalsekretär Jon Ridgeon seien die politischen Umstände bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2014 noch ganz andere gewesen. Heutzutage sei Katar im Mittleren Osten isoliert. Womit er ja nicht ganz Unrecht hat. Dennoch haben zumindest Bahrain und Saudi Arabien Sportler nach Doha geschickt.

Außerdem seien vor allem die Mittel- und Langstrecken bei den Zuschauern, welche hauptsächlich aus den afrikanischen Staaten kommen, beliebt. Und diese finden nun mal früher am Abend statt. Die Stimmung beim 5.000m-Finale der Herren am Montag war zum Beispiel ganz gut. Eine kleine Gruppe von Zuschauern machte kräftig Party. Dennoch konnte es nicht darüber hinweg täuschen, dass das Stadion fast leer war. Dies belegen auch die Zuschauerzahlen. Am Freitag und Samstag sollen ungefähr 11.000 Besucher die Wettkämpfe live miterlebt haben, den Tag darauf aber schon nicht mal mehr 8.000.

Die Leistungen der Sportler scheinen diese Zahlen aber nicht zu beeinflussen. Das Niveau der Wettkämpfe ist – zumindest innerhalb des Stadions – sehr hoch. Auch wenn bisher „nur“ ein Weltrekord erzielt wurde, fielen schon etliche nationale und kontinentale Bestmarken. Und das scheint auch das deutsche Publikum zu begeistern. Gestern begleiteten 5,20 Millionen Zuschauer das Wettkampfgeschehen am Fernseher. Damit holte sich die ARD den Tagessieg in der Primetime.

2 % sind zu wenig – Trainerinnen in der Leichtathletik

Gestern saß beim Stabhochsprung-Finale mit Christine Adams eine Frau als leitende Disziplin-Bundestrainerin auf der Tribüne. Man könnte jetzt denken: ja, und? Beschäftigt man sich jedoch intensiver mit der Leichtathletik (oder jeder anderen Sportart), merkt man schnell, wie rar gesät bis heute Trainerinnen sind. Von 37 BundestrainerInnen sind gerade einmal vier weiblich, und zwar die bereits genannte Christine Adams, Kathrin Dörre-Heinig (Marathon) sowie Brigitte Kurschilgen (Hochsprung) und Claudia Marx (400m Frauen). Glaubt  man dem Female Coaching Network liegt der Anteil von Trainerinnen bei der Leichtathletik-WM nur bei zwei Prozent. Auch wenn es nur eine Schätzung ihrerseits ist, erscheint diese Zahl doch sehr wahrscheinlich. Doch woran liegt das? Die Hauptgründe werden wohl wie so oft die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die schlechte Bezahlung sein.

https://twitter.com/FemaleCN/status/1177568576041029633

Das ist sehr schade, denn viele Beispiele zeigen, dass Trainerinnen ihrem männlichen Pendant in nichts nachstehen. Die nun so oft genannte Christine Adams trainiert zum Beispiel Bo Kanda Lita Baere. Caryl Gilbert-Smith führte Rai Benjamin zu einer Silbermedaille über die 400m Hürden, über die gleiche Distanz ist Joanna Hayes‘ Schützling Sydney McLaughlin eine heiße Medaillenanwärterin. Silber im Hochsprung gewann auch Yaroslava Mahuchikh unter der Leitung von Tetyana Stepanova. Erfolgreicher war nur Svetlana Abramova mit ihrem Schützling Anzhelika Sidorova – Gold im Stabhochsprung.

Die Vorschau auf Tag 6

Kai Kazmirek

Quelle: Samuel Blanck, Lizenz: CC0 1.0

Alle Augen werden heute auf Konstanze Klosterhalfen gerichtet sein, die sich im 5.000 Meter-Vorlauf für das Finale qualifizieren möchte. Man darf gespannt sein, wie sie den Fragen, die hoffentlich kommen werden, im Anschluss begegnen wird. Ansonsten ist heute der Tag der Mehrkämpfer. Bei dieser Leichtathletik-Weltmeisterschaft werden der Zehn- und Siebenkampf zeitgleich ausgetragen. So möchte die IAAF die Aufmerksamkeit noch mehr auf diese Disziplinen lenken. In Deutschland wird der Fokus dagegen hauptsächlich auf dem Zehnkampf liegen, da im Siebenkampf keine deutsche Starterin dabei ist. Mit Niklas Kaul und Kai Kazmirek sind dagegen aussichtsreiche Kandidaten am Start. Allerdings müssen die MehrkämpferInnen ihre Wettkämpfe in komprimierter Form austragen, da es ja keine Vormittags-Sessions gibt. Fünf Disziplinen innerhalb von sieben Stunden. Klingt nicht nach Spaß.

Es steht außerdem eine Reihe von Qualifikations-Wettbewerben an. Über die 1.500m versucht Caterina Granz, das Halbfinale zu erreichen. Die Kugelstoßerinnen um Christina Schwanitz, Sara Gambetta und Alina Kenzel sind ebenfalls im Einsatz. Zumindest Schwanitz sollte keine Probleme mit der Quali-Weite von 18,40 Metern haben. Ein Trio tritt auch im Diskusring an. Mit Nadine Müller, Claudine Vita und Kristin Pudenz haben alle von ihnen gute Chancen auf das Finale.

Die Sprint-Wettbewerbe legen auch keine Pause ein. Sowohl das 200m-Finale der Frauen (Dina Asher-Smith!) als auch das Finale über die 110m Hürden (Omar McLeod!) finden heute Abend statt. Im Hammerwurf-Finale ist leider kein Deutscher vertreten. Die beiden Führenden der Qualifikation, Wojciech Nowicki und Pawel Fajdek, werden übrigens von zwei Frauen trainiert.

Leichtathletik-WM: Tag 4!

Gestern gab es die erste Medaille für die deutsche Mannschaft, heute werden die Nachrichten um das Nike Oregon Project das Leichtathletik-Geschehen bestimmen. Doch bevor sich Sport.Politik ebenfalls mit diesem Thema beschäftigt, gibt es hier erstmal einen Rückblick auf die gestrigen Wettkämpfe.

Was war los?

Der Moment des Abends war aus deutscher Sicht natürlich die Bronzemedaille von Gesa Felicitas Krause über 3.000m Hindernis. Nach persönlicher Bestleistung und deutschem Rekord war es deshalb auch nicht großartig verwunderlich, dass Krauses Trainer Wolfgang Heinig abends Besseres vorhatte als mit der Presse zu reden: „Sicherlich sollte man mich heute um Mitternacht nicht interviewen.“ Na dann mal Prost!

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Ohne deutsche Brille war das Highlight des Abends aber sicherlich das 5.000m-Finale der Herren. Die Ingebrigtsen-Brüder, seit ihrer Kindheit von ihrem Vater auf Erfolg getrimmt, wollten unbedingt eine Medaille. Und beinahe wäre es Jakob Ingebrigtsen auch gelungen. Nachdem die Brüder das Renngeschehen zunächst von hinten gestalteten, starteten Filip und Jakob Ingebrigtsen nach circa der Hälfte der Strecke eine fulminante Aufholjagd, der erst auf der Schlusskurve von den Läufern aus Äthiopien und Kanada ein Ende gesetzt werden konnte. Letztlich belegte Jakob Ingebrigtsen den 5. Platz. Auf die IAAF ist dagegen Verlass: der 5.000m-Lauf wird nächste Saison nicht mehr Bestandteil des offiziellen Diamond League-Programms sein. Das gleiche Schicksal droht übrigens auch dem Dreisprung der Herren.

Der Diskuswurf wurde zu einer knappen Angelegenheit, bei der zumindest die Weiten ein wenig enttäuschend waren. Weltmeister Daniel Stahl und Fedrick Dacres warfen beide schon über 70 Meter diese Saison, kamen diesmal aber nicht über die 68 Meter hinaus. Martin Wierig kam dagegen auf einen für ihn sehr guten 8. Platz. Ohnehin war es ein erfolgreicher Abend für die deutsche Mannschaft, was die Qualifikationswettbewerbe angingen. Christin Hussong konnte sich als Gesamt-Zweite für den Speerwurf qualifizieren, bei den 200m erreichten sogar alle drei deutschen Sprinterinnen das Halbfinale – Tatjana Pinto und Lisa Marie Kwayie sogar mit persönlicher Bestleistung.

Im Hochsprung-Finale reichten 1,89 Meter für Imke Onnen leider nur für den 9. Platz, aber das Erreichen des Finales war ja schon ein großer Erfolg. Der Sieg ging mit 2,04 Meter erwartungsgemäß an die Russin Mariya Lasitskene. Diesmal hatte sie mit der jungen Ukrainerin Yaroslava Mahuchikh aber unerwartete Konkurrenz. Diese steigerte ihre persönliche Freiluft-Bestleistung nämlich einfach mal um 9 Zentimeter und stellte damit einen neuen U20-Weltrekord auf.

Doping-News des Tages

Die IAAF kann einem fast schon leidtun (jhaha, just kidding!). Dachte man, Berichte über fehlende Zuschauer, Korruption und fragwürdige Kameraeinstellungen wären schon schlimm genug, da kommt die USADA um die Ecke und packt den Doping-Hammer aus: Vier Jahre Sperre für Alberto Salazar, dem Cheftrainer des berühmt-berüchtigten Nike Oregon Projects, wegen des Handels mit Testosteron, der Manipulation von Dopingproben sowie der Verabreichung von Infusionen. Gerüchte und Berichte über Doping im NOP gab es schon lange – unter anderem von der WM-Zweiten über 10.000m 2007, Kara Goucher – nun ist die USADA zu einem Urteil gekommen. Salazar, selbst iin den 1980er Jahren dreifacher Sieger des New York Marathons, bestreitet selbstverständlich alle Vorwürfe.

Alberto Salazar

Quelle: Cal Hopkins; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Das NOP wurde, wie der Name schon sagt, 2001 von Nike gegründet und stand von Beginn an unter der Beobachtung der USADA und WADA. Aushängeschild dieses Projektes war bis 2017 Mo Farah, der wegen zweier verpasster Kontrollen selbst Dopingverdächtigungen ausgesetzt war. Momentan trainieren in Oregon die 10.000m-Weltmeisterin von Doha, Sifan Hassan, und Konstanze Klosterhalfen. Die Anti-Doping Einheit der IAAF (AIU) verkündete heute auch dementsprechend, dass Salazar von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen sei und den AthletInnen ein Kontaktverbot zu ihm auferlegt werde. Dies sollte zumindest offiziell nicht Klosterhalfen betreffen, da sie ja beim NOP-Co-Trainer Pete Julian trainiert. Man darf dennoch gespannt sein, wie die deutschen Medien mit ihr und dem Thema umgehen werden.

Zwei Athleten vom NOP, Clayton Murphy und Donovan Brazier, sind heute Abend übrigens im 800m-Finale am Start.

War da was?

Ajee Wilson, Zweite über 800m, wurde 2017 von der USADA des Dopings mit Zeranol freigesprochen, da sie dieses Steroid durch kontaminiertes Fleisch zu sich genommen haben soll.

Stop it!

Schon öfter gehört bei der TV-Übertragung der WM: Männliche Kommentatoren betiteln Athletinnen als „junge Dame“. Bitte hört doch einfach auf damit. Erstens erinnert das an ältere Herrschaften in den 1950er Jahren, zweitens sind das mit Anfang / Mitte Zwanzig gestandene Frauen, die alles in Grund und Boden laufen, springen und werfen. Es hört sich einfach respektlos sowie herablassend an und passt nicht mehr in unsere Zeit.

Die Vorschau auf Tag 5

Bei den Laufwettbewerben steht heute Abend sicherlich das 200m-Finale der Herren im Fokus. Der US-Amerikaner Noah Lyles ist der klare Top-Favorit. Immerhin kann er aus dieser Saison bereits eine 19,50 vorweisen, womit er nach Usain Bolt und Yohan Blake der drittschnellste Mann aller Zeiten über diese Strecke ist. Andre de Grasse und Titelverteidiger Ramil Guliyev darf man allerdings auch nicht außer Acht lassen. Bei den Frauen stehen die Halbfinals über 200m an. Hier wäre es eine Überraschung, wenn eine der deutschen Starterinnen den Finaleinzug schaffen würde. Sollte es aber einer von ihnen gelingen, hat Tatjana Pinto in ihrem Halbfinale wahrscheinlich die besten Chancen.

Die größte Spannung verspricht allerdings der Stabhochsprung der Herren. Hier sind gleich vier Athleten in der Lage, um Gold mitzuspringen: Europameister Armand Duplantis, Olympiasieger Thiago Braz, Piotr Lisek sowie Titelverteidiger Sam Kendricks, der dieses Jahr die Weltjahresbestleistung mit 6.06 Meter inne hat. Raphael Holzdeppe und Bo Kanda Lita Baere haben dagegen höchstens Außenseiterchancen. Ein kleiner Wehrmutstropfen ist sicherlich das Ausscheiden von Renaud Lavillenie, der die letzten Jahre das Stabhochsprung-Geschehen maßgeblich bestimmte. Dafür hält aber sein Bruder mit dem Einzug in das Finale die Familienehre hoch.

Aus deutscher Sicht besonders spannend wird das Speerwurf-Finale der Frauen, denn Christin Hussong hat ausgesprochen gute Medaillen-Chancen. Sie war eine der wenigen in der Qualifikation, die mit den schwierigen Stadionbedingungen klar kamen. An der Chinesin Lyu Huihui führt aber wohl dennoch kein Weg vorbei. Außerdem versuchen Mateusz Przybylko sich für das Hochsprung-Finale und Martin Grau sowie Karl Bebendorf für das 3.000m Hindernis-Finale zu qualifizieren.

Leichtathletik-WM: Tag 3!

Gestern stand Tag 3 der Leichtathletik-WM in Doha auf dem Programm. Stabhochsprung, Dreisprung, das Finale über 100 Meter – sportlich gesehen fehlte es an nichts. Sport.Politik gibt einen kleinen Rückblick auf das Geschehen und wagt sich an eine Vorschau auf Tag 4 heran.

Was war gestern los?

Der gestrige Abend war geprägt von vielen hochklassigen Leistungen und emotionalen Momenten. Da war zum einen die unglaubliche Siegesweite von Christian Taylor im Dreisprung, der mit 17,92 Meter seinen vierten WM-Titel gewinnen konnte. Zum anderen lief Shelly-Ann Fraser-Pryce in 10,71 Sekunden eine Weltjahresbestleistung und damit ebenfalls zu ihrer vierten Goldmedaille über 100m. In Erinnerung bleiben wird jedoch der Stabhochsprung der Frauen. Und das hat mehrere Gründe: als erstes natürlich die großartigen Leistungen von Sandi Morris und Anzhelika Siderova, die sich Höhe um Höhe ein packendes Duell um die Goldmedaille lieferten. Bis 4,90 Meter gaben sich beide Athletinnen keine Blöße – mit ihrem Sprung über 4,95 Meter steigerte Siderova ihre Freiluft-Bestleistung um ganze 10 cm und überflügelte somit Morris. Der Moment des Abends gehörte jedoch Angelica Bengtsson, der bei 4,80 Meter der Stab brach. Schlimm genug, doch dann fand sie zu allem Überfluss ihre Stäbe nicht wieder. Also borg sie sich kurzerhand einen von der Französin Ninon Guillon-Romarin. Denn bei Stabbruch darf der Sprung wiederholt werden, und was macht Bengtsson? Überquert souverän die 4,80 Meter – Landesrekord. Bei 4,85 Meter war der Wettkampf für die Schwedin allerdings beendet.

https://twitter.com/EuroAthletics/status/1178613460537630721

Hmpf! Das Ärgernis des Tages

Zuerst einmal muss man sagen, dass die ARD und das ZDF die Leichtathletik-WM fast vollständig übertragen – sei es live im Fernsehen oder (einzelne Wettkämpfe) als Online-Stream. Die Einschaltquoten sind auch nicht allzu schlecht. Während am Samstagabend noch unterdurchschnittlich viele Zuschauer (2,72 Millionen, 10,5 Prozent Marktanteil) das Zweite einschalteten, erholte sich die Quote gestern wieder leicht mit 3,29 Millionen Zuschauern und 13,3 Prozent Marktanteil in der ARD. Doch vor allem in Bezug auf die „Live“-Übertragung gestern gibt es dann trotzdem etwas zu Meckern: nachdem von der Live-Berichterstattung auf ARD ONE ins Hauptprogramm der ARD geschaltet wurde, bot man dem Zuschauer bis auf das 100m-Finale der Frauen nur noch Konserve an. Anstatt also das hochklassige Dreisprung-Finale der Herren zu zeigen, wurde das ONE-Programm inklusive Kommentar eins zu eins in der ARD wiederholt – mit Live-Einblendung.

Im Gegensatz zu den TV-Quoten sind die Zuschauerzahlen im Stadion doch sehr traurig, aber nicht wirklich überraschend. Die Organisatoren versuchen zwar, mit Lichtshows darüber hinweg zu täuschen, aber ohne Erfolg. Das Stadion war bei dem 100m-Finale der Frauen fast leer:

Die Mütter des Tages

Die Mütter unter den Leichtathletinnen dominierten gestern die Berichterstattung. Und das zu Recht. Shelly-Ann Fraser-Pryce gewann zwei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes Gold über die 100m und damit andere Mütter inspirieren.

Allyson Felix setzte noch einen drauf, indem sie gestern den Premierentitel mit der 4×400 Meter Mixed-Staffel der USA und damit ihren zwölften Weltmeistertitel gewann. Nach der komplizierten Geburt ihrer Tochter vor 13 Monaten setzt sich Felix für Schwangere und Mütter in der afro-amerikanischen Community ein, denn die Wahrscheinlichkeit, an schwangerschaftsbezogenen Komplikationen zu sterben, ist in den USA bis zu dreimal höher als bei weißen Frauen. Außerdem kämpft sie zusammen mit anderen Athletinnen gegen die Diskriminierung von Müttern im Sport – mit Erfolg, denn zumindest NIKE passte mittlerweile seine Verträge an.

Doping!

Shelly-Ann Fraser-Pryce zum Dritten! 2011 wurde sie wegen eines positiven Tests auf das Schmerzmittel Oxycodon für sechs Monate gesperrt. Sie gab Zahnschmerzen als Grund für die Einnahme an.

Chinas Liu Hong gewann gestern die Goldmedaille über die 20 Kilometer Gehen der Frauen. 2016 war sie für einen Monat gesperrt, nachdem ihr die Stimulanz Higenamin nachgewiesen werden konnte.

Die Vorschau für Tag 4

Das Highlight aus deutscher Sicht sind heute natürlich die 3.000m Hindernis mit Gesa Felicitas Krause. Mit ganz viel Glück ist vielleicht eine Medaille drin, wahrscheinlicher ist jedoch eher eine Platzierung um Rang 5 oder 6. Der deutsche Rekord, den sie diese Saison gelaufen ist, macht jedoch ein wenig Hoffnung auf die erste deutsche Medaille der Leichtathletik-WM.

Genau diese ist für Imke Onnen im Hochsprung-Finale ziemlich außer Reichweite. Klare Favoritin ist hier die Russin Mariya Lasitskene, die mit 2,06 Metern die Weltjahresliste anführt und seit 18 Wettbewerben ungeschlagen ist.

Martin Wierig hat als einziger Deutscher das Diskus-Finale erreicht, wo vielleicht eine Bronze-Medaille drin sein könnte. Den Sieg werden aber wohl der Schwede Daniel Stahl und der Jamaikaner Fedrick Dacres unter sich ausmachen. Ein Zweikampf wird auch das 400m Hürden-Finale der Männer: Titelverteidiger Karsten Warholm und Rai Benjamin konnten beide diese Saison unter der magischen Grenze der 47 Sekunden bleiben.

Ansonsten bleibt spannend zu sehen, ob die Ingebrigtsen-Brüder über 5.000 Meter eine Chance gegen die kenianischen und äthiopischen Läufer haben werden – es wäre zumindest eine kleine Überraschung. Die 200 Meter-Halbfinals der Männer sollten auch eine klare Sache sein. Allen voran Noah Lyles, Andre de Grasse und Ramil Guliyev, der Titelverteidiger, sind haushohe Favoriten.

Ansonsten sind noch die deutschen Speerwerferinnen in der Qualifikation unterwegs. Annika Maria Fuchs die erste Gruppe leider nicht überstanden, Christin Hussong sollte dagegen keine Probleme mit dem Erreichen des Finales haben. Und auch die 200 Meter-Sprinterinnen – Tatjana Pinto, Lisa Marie Kwayie und Jessica-Bianca Wessolly – haben gute Chancen auf den Einzug in das Halbfinale. Hierfür müssen sie entweder einen der ersten drei Plätze ihres Laufes erreichen oder eine der sechs schnellsten Laufzeiten haben.