Doping im Fußball gibt es nicht, hat es auch nie gegeben. So will es der Fußball der breiten Masse zumindest verkaufen. Doping würde bei so einer auf Technik und Taktik ausgelegten Sportart ja auch überhaupt nichts bringen. Nur ein kleiner Blick in die Geschichte sowie auf verschiedene Studien und Statistiken lässt jedoch erahnen, wie weltfremd solche Aussagen sind. Wo Ausdauer, Kraft und Konzentration gefragt sind, ist Doping immer ein Thema. Deshalb anbei eine kleine Dopinggeschichte des Fußballs.
Gedopt zum WM-Titel?
Die „Helden von Bern“ schrieben mit ihrem Triumph bei der Weltmeisterschaft 1954 Geschichte, doch die Geschehnisse in der Halbzeitpause des WM-Finales werden wohl ewig ein Mysterium bleiben. Zu hartnäckig halten sich die Gerüchte über Doping beim Weltmeister, die bereits kurz nach dem Finale von Ferenc Puskás, damaliger Kapitän des deutschen Finalgegners Ungarn, angefeuert wurden. Dieser wunderte sich nämlich über die große Leistungssteigerung der deutschen Elf in der zweiten Halbzeit. Offiziell heißt es bis heute, dass den Spielern in der Halbzeitpause Vitamin C-Spritzen von Teamarzt Dr. Franz Loogen verabreicht wurden. Doch schon damals verdächtigte man die Deutschen, Amphetamine in Form von Pervitin gespritzt bekommen zu haben. Unüblich war dies zu jener Zeit zumindest nicht.
Dennoch steht fest: egal ob Vitamine oder Pervitin, die gesundheitlichen Folgen dieser medizinischen Behandlung waren, gelinde gesagt, unglücklich. Da es nicht genug Spritzen für alle gab, mussten sich die Spieler eine oder mehrere teilen und steckten sich auf diese Weise gegenseitig mit Hepatitis C an. Mindestens acht Spieler des deutschen Kaders mussten sich im November 1954 in Behandlung begeben. Drei Spieler, Richard Franz Herrmann (1962, 39 Jahre alt) sowie Karl Mai (1993, 64 Jahre alt) und Werner Liebrich (1995, 68 Jahre alt), starben frühzeitig an den Folgen der Hepatitis oder zumindest aufgrund von Leberleiden. Die Ungarn sollen sich übrigens auch während des WM-Finales mit Vitamin C aufgeputscht haben – allerdings in Tablettenform.
Auch bei der WM 1966, als Deutschland Vize-Weltmeister wurde, soll es Auffälligkeiten bei der deutschen Mannschaft gegeben haben. So belegen neu entdeckte Dokumente 2011, dass mindestens drei Spieler – die Namen sind allerdings nicht bekannt – mit Ephedrin gedopt gewesen sein sollen. Die FIFA, die 1965 erstmals Urinproben bei Weltmeisterschaften zustimmte, hielt diese brisanten Ergebnisse damals unter Verschluss.
Spritzen in den Hintern
Der Champions League-Titel von Olympique Marseille 1993 soll auch nicht mit sauberen Mitteln erkämpft worden sein. Dies berichtet zumindest der ehemalige Spieler Jean-Jacques Eydelie 2006 in seiner Autobiographie. Darin erzählt er, wie sich die Spieler unmittelbar vor dem Finale in der Kabine in eine Reihe aufstellen mussten, um sich Injektionen ins Gesäß setzen zu lassen. Was in den Spritzen war, weiß er allerdings bis heute nicht. Dass der damalige Vereinspräsident Bernard Tapie durchaus von diesen Vorgängen wusste, sogar die treibende Kraft dahinter war, davon spricht Eydelies Mannschaftskollege Marcel Desailly in seiner Autobiographie. So soll Tapie, der die Vorwürfe natürlich abstreitet, seinen Spielern die Arzneimittel persönlich in der Kabine vor Spielen in die Hand gedrückt haben. Eydelie nennt übrigens einen Spieler, der sich damals den Injektionen verweigert haben soll: Rudi Völler.
Die Schnupfnase des Diego Maradona
Ernst Jean-Joseph aus Haiti und Diego Maradona sind bis heute die einzigen Spieler, die während einer Fußball-Weltmeisterschaft des Dopings überführt wurden. Beiden wurde die Stimulanz Ephedrin zum Verhängnis: Jean-Joseph bei der WM 1974 in Deutschland, Maradona 20 Jahre später in den USA. Maradonas Drogenmissbrauch war jedoch schon vorher ein Thema in der Klatschpresse. Spätestens seit seiner Zeit in Italien, als ein positiver Test auf Kokain 1991 dazu führte, dass der SSC Neapel seinen Vertrag auflöste, war sein Drogenkonsum ein offenes Geheimnis. Im weiteren Verlauf seines Lebens hatte Maradona immer wieder mit Drogen- und Gesundheitsproblemen zu kämpfen. Derzeit ist er Trainer des Al-Fujairah SC in der zweiten Liga der Vereinigten Arabischen Emirate.
Italiens Doping-Fluch
Welche verheerenden Spätfolgen Doping und Medikamentenmissbrauch haben kann, zeigt das Beispiel Italien, wo eine Reihe von Todesfällen und Krankheiten ehemalige Fußballer aufschreckt und sogar das Interesse der Staatsanwaltschaft weckte. Deren Untersuchung ergab schockierende Zahlen: Die heimtückische Nervenkrankheit ALS, Bauchspeichel-, Darm- und Leberkrebs kommen im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt bei italienischen Fußballern mindestens doppelt so oft vor. Insgesamt identifizierte die italienische Staatsanwaltschaft 70 verdächtige Todesfälle. Besonders betroffen sind ehemalige Spieler des AC Florenz, weshalb man schon vom „Fluch der Fiorentina“ spricht. Viele Spieler der 1960er und 1970er Jahre berichten von Amphetaminen und unbekannten Medikamenten, die ihnen unter anderem heimlich im Morgenkaffee verabreicht wurden.
Juves Doping-Apotheke
Juventus Turin war die bestimmende Mannschaft der 1990er Jahre – national wie international – doch lag dies anscheinend nicht allein an dem fußballerischen Können seiner Spieler. Wie ein italienisches Gericht Anfang der 2000er feststellte, war Juventus‘ Apotheke so gut bestückt, dass sie „zur Versorgung einer mittleren Stadt ausgereicht hätte“. Des Weiteren ergaben Ermittlungen, dass beim mittlerweile 33-fachen italienischen Meister in den Jahren 1994 bis 1998 systematisches Doping betrieben wurde. Unter anderem mit EPO, worauf die Blutwerte einiger Top-Stars wie Zinedine Zidane, Alessandro del Piero oder Didier Deschamps, heutiger Nationaltrainer Frankreichs, hinwiesen. Trotz aller Beweise wurden die Verantwortlichen Turins freigesprochen und der Club durfte alle errungenen Titel behalten.
Die „Nandrolon-Epidemie“
Anfang der 2000er Jahre gab es eine Reihe positiver Tests von Fußballern auf das Steroid Nandrolon. Betroffen davon waren u.a. die niederländischen Nationalspieler Frank de Boer, Edgar Davids und Jaap Stam, der franzözische Nationalspieler Christophe Dugarry, Portugals Nationalspieler Fernando Couto sowie Thomas Ziemer und der heutige Trainer-Guru Pep Guardiola. Alle sind entweder nur mit einer geringen Sperre oder einem Freispruch wegen Formfehler davongekommen. Fun Fact zu Thomas Ziemer: ihm wurde der bis dahin höchste jemals bei einem Menschen gemessene Wert für ein Anabolikum nachgewiesen.
Fuentes‘ exklusive Kunden
Der Fuentes-Skandal erschütterte 2006 die gesamte Radsportwelt und beendete de facto Jan Ullrichs Karriere. Dass aber auch Fußballer, teilweise sogar ganze Fußballmannschaften, Kunden von Eufemiano Fuentes waren, ist kaum bekannt. Wie auch? Die spanische Justiz setzte alles daran, brisante Akten, die insbesondere den Fußball in ein schlechtes Licht rückten, unter Verschluss zu halten. Todesdrohungen gegen Fuentes selbst, sollte er über den Fußball auspacken wollen, taten ihr Übriges. Durchgesickert sind dennoch ein paar Details. So belieferte Fuentes den spanischen Verein Real Sociedad Sebastian von 1999 bis 2005 mit Dopingmitteln. Xabi Alonso, der dort bis 2004 spielte, erklärte jedoch, dass er niemals etwas von Doping mitbekommen habe. Die französische Zeitung Le Monde brachte außerdem den FC Barcelona, Real Madrid sowie FC Valencia und Betis Sevilla mit dem spanischen Doping-Guru in Verbindung.
Doping im deutschen Fußball
Günter Schlipper, Frank Mill, Peter Geyer, Johnny Rep – alle gaben Doping mit Amphetaminen oder Captagon während ihrer Karriere zu. Toni Schumacher beschrieb das Doping seiner Kollegen in seiner Autobiographie „Anpfiff“ von 1987 und musste mit den harten Konsequenzen leben. Paul Breitner und Dietmar Schatzschneider berichteten ebenfalls von Doping im Fußball, ohne sich allerdings selbst zu belasten. Dies sind nur einige Beispiele für die nicht unwesentliche Rolle des Dopings im deutschen Fußball. Des Weiteren fanden Sporthistoriker heraus, dass zumindest der VfB Stuttgart und SC Freiburg Ende der 1970er und Anfang 1980er Jahre regelmäßig mit Anabolika beliefert wurden. Lieferant war das Universitätsklinikum Freiburg, welches bis in die 2000er hinein das Doping-Epizentrum (West-) Deutschlands darstellte.
DDR: Doping auch für Fußballer
Das Staatsdopingsystem der DDR machte auch vor den Fußballern keinen Halt. Stasi-Akten belegen, dass ganze Mannschaften teilweise unwissentlich gedopt wurden. So bekamen die Spieler des DDR-Serienmeisters BFC Dynamo Amphetamine mit dem Ziel verabreicht, deren Aggressivität und Schnelligkeit zu steigern. Besonders vor wichtigen Spielen wie dem Europacup griff man zu dieser Maßnahme. Das Doping beschränkte sich jedoch nicht nur auf Amphetamine, sondern beinhaltete auch Steroide wie das Hausprodukt der DDR, Oral Turinabol. Der Dopingopfer-Hilfeverein, welcher sich seit Jahren um die Opfer des DDR-Staatsdopings kümmert, veröffentlichte erst dieses Jahr einen Schadensbericht, der eine Vielzahl schwerer Folgeschäden wie Depressionen, Krebs- und Lebererkrankungen beinhaltet. Betroffen seien Fußballer verschiedener Vereine, darunter des FC Carl Zeiss Jena oder Stahl Riesa.